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20.11.2012 10:24

Männer und Technik

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Maschinenbau, Elektrotechnik, Physik: Die Soziologin Tanja Paulitz erforscht die Berufswelten der Ingenieure und Naturwissenschaftler. Dabei wirft die neue Professorin auch einen Blick auf Geschlechterrollen.

    Einen Ingenieursabschluss besitzt Tanja Paulitz nicht. Sie hat auch nie ein technisches Fach studiert, sondern Soziologie, Germanistik, Slawistik und Erziehungswissenschaft. Und doch befasst sich die Professorin mit Prozessen der Technisierung, mit dem Berufsbild bei Naturwissenschaftlern und Ingenieuren. Ein kleiner Umweg hat sie dorthin geführt.

    Nach dem Studium war Tanja Paulitz zuerst bei der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) tätig: Mit ihren slawistischen Fachkenntnissen unterstützte sie das Team in der Russland-Abteilung. Dort wuchs sie in ein neues Gebiet hinein – die innerbetriebliche Koordination der EDV. „Dabei ist mein sozialwissenschaftliches Interesse für Prozesse der Technisierung entstanden“, sagt die Professorin.

    Mann und Maschine: die Habilitation

    Wie wird Technik gemacht? Welche sozialen Vorstellungen und welche Bilder vom Menschen fließen in diesen Prozess ein, ohne dass es den Entwicklern unbedingt immer bewusst ist? Warum ist der technische Bereich heute immer noch eine Männerdomäne? Wie sehen die Berufsbilder und das Selbstverständnis in diesem Bereich aus? Solche Fragen hat Tanja Paulitz unter anderem in ihrer Habilitationsarbeit bearbeitet. Das Werk ist im September 2012 als Buch mit dem Titel „Mann und Maschine“ im Transcript-Verlag erschienen.

    Mann und Maschine. Der Titel zeigt, dass die Soziologie der Technik einen klaren Geschlechteraspekt beinhaltet: „Im 19. Jahrhundert galt für Maschinenwissenschaftler zunächst als Norm, rational und objektiv zu sein. Diese Fähigkeiten wurden nicht nur den Frauen abgesprochen, sondern auch allen außereuropäischen Völkern“, so die Würzburger Soziologin.

    Zwei Technik-Typen definiert

    Diese Einstellung wirkt offenbar bis heute nach. Tanja Paulitz macht das an zwei dominanten Berufsbildern deutlich, die sie in der Männerdomäne der Technikwissenschaften definiert hat: den Theoretiker, der sich mit den Grundlagen befasst, und den Generalisten, der anwendungsnah arbeitet und oft in der Industrie tätig ist. „Das Selbstverständnis der beiden Typen unterscheidet sich, ist aber immer mit bestimmten Vorstellungen von Männlichkeit verbunden“, erklärt die Professorin.

    Einstellungen zu Frauen

    Der Theoretiker sagt: „Ich war schon immer technisch interessiert, und das treibt mich an.“ Und er glaubt, dass dieses Interesse bei Frauen nicht stark genug sei, um ein Leben lang in technischen Berufen erfolgreich zu sein. Der Generalist ist ein „Manager-Typ“, der Dinge vorantreibt und viel kommuniziert. Seiner Meinung nach sind Frauen in technischen Berufen seltener zu finden, weil sie Beruf und Familie nicht vereinbaren können. Was ihm selbst im Arbeitsalltag gelingt – viele „Baustellen“ gleichzeitig zu bewältigen – traut er Frauen nicht zu.

    Diesen Einstellungen ist Tanja Paulitz in zahlreichen Interviews begegnet. „Wobei das sehr oft latente Überzeugungen sind, die nicht explizit formuliert werden. Bei unseren qualitativen Interviews kommen sie aber trotzdem ans Licht.“ Manche Techniker tragen also ganz unbewusst zur Reproduktion männlicher Normvorstellungen in ihren Berufsfeldern bei.

    Unterschiedliche Geschlechternormen

    Die Geschlechternormen in der Welt der Technik beschreiben und analysieren: Darauf läuft die Forschung der neuen Professorin hinaus. Dabei sei es wichtig, zwischen einzelnen Technik-Fächern zu unterscheiden, „weil es da gar nicht so einheitlich aussieht, da hat es mit der Zeit verschiedenste Entwicklungen gegeben.“ Das müssten all diejenigen Initiativen berücksichtigen, die mehr Frauen in technische Berufe bringen wollen – mit einer pauschalen Sichtweise lasse sich dieses Ziel nicht erreichen, ist die Professorin sicher.

    Werdegang von Tanja Paulitz

    Tanja Paulitz, 1966 in Baden-Baden geboren, hat an den Universitäten Marburg, Bochum und Frankfurt am Main studiert. An der Uni Kassel promovierte sie 2004; danach war sie wissenschaftliche Assistentin an der Technischen Universität Berlin. 2006 erhielt sie ein Forschungsstipendium aus dem Mobilitätsprogramm des Österreichischen Wissenschaftsfonds. Damit ging sie ans Interuniversitäre Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur in Graz und forschte über die Entstehung der Technikwissenschaften im deutschsprachigen Raum.

    Im Anschluss wechselte Tanja Paulitz ans Institut für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz, wo sie in Forschung und Lehre als Assistenzprofessorin tätig war. Dort habilitierte sie sich 2011. Gastprofessuren führten sie in die USA, an die University of California in Los Angeles und an die Cornell University. Zum Wintersemester 2012/13 folgte sie schließlich dem Ruf auf die Professur für Spezielle Soziologie und Empirische Sozialforschung an der Uni Würzburg.

    Tanja Paulitz: „Mann und Maschine. Eine genealogische Wissenssoziologie des Ingenieurs und der modernen Technikwissenschaften, 1850-1930“, transcript-Verlag Bielefeld, September 2012, 392 Seiten, 34,80 Euro, ISBN 978-3-8376-1804-4

    Kontakt

    Prof. Dr. Tanja Paulitz, Institut für Politikwissenschaft und Sozialforschung der Universität Würzburg, T (0931) 31-80083, tanja.paulitz@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Tanja Paulitz, Soziologie-Professorin an der Uni Würzburg. Foto: Sissi Furgler
    Tanja Paulitz, Soziologie-Professorin an der Uni Würzburg. Foto: Sissi Furgler

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Tanja Paulitz, Soziologie-Professorin an der Uni Würzburg. Foto: Sissi Furgler


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