Muskelabbau ist ein entscheidendes Problem bei Krankheit, Immobilität und im hohen Alter. Ein internationales Forscherteam aus Baltimore, Greifswald und Tübingen hat nun ein Enzym in seiner Wirkung beschrieben, das den Muskelabbau und -aufbau steuert. Die Ergebnisse wurden an Mäusen sowie winterschlafenden nordamerikanischen Eichhörnchen gewonnen und sind nun in der Wissenschaftszeitschrift EMBO Journal online veröffentlicht. Die beteiligten Forscher sind zuversichtlich, dass sich die Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen. Durch die Aktivierung des Enzyms könnte der Muskelabbau verhindert und die Lebensqualität vieler Menschen verbessert werden.
Etwa zwei Millionen ältere Menschen in Deutschland leiden an Sarkopenie. Dieser Muskelabbau im Alter führt zum Beispiel dazu, dass das Gehen und Treppensteigen zunehmend schwerer fällt. Weitere Gründe für Muskelabbau sind Bettlägerigkeit oder neuromuskuläre Erkrankungen. Ein Aktivator des Enzyms, welches unter dem Kürzel SGK1 bekannt ist, könnte dem nun entgegenwirken. „Das Besondere an der Kinase SGK1 ist, dass sie den Muskelaufbau auch bei Bewegungsmangel oder Immobilisierung fördert“, so Professor Dr. Heinrich Brinkmeier, Leiter der Forschungsgruppe Greifswald. „Man müsste niedermolekulare Aktivatoren des Enzyms entwickeln und diese als Medikamente verabreichen. Die Tübinger Arbeitsgruppe um Professor Florian Lang arbeitet bereits daran.“
Die Wirkungsweise des Enzyms in Mäusen entdeckten die Wissenschaftler aus Greifswald und Tübingen zufällig. Sie untersuchten die Nager mit einem Gendefekt im SGK1-Gen. Dabei wurde die Laufbereitschaft im Laufrad gemessen. Mäuse laufen freiwillig mehrere Kilometer pro Nacht. Daraufhin wurde die Kraft isolierter Muskeln im Bein und Zwerchfell gemessen und das Muskelgewebe histologisch untersucht, unter anderem auf Muskelfaserdegeneration und Fibrose.
In Baltimore wurden winterschlafende nordamerikanische Eichhörnchen, „ground squirrels“, gezielt – und zunächst unabhängig vom deutschen Projekt – untersucht. Die amerikanischen Wissenschaftler testeten die Wirkung der SGK1 auf andere muskuläre Enzyme, die sich auf die Proteinsynthese und den Abbau auswirken. Weiterhin wurden die Muskeln der Tiere vor, während und nach dem Winterschlaf histologisch untersucht. Beide Untersuchungen zeigten, dass das SGK1-Gen den Muskelabbau hemmt.
„Professor Dr. Florian Lang aus Tübingen kenne ich seit vielen Jahren“, so Professor Dr. Heinrich Brinkmeier. „Die Verbindung nach Baltimore ist zustande gekommen, nachdem das amerikanische Forscherteam um Professor Dr. Ronald Cohn in Tübingen angefragt hat, ob es Daten zur Muskulatur von Mäusen mit einem Gendefekt im SGK1-Gen gibt. Wir sind dann zusammen zur Erkenntnis gekommen, dass unsere Daten viel aussagekräftiger sind, wenn wir sie kombinieren.“
„Im Idealfall könnten Aktivatoren des Enzyms den Muskelabbau des Menschen im Alter oder aufgrund von Krankheiten oder Bettlägerigkeit aufhalten und sogar umkehren“, so Professor Brinkmeier. „Aufbauende und abbauende Prozesse sind Gegenspieler in der Muskelfaser und verhalten sich wie die zwei Seiten einer Balkenwaage. Hemmt man den Abbau und fördert den Aufbau, sollte die Muskelmasse wieder anwachsen können. Eine eiweißreiche Ernährung ist dabei Voraussetzung.“
Weitere Informationen
Veröffentlichung EMBO Journal http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23161797
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Heinrich Brinkmeier
Institut für Pathophysiologie
Greifswalder Str. 11c, 17495 Karlsburg
Telefon 03834 86-19319
heinrich.brinkmeier@uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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