Kassel. Vor 20 Jahren wurde das Wissenschaftliche Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung (WZ I) als eine von wenigen Einrichtungen der Hochschulforschung in Deutschland gegründet. Dieses Jubiläum war Anlaß für eine Konferenz der Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) auf der heute Hochschulforscher, Politiker und Vertreter von Hochschulen zu einem Dialog über Erwartungen an die Hochschulforschung, über die Situation der Forschung und ihre Erträge für die Praxis eingeladen waren. Morgen stehen folgende weitere aktuelle Themen der Hochschulforschung im Mittelpunkt von vier Workshops: Hochschule und Beruf; Studienabbruch und Studienerfolg; Die Hochschullehrer und ihre Institution; Frauen in Hochschule und Beruf.
Die GhK schuf mit der Gründung des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung - wie auch manche andere junge Universitäten in Europa - eine Basis dafür, daß die Hochschule nicht nur zum Gegenstand kurzatmiger ad-hoc-Recherchen gemacht wird, wenn aktuelle Probleme zur Entscheidung drängen. Das Kasseler Forschungszentrum konnte vielmehr wichtige Fragen zur zukünftigen Gestaltung des Hochschul-wesens grundlegend aufnehmen. Mehr als 1000 Publikationen zu diesen Themen zeugen von der Produktivität der etwa 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch von der Unterstützung, die sie für ihre Forschung erhielten und erhalten. Durch die Arbeit des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung sei - so die hessische Wissenschaftsministerin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, die ihre Teilnahme kurzfristig absagen mußte, in ihrem Grußwort - so manche vordergründige Alltagstheorie widerlegt worden. Hochschulforschung, wie sie dieses Zentrum betreibe, helfe den Hochschulen, ihr eigenes Schicksal angesichts der zukünftigen Herausforderungen selbst in die Hand zu nehmen. Als Beispiele nannte sie Internationalisierung, Flexibilisierung und Modularisierung von Studiengängen, Globalhaushalt und professionelles Hochschulmanagement. Die Scheu der deutschen Hochschulen, systematische Forschung über die eigene Organisation zu betreiben, sei an der GhK nicht zu beobachten. Sie habe in einem damals einmaligen Experiment ein Forschungszentrum eingerichtet, das heute eine Instanz der Spitzenforschung und -ausbildung sei und das wissenschaftliche Profil dieser Hochschule markant bereichere. Der bekannte Hochschulforscher und langjährige Vorsitzende des Sachverständigenbeirats des WZ I, Prof.
Dr. Ludwig Huber, hob in seinem Festvortrag den Stellenwert der internationalen Forschung an dieser Institution hervor. Seine Aufzählung der am WZ I durchgeführten international vergleichenden Forschungsprojekte faßte er mit den Worten zusammen, dies alles behandele nicht nur - es repräsentiere auch Internationalität. Als Gründe für die Stärke, das Ansehen und die Erfolge der Forschungseinrichtung nannte er u.a. solide empirische Fundierung, hohes Methodenkönnen, den internationalen Referenzrahmen, das Ethos distanziert-sachlicher öffentlicher Politikberatung und das Zögern bei vorschnellen Rezepten und Transfervorschlägen. Sowohl die hochschulpolitisch interessierte Öffentlichkeit als auch die Auftraggeber von Forschung bekämen durch diese Institution keine Patentrezepte, sondern erführen Aufklärung aus sachlicher Distanz. Der Geschäftsführende Direktor des WZ I, Prof. Dr. Hans-Dieter Daniel, zeigte sich zuversichtlich, daß den Hochschulforschern auch in den nächsten Jahren die Arbeit nicht ausgehen werde. Zur Zeit würden wir einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik erleben, der viele neue Fragen aufwerfe. Aktuelle Entwicklungen seien eine deutliche Veränderung in der Steuerung des Hochschulsystems, die vom Staat mehr vorausschauende strategische Planung und von den Hochschulen mehr Eigenverantwortung, Management und Evaluation verlange; zunehmende Internationalisierung des Hochschulwesens und daher eine stärkere Auseinandersetzung mit ausländischen Hochschulsystemen; ein Bedarf an neuen Studienangeboten und Lehrformen, die die sich verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen der Studierenden und Absolventen berücksichtigen.
Wissenschaft statt Alltagseinschätzungen
In einer Expertendiskussion waren die Fragen nach der institutionellen Situation, den Ansätzen und den Ergebnissen der Forschung und ihrem Beitrag zur Gestaltung des Hochschulwesens erörtert worden. Vier Vertreter von Hochschulforschungseinrichtungen: Prof. Dr. Jan Olbertz, Direktor des Instituts für Hochschulforschung Wittenberg e.V. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Hans-Ulrich Küpper, Direktor des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung, München, Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, Direktorin des Hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Dortmund sowie Prof. Dr. Ulrich Teichler, Wissenschaftliches Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung, GhK berichteten aus der Perspektive ihrer jeweiligen Institutionen über Themenschwerpunkte, theoretische Fundierung und Relevanz der Forschungsergebnisse für die Praxis. Ulrich Teichler hob hervor, daß das Interesse an Hochschulforschung in der Vergangenheit oft erstaunlich gering war, weil viele Akteure in den Hochschulen meinten, mit Alltagseinschätzungen auskommen zu können. Die gestiegene Sorge um die Zukunft der Hochschulen, aber auch die gewachsene Verantwortung der einzelnen Hochschulen für ihr Schicksal haben - so Teichler - das Interesse an Hochschulforschung erhöht. Die Forschung über Hochschulen kann nicht zu allen akuten Problemen systematische Informationen herbeischaffen. Sie kann aber für die Praxis wichtige Anregungen erbringen, wenn sie vorauszusehen sucht, welche Themen an praktischer Virulenz gewinnen, und wenn sie die wichtigsten Kontroversen der Praxis zu "Gretchen-Fragen" der Forschung erhebt. Daneben unterstrich Teichler, daß Hochschulforschung durch Heranziehung international vergleichender Erfahrungen dazu beitragen kann, die oft große Enge nationaler Thematisierungen von Hochschulfragen zu überwinden. Als Vertreter einer der großen Forschungsinstitutionen kommentierte Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, die Statements der Hochschulforscher und nahm Stellung zu möglichen Wegen der Zusammenarbeit von Hochschulforschung und Hochschulpolitik bzw. -praxis. Die Diskussion wurde von Prof. Dr. Evelies Mayer, Staatsministerin a.D., Technische Universität Darmstadt, moderiert.
Hohe Erwartungen an die Hochschulforschung
Dr. Fritz Schaumann, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie bezeichnete die Zusammenarbeit zwischen Bund und Hochschulforschung als gewinnbringend für beide Seiten. Sie gebe wichtige Impulse für die Politik und trage gleichzeitig auch zum Erhalt und Ausbau von wichtigen Feldern der Hochschulforschung bei. Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und Präsident der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Werner Schaal, formulierte aus der Sicht der HRK hohe Erwartungen an die Hochschulforschung: Erkenntnisbedarf gebe es u.a. auf dem Gebiet der Leitungs- und Organisationsstrukturen von Hochschulen, besonders im Hinblick auf die fragliche Übertragbarkeit amerikanischer Modelle auf die deutsche Situation; auch werden von der Hochschulforschung Hinweise dazu erwartet, wie das deutsche Hochschulsystem den Herausforderungen von Globalisierung und Internationalisierung begegnen könne, wie die Hochschulen für ausländische Studierende attraktiver gemacht werden könnten und wie eine stärkere Beteiligung von Frauen in männerdominierten Studiengängen und auf der Ebene der Professoren erreicht werden könnte. Schaal würdigte insbesondere die seit den 80er Jahren bestehende produktive Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit, aus der u.a. eine Kooperation zwischen der europäischen Hochschulrektorenkonferenz und dem WZ I erwachsen sei. Auch zukünftig erhoffe sich die HRK weiteren Input aus Kassel bei der Lösung der angesprochenen Fragen zum internationalen Kontext. Darüber hinaus sei man auch an Denkanstößen zur Evaluation der Hochschulen, zur Partizipation von Frauen im Wissenschaftsbetrieb und an Aufschlüssen über die Schnittstelle Hochschule und Arbeitsmarkt interessiert. C. Bradatsch
Weitere Information:
Wissenschaftliches Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung
Universität Gesamthochschule Kassel
Henschelstraße 4
34109 Kassel
Tel. (0561) 804 2415, Fax (0561) 804 7415
e-mail: bradatsch@hochschulforschung.uni-kassel.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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