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31.07.2002 10:46

Bremer Wissenschaftler: Forschungsergebnisse zum Projekt "Denunziation in Deutschland"

Angelika Rockel Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen

    "Der größte Lump im ganzen Land ist immer noch der Denunziant". Dieses Zitat von Hoffmann von Fallersleben gilt bis heute. Doch die historisch Realität lässt sich nicht so leicht auf eine einfache Formel bringen. Sie zeigt Denunziation als individuelles Verhalten eingebunden in die Kontexte sozialer Kontrolle und staatlicher Herrschaftssicherung. Nicht selten spielen auch Neid und Rachegefühle als Motive für Denunziation eine Rolle, die dann als gesellschaftspolitisches Anliegen tituliert werden.

    Mit "Denunziation in Deutschland 1933 bis 1955. Verhalten, rechtliche Normen und staatliche Regulierung im Vergleich" beschäftigte sich in den vergangenen vier Jahren ein Wissenschaftlerteam um Professorin Dr. Inge Marszolek von der Universität Bremen. Dabei wurden drei unterschiedliche Gesellschaftsformen - Nationalsozialismus, DDR-Regime, Bundesrepublik Deutschland - untersucht. Das Projekt wurde von der VolkswagenStiftung mit rund 260.000 Euro gefördert.

    Klatsch und Denunziation sind eng miteinander verwobene Kommunikationsformen, die häufig der Ausgrenzung Einzelner dienen. Die Denunziation zeichnet dabei die Besonderheit aus, dass sie an eine übergeordnete Instanz (Vorgesetzte, staatliche Stellen) ergeht, von der Sanktionen gegen die Betroffenen erwartet werden. Insofern ist sie ein Mittel der sozialen Kontrolle, das die "höhere Instanz" zu instrumentalisieren versucht. Im Gegenzug kann Denunziation aber auch ganz gezielt zur staatlichen Informationsbeschaffung benutzt werden und dabei so unterschiedlichen Zwecken dienen wie der Entnazifizierung in den Ost- und Westzonen Nachkriegsdeutschlands oder der "Volkskontrolle" beim Aufbau einer neuen Gesellschaft in der DDR. So kann Denunziation je nach Sichtweise als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und als Straftatbestand gewertet werden.

    Die Analysen der Bremer Wissenschaftler ergaben, dass sowohl das nationalsozialistische Regime als auch die beiden Nachfolgegesellschaften unterschiedliche Strategien verfolgten: Im Nationalsozialismus wurde das Gesetz zur Bestrafung falscher Anschuldigung verschärft, zugleich aber eine Fülle von Denunziationsmöglichkeiten geboten. In der SBZ/DDR wurde gar eine Bringschuld der Bevölkerung für "gute Denunziation" proklamiert. Im Westen hingegen wurde - sieht man von den Aufforderungen der Militärregierung zur aktiven Mithilfe bei der Entnazifizierung ab - auf informeller Ebene über Denunziation als Mittel zur Konfliktlösung in der neuen demokratischen Ordnung verhandelt.

    "Denunziation dient, gleich in welchen Systemen, der Herstellung von Ordnung. Insofern erhöht sich in Umbruchzeiten die Bereitschaft zur Denunziation. Der historische Vergleich verdeutlicht die Vielfalt menschlicher Strategien, sich in den politischen Kräftefeldern zu behaupten, diese in eigenem Interesse zu nutzen und zu verändern," erklärt Inge Marszolek. Der Sammelband "Denunziation im 20. Jahrhundert" leuchtet die Grauzonen zwischen Anzeige und Denunziation aus. Das geschieht zum einen durch den historischen Vergleich und zum anderen durch eine interdisziplinäre Forschungsperspektive.

    Weitere Informationen erteilt Inge Marszolek unter Tel.: 0421/218-7395, Fax: 0421/218-4408 oder eMail: marsz@uni-bremen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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