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23.07.2002 10:07

Kunststoff und Titan statt Haut und Knochen

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Maßgeschneiderte Implantate: Leibniz-Wissenschaftler arbeiten an neuartigen Oberflächen zur Verbesserung der Bioverträglichkeit

    Schon in der Frühzeit versuchten Menschen, fehlende Zähne durch Tierzähne, geschnitzte Knochen oder Perlmuttstücke zu ersetzen. Heute beschäftigen sich ganze Forschungszweige mit der Entwicklung "biokompatibler" Materialien zur Herstellung von Implantaten. Der Anspruch an die moderne Medizintechnik ist hoch: Obwohl bei den heute verfügbaren Implantaten nur hochleistungsfähige Substanzen verwendet werden, kommt es immer wieder zu Komplikationen. In Instituten der Leibniz-Gemeinschaft versuchen Wissenschaftler, die natürliche Abwehrreaktion zu minimieren.

    Lernen vom Blutegel

    Problematisch wird es, wenn der menschliche Körper auf Implantate wie auf krankheitserregende Fremdkörper reagiert. "Häufig kommt es zu Immunreaktionen oder zur Blutgerinnung, was sich besonders gefährlich bei Implantaten und Prothesen im direkten Blutkontakt auswirkt", erklärt Dr. Carsten Werner, Leiter des Bereichs "Biokompatible Materialien" am Institut für Polymerforschung in Dresden (IPF). "Blutgefäßprothesen, Gefäßstützen oder künstliche Herzklappen müssen den höchsten Anforderungen genügen." Hier hält die Natur Lösungen parat: Blutegel und Moskitos beispielsweise verfügen über blutgerinnungshemmende Substanzen, die weit wirkungsvoller und stabiler sind als der herkömmliche Gerinnungshemmer Heparin. Solch "tierische" Substanzen werden von den Forschern des IPF chemisch imitiert und an Implantat-Materialien angebunden. Die durch Biologie inspirierte Materialforschung hat sich in Dresden fest etabliert - erst vor kurzem wurde das vom IPF und der Technischen Universität Dresden (TUD) errichtete "Max Bergmann-Zentrum für Biomaterialien" am Institut für Polymerforschung eingeweiht. Im ersten interdisziplinären Leibniz-Zentrum werden rund achtzig Polymerforscher, Mediziner, Werkstoffspezialisten, Biologen und Chemiker aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen die Entwicklung von neuen Materialien für die Medizin vorantreiben. Die räumlich enge Zusammenarbeit soll es den Forschern ermöglichen, die rasanten Erkenntnisgewinne der Biologie zukünftig noch besser zu nutzen als bisher, um neue Materialien für die Medizin zu entwickeln.

    "Knochenarbeit" - neues Verfahren zur Oberflächenmodifizierung räumlicher Implantate

    Eine bessere Bioverträglichkeit von Implantaten haben auch Wissenschaftler des Instituts für Oberflächenmodifizierung in Leipzig (IOM) fest im Visier. Die Forscher beschäftigen sich unter anderem mit der Oberflächenmodifizierung von Knochenimplantaten, bei denen neben der Verträglichkeit zusätzlich die chemische und mechanische Haltbarkeit der Implantate deutlich verbessert werden soll. Denn gerade Knochenimplantate wie Hüft- oder Kniegelenke sind hohen Belastungen ausgesetzt. Die komplizierte räumliche Gestalt solcher Implantate macht es jedoch schwer, die oberflächennahen Bereiche zu modifizieren, zusätzlich muss darauf geachtet werden, dass die günstigen Eigenschaften des Implantatwerkstoffs durch den Modifizierungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Daher setzt man auf elektrisch geladene Teilchen: Mit der "Plasma-Immersions-Implantation" haben IOM-Wissenschaftler ein neues, kostengünstiges und schnelles Verfahren entwickelt, das die Vorteile der Ionen- und Plasmatechnologie vereint. Im Rahmen des Verfahrens werden etwa künstliche Hüftgelenke, wegen der guten Bioverträglichkeit oftmals aus Titan, in mit Ionen geladenes Plasma getaucht. So präpariert, lassen sich Prothesen mit gewünschten Eigenschaften versehen wie etwa Verschleißresistenz oder sogar elektrischer Leitfähigkeit.

    Wie künstliche Gelenke im Körper anwachsen

    Mit neuen Eigenschaften von Implantat-Oberflächen warten auch Forscher des Forschungszentrums Rossendorf in Dresden (FZR) auf. Durch künstliche Gelenke lässt sich die Lebensqualität von Patienten, die an schweren Gelenkerkrankungen leiden, erheblich verbessern. Die Voraussetzung: Die Verbindung zwischen Knochen und Gelenk darf sich nicht lösen - das Implantat muss fest verankert sein. In vielen Fällen jedoch, etwa bei Rheuma- und Osteoporosepatienten, bildet sich der Knochen leicht zurück. Die Folge: Das Gelenk löst sich nach relativ kurzer Zeit und muss ausgetauscht werden. Am FZR gelang es nun, auf der Oberfläche von Implantaten eine künstliche Schicht Knochenmineral zu bilden. Wie am IOM kommen auch hier elektrische Teilchen zum Einsatz: Durch Ionenstrahlverfahren wollen die Forscher des FZR erreichen, dass Implantate im Körper wie eigene Knochen anwachsen - in Zellversuchen zeigte sich bereits, dass sich Knochenzellen auf der Knochensubstanz tatsächlich schneller vermehren als auf unbehandeltem Metall. Vor allem Risikopatienten könnten von einer solchen Anwendung profitieren.

    Kontakt:
    Dr. Frank Stäudner
    Tel.: 0 30/ 20 60 49 42
    Fax: 0 30/ 20 60 49 55
    E-Mail: staudner@wgl.de

    Institut für Polymerforschung Dresden (IPF)
    Dr. Carsten Werner
    Tel.:03 51/ 46 58 532
    Fax: 03 51/46 58 533
    E-Mail: cwern@ipfdd.de

    Institut für Oberflächenmodifizierung, Leipzig (IOM)
    Prof. Dr. B. Rauschenbach
    Tel.: 03 41/235 2308
    Fax: 03 41/235 2313
    E-Mail: brausch@rz.uni-leipzig.de

    Forschungszentrum Rossendorf (FZR)
    Dr. Manfred Maitz
    Tel.: 03 51/ 26 0 2014
    Fax: 03 51/ 26 0 27 03
    E-Mail : m.maitz@fz-rossendorf.de

    IPF, IOM und FZR gehören zu den 79 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.000 Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 820 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter: http://www.wgl.de.

    Leibniz-Geschäftsstelle, Eduard-Pflüger-Straße 55, 53113 Bonn; PF 12 01 69, 53043 Bonn, Tel.: (0228) 30815-0, FAX: (0228) 30815-255, Email: wgl@wgl.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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