Frankfurt, 29.1.2013 Nicht jede Tier- oder Pflanzenart ist überall auf der Erde vertreten. Warum das so ist, kann wissenschaftlich nur unzureichend beantwortet werden. Sogenannte „Nischenmodelle“ helfen Wissenschaftlern bei der Analyse von Faktoren, die das Verbreitungsgebiet von Arten bestimmen. Biotische Prozesse, die für das Vorkommen von Arten von entscheidender Bedeutung sein können, werden dabei kaum einbezogen. Ein Team des Biodiversität und Klima Forschungszentrums hat dieses Thema in mehreren Workshops aufgegriffen. Deren Ergebnisse wurden nun als Sonderausgabe der Fachzeitschrift Journal of Biogeography veröffentlicht.
Das Sonderheft mit dem Titel „The ecological niche as a window to biodiversity“ (Volume 39, Issue 12) basiert auf zwei internationalen Workshops, die das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) 2010 und 2011 ausrichtete. Geleitet wurden sie von den BiK-F-Wissenschaftlern Prof. Steven Higgins (Goethe-Universität Frankfurt und BiK-F), Prof. Christine Römermann (BiK-F und Goethe-Universität Frankfurt, jetzt Universität Regensburg) und Dr. Robert O’Hara (Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt am Main, BiK-F), die auch die Sonderausgabe koordinierten.
Verstehen, wie die Welt zusammenspielt
Viele Faktoren, die das Lebensumfeld eines Tieres oder einer Pflanze bestimmen, sind relativ einfach messbar: Temperatur, Niederschlag, Bodenbedingungen. Solche sogenannten abiotischen Faktoren lassen sich in Werte fassen und in Modellierungen einbeziehen. Es gibt sehr viele abiotische Faktoren, deshalb sind Verbreitungsmodelle immer eine komplizierte Angelegenheit. Doch um wirklich herauszufinden, wo eine Art vorkommen kann, müssen außerdem unterschiedlichste biotische Faktoren berücksichtigt werden. Diese sind schwer zu messen: Welche ökophysiologischen Eigenarten hat eine Art, ernähren sich Tiere von anderen Lebewesen, konkurrieren Pflanzen um denselben Standort, leidet eine Art unter Feuern, die durch das Vorkommen anderer Arten begünstigt werden? – Es gibt unzählige biologisch bedingte Faktoren, die das Auftreten von Arten beeinflussen, bei Tieren ebenso wie im Pflanzenreich. Diese vielfachen Interaktionen zwischen Arten untereinander und ihrem Lebensraum, die biotischen Faktoren, lassen sich ungleich schwerer in Modellierungen darstellen als die abiotischen. Wenn dies jedoch gelingt, ergeben sich daraus völlig neue Möglichkeiten für Verbreitungsprognosen.
Neue Möglichkeiten für die Nischenmodellierung
Ziel der Workshops war es, das Verständnis für das Zusammenspiel der Prozesse weiter zu entwickeln, die die ökologische Nische von Arten bestimmen. In einem nächsten Schritt entstanden so neue, auf Statistik basierende Leitfäden für die Nischenmodellierung. Dafür wurden die neuesten Entwicklungen in den Bereichen der empirischen und theoretischen Forschung über Nischen von Arten zusammengetragen und mit Aspekten der modernen statistischen Modellierung verknüpft. Insbesondere stand im Fokus, wie ökophysiologische Aspekte (z.B. Anpassung) und demographische Prozesse (wie Populationsdynamiken) künftig in Nischenmodellen berücksichtigt werden können. Auch Faktoren wie Ausbreitungsstrategien oder Konkurrenz werden von den aktuellen Modellen meistens noch vernachlässigt und sollen künftig besser einbezogen werden. Hierfür wurden neue statistische Ansätze entwickelt. „Es ist außerordentlich schwierig, z.B. die Konkurrenz zwischen verschiedenen Pflanzenarten in einem Rechenmodell abzubilden, oder auch die Auswirkungen von Feuer auf die ökologische Nische, in der eine Art lebt, angemessen zu berücksichtigen“, so Prof. Christine Römermann, Mitherausgeberin der Sonderausgabe. „Erst, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen dieses Thema gemeinsam angehen, können die zahlreichen biotischen Faktoren, die das Verbreitungsgebiet von Arten bestimmen, zu einer neuen statistischen Agenda zusammengeführt werden.“
Künftig präzisere Voraussagen über das Vorkommen von Arten
Die für die Definition der Nische einer Art entscheidenden Prozesse sind auf das Komplizierteste miteinander gekoppelt und beeinflussen sich gegenseitig. Sie lassen sich aber durch verschiedene Submodelle in den Modellen darstellen, so dass künftig Vorkommen und Populationsdichte von Arten in Raum und Zeit viel genauer modelliert werden können. Auch wenn noch eindeutiger Forschungsbedarf besteht, zeigen die Veröffentlichungen in diesem Sonderheft bereits, dass die Berücksichtigung biologischer Prozesse bei Anwendung entsprechender statistischer Methoden die Nischenmodelle entscheidend verbessern kann. Mitherausgeber Higgins betont: „Vor dem Hintergrund, dass wir die Nischenmodellierung besonders zur Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Tier- und Pflanzenwelt brauchen, sind die durch diese neuen Ansätze eröffneten Perspektiven dieser Methode gar nicht hoch genug einzuschätzen.“
Veröffentlichung:
Journal of Biogeography, Sonderausgabe „The ecological niche as a window to biodiversity“ (Volume 39, Issue 12, Pages 2089–2302, i–ii)
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jbi.2012.39.issue-12/issuetoc
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:
Prof. Dr. Christine Römermann
Juniorprofessur für Theoretische Ökologie
Institut für Botanik
Universität Regensburg
Tel. +49 (0)941 943 3142
Christine.Roemermann@biologie.uni-regensburg.de
oder
Dr. Julia Krohmer
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F),
Transferstelle
Tel. +49 (0)69 7542 1837
julia.krohmer@senckenberg.de
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LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes‐ Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen‐ und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben. Mehr unter www.bik‐f.de
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jbi.2012.39.issue-12/issuetoc
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
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Titelseite der Sonderausgabe
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geowissenschaften, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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