Wie können neuro- und psycho-biologischen Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Placebos in die medizinische Forschung und Praxis umgesetzt werden? Dieser Frage gehen Ulrike Bingel, Hamburg; Paul Enck, Tübingen, Winfried Rief, Marburg und Manfred Schedlowski, Essen in einer aktuellen Veröffentlichung „The placebo response in medicine: minimize, maximize or personalize?“ in der renommierten Zeitschrift Nature Reviews Drug Discovery nach.
Dabei kommen die Sprecher der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 2,6 Mio. Euro geförderten transregionalen Forschergruppe FOR 1328 ("Expectation and conditioning as basic processes of the placebo and nocebo response - From neurobiology to clinical applications", 2011 bis 2013) zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der Entwicklung zum Beispiel neuer Medikamente Placebos unumgänglich sind, aber Placeboeffekte kontrolliert bzw. minimiert werden sollten, um die Wirksamkeit dieser Therapien angemessen beurteilen zu können. Dazu sind auch alternative Designs für solche Therapieversuche notwendig.
In der klinischen Praxis hingegen stellen Placeboeffekte wünschenswerte Unterstützung medizinisch-therapeutischer Maßnahmen dar, die es zum Nutzen der Patienten zu maximieren gilt. Dazu könnte auch die Möglichkeit gehören, bei chronischer, dauerhafter Medikamenteneinnahme einen Teil der Tabletten durch Placebos zu ersetzen (im Sinne eines unregelmäßigen Wechsels zwischen Medikament und Placebo), um Nebenwirkungen zu reduzieren ohne die Hauptwirkung zu verlieren.
Eine personalisierte Medizin sollte schließlich nicht nur das individuelle Genom der Patienten kennen, sondern auch ihre individuelle Krankengeschichte, ihre Medikamentengeschichte, ihre Erwartungen an die Behandlung und ihre guten wie schlechten Erfahrungen mit früherer Behandlung.
Hintergrund
Placebos sind Tabletten, Pillen oder Tropfen, die wie Medikamente aussehen aber keinen Wirkstoff enthalten. Sie werden eingesetzt, um die Wirksamkeit neuer Medikamente zu überprüfen. Placeboeffekte nennt man die Wirkungen von medizinischen Behandlungen, die auftreten wenn eine unwirksame Behandlung, beispielsweise mit einem Placebo bei einer Medikamentenprüfung, dennoch einen positiven Effekt auf die Gesundheit, die Symptome und Beschwerden des Patienten hat.
Placeboforschung befasst sich nicht mit der Entwicklung von Placebos als Medikamentenersatz, sondern mit der Frage warum Placebos (manchmal) so gut wirken wie Medikamente, und welche Mechanismen diesen Wirkungen zugrunde liegen können. Tatsächlich liegen Placeboeffekten messbare körperliche Vorgänge im Patienten zugrunde. Diese können durch aktuelle Erwartungen und frühere Erfahrungen des Patienten mit einer Erkrankung und ihrer Behandlung ausgelöst, und maßgeblich durch die Arzt-Patienten-Interaktion beeinflusst oder verstärkt werden, durch bewusste oder unbewusste Beeinflussung der Erwartung der Patienten, durch Heilsversprechen oder durch Zuwendung und Einfühlsamkeit.
Originaltitel der Publikation
Nature Reviews Drug Discovery 12, 191-204 (March 2013) | doi:10.1038/nrd3923
The placebo response in medicine: minimize, maximize or personalize?
Paul Enck, Ulrike Bingel, Manfred Schedlowski & Winfried Rief
Medienkontakt
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Prof. Dr. Paul Enck, Forschungsleiter
Frondsbergstr. 23, 72076 Tübingen
Tel. 07071/29-8 91 18, Fax 07071/29-43 82
E-Mail Paul.Enck@uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Paul Enck, Tübingen
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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