Ein Gummiring steht unter Verdacht
TU-Wissenschaftler liefert neue Erklärung für ICE-Unglück von Eschede
Am 28. August 2002 beginnt vor dem Oberlandesgericht Celle der Prozess zum Zugunglück von Eschede. Dabei werden die Juristen auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen können: Der TU-Wissenschaftler Dr.-Ing. Xiufei Liu macht die Eigenerwärmung des Gummirings zwischen Radscheibe und Radreifen für die ICE-Katastrophe vom 3. Juni 1998 mitverantwortlich.
Über den Auslöser für die schwerste Verkehrskatastrophe in der deutschen Nachkriegsgeschichte sind sich die Experten heute einig: Das Versagen eines gummigefederten Radreifens am hinteren Gestell des ersten ICE-Wagens kostete am 3. Juni 1998 in Eschede 101 Menschen das Leben, 119 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Unklarheit herrscht jedoch darüber, warum der Radreifen versagt hat. Dr.-Ing. Xiufei Liu vom Fachgebiet Fördertechnik und Getriebetechnik der Technischen Universität Berlin hat eine neue Erklärung gefunden: "Die Eigenerwärmung des Gummirings zwischen Radscheibe und Radreifen könnte eine wesentliche Ursache für das Versagen gewesen sein", sagt der TU-Wissenschaftler.
Bei seinen Untersuchungen stellte Liu erstaunliche Temperaturunterschiede fest. Bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h und einer Umgebungstemperatur von 24 Grad Celsius stieg die Temperatur an den Laufflächen des Rades um etwa 3 Grad Celsius. Im Innern des Gummirings ermittelte er aber bis zu ca. 95 Grad Celsius. Diese Eigenerwärmung hat eine Ausdehnung des Gummirings zur Folge. Viel Platz, um sich auszudehnen, gibt es jedoch nicht, denn der Gummiring befindet sich unmittelbar zwischen der Radscheibe und dem außen liegenden Radreifen. Der Gummiring ist zudem nicht zusammendrückbar. "Das heißt, die Radscheibe und der Radreifen müssen die Volumenveränderung aufnehmen. Dadurch treten zusätzlich zu den Spannungen, die aufgrund der mechanischen Belastung des Fahrbetriebs entstehen, weitere Spannungen auf. Diese belasten vor allem den Radreifen", erklärt der TU-Wissenschaftler. Das sei von den Experten bislang vernachlässigt worden, da sie sich vor allem auf die elastische Eigenschaft des Gummirings konzentriert hätten.
Kritisch für den Radreifen wird es, wenn er sich bereits länger im Einsatz befindet. Denn je größer der Verschleiß, desto geringer ist die Belastbarkeit. Die Folgen der kleiner werdenden so genannten Biegesteifigkeit sind gravierend: "Die Spannungen im Radreifen nehmen erneut zu. Nach bestimmter Betriebsdauer läuft das Rad unrund, dadurch steigt die Eigenerwärmung des Rades und die Temperaturverteilung wird ungleichmäßig. All das verstärkt die Spannungen noch weiter. Die für den Rollbetrieb errechnete maximale Spannung im Radreifen ist dann so groß, dass sie die Dauerfestigkeit des Reifenwerkstoffs überschreiten könnte.", erläutert Xiufei Liu, der den Radreifen im Rahmen mehrerer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekte am TU-Fachgebiet für Fördertechnik und Getriebetechnik von Professor Dr.-Ing. D. Severin untersucht hat.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern Dr. Xiufei Liu, Fachgebiet für Fördertechnik und Getriebetechnik der TU Berlin, Fax: 0 30/ 314-71410, E-Mail: liu@ws-ifg.kf.tu-berlin.de
Diese Medieninformation finden Sie auch unter der Adresse http://www.tu-berlin.de/presse/pi/2002/pi180.htm
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Verkehr / Transport, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Studium und Lehre
Deutsch
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