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17.01.2013 17:00

UDE: Chinakenner Thomas Heberer wird verabschiedet - Im Osten viel Neues

Ulrike Bohnsack Pressestelle
Universität Duisburg-Essen

    Nein, es ruhiger angehen lassen, will er künftig nicht. Warum auch. Sein halbes Leben ist Thomas Heberer zwischen China und Deutschland gependelt, hat das fernöstliche Land erkundet und sich einen Namen gemacht als dessen Kenner. Aufzuhören, weil er 65 und damit Ruheständler ist – jedenfalls auf dem Papier–, das kommt für ihn nicht infrage: „Wenn man begeisterter Forscher ist wie ich, kann man das nicht einstellen.“ Offiziell wird die Universität Duisburg-Essen (UDE) ihren renommierten Professor nun verabschieden, am 24. Januar mit einer Podiumsdiskussion. Es geht um Ost und West: „Chinas Aufstieg – Quo Vadis Europa?“ – ein Thema, das ihn seit langem beschäftigt.

    42 Jahre Forschung, 15 davon an der UDE, haben Heberer quer durch das Reich der Mitte geführt: in pulsierende Metropolen wie Shanghai, in arme Dörfer, wo Strom und fließend Wasser selten sind und Clans das Sagen haben. Deutsche und EU-Politiker hat er beraten, ist in der Volksrepublik mit Parteigrößen zusammengekommen und hat sich wie kaum einer mit den Umwelt- bzw. sozialen Problemen und den politischen Entwicklungen befasst. Medien weltweit schätzen ihn als Experten, weil er wie nur wenige Ausländer den Blick von innen hat auf ein gigantisches Land, das immer wieder Rätsel aufgibt.

    Geografie-Bücher und Karl May machten ihn schon als Kind neugierig: Was trennt Deutschland und China, Europa und Ostasien? Was ist ihnen gemein? Heberer studiert Ethnologie, Sinologie und Politologie und reist 1975 als Doktorand erstmals in das kommunistische Reich. Es ist Kulturrevolution. „Eine wichtige Erfahrung, um die heutige Situation zu verstehen“, sagt er. Wenig später wird er Lektor und Übersetzer in Peking, lebt isoliert wie alle Ausländer – „das hat mich zweifeln lassen“ – und bleibt doch. Denn 1978 beginnt Chinas Veränderungsprozess. Vier Jahre später kehrt Heberer nach Deutschland zurück, verheiratet mit einer Chinesin. Er macht als Wissenschaftler Karriere, wird Professor zunächst in Bremen, Trier und dann 1998 in Duisburg, wo er entscheidend zum Renommee der Ostasienwissenschaften beiträgt.

    Kein Jahr vergeht, in dem er nicht einige Monate in der Volksrepublik verbringt. Er versteht, wie die Menschen dort denken und fühlen – „mir imponieren ihre Ruhe, Toleranz und Würde“ –, er spricht Chinesisch, dazu ein paar Dialekte. Das wie auch seine besonnene, uneitle Art öffnet ihm Türen. Selten sind seine Aufenthalte bequem. Selbst seine Studierenden führt er mitunter in unwirtliche Regionen – dorthin, wo sich weder Touristen noch Politiker verirren. Für die bettelarmen Yi sammelt er Spenden, damit das archaische Bergvolk eine Schule bauen kann. Die Yi bedanken sich mit einer Gedenktafel.

    „Man muss viel reisen, um Systeme immer wieder aufs Neue zu begreifen“, sagt der Politikwissenschaftler. Ihn selbst hat überrascht, wie rasant sich das Land in 20 Jahren entwickelt hat. „Wer hätte sich in den 1980ern vorstellen können, dass China sich von der Planwirtschaft zur staatlich gesteuerten Marktwirtschaft hinwendet?“ Er sieht auch den politischen Wandel. Denn den Vielvölkerstaat allein auf die Demokratie- und Menschenrechtsfrage zu reduzieren, ist ihm zu einseitig: „China ist keinesfalls ein Land, in dem die Menschen unter der Knute der Partei geknechtet werden. Es ist ein autoritäres System, das nach traditionellen und vormodernen Mechanismen funktioniert. Das versteht man nur, wenn man dort länger gelebt hat.“

    Dass im Reich der Mitte die eigene Familie viel und die Gesellschaft wenig gilt, sieht er als Hürde. Man müsse den Menschen beibringen, nicht nur an die eigene Gruppe zu denken. Denn ohne ein funktionierendes Bürgersystem könne es keine Demokratie geben, sagt er.

    Brücken bauen zwischen den Kulturen, das möchte Thomas Heberer weiterhin. So bleibt er seiner Uni eng verbunden. Hier hat er noch Projekte und Studierende, die er betreut. „In Deutschland werde ich außerdem Theater und Konzerte genießen – und den Zugang zu Quellen, wenn ich forsche.“ Andererseits zieht es ihn auch ins Reich der Mitte. Eine Elite-Uni möchte ihn als Lehrer und Forscher gewinnen – er kann sich das durchaus vorstellen. „Man hört nicht auf, mehr wissen zu wollen über das Land und seine Entwicklung“, sagt der Chinakenner.

    Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten, lautet eine konfuzianische Weisheit. Thomas Heberer hat das vor 42 Jahren getan.

    Hinweis für die Redaktion:
    Ein Foto von Prof. Dr. Thomas Heberer (Fotonachweis: UDE) stellen wir Ihnen unter folgendem Link zur Verfügung: http://www.uni-due.de/de/presse/pi_fotos.php

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Thomas Heberer, Tel. 0203-379-3727, thomas.heberer@uni-due.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-due.de/oapol/index.php?id=392 Programm Podiumsdiskussion


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik
    überregional
    Personalia, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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