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02.09.2002 14:23

Gesundheitswissenschaften

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    In Berlin könnte bald alarmierender Ärztemangel herrschen: Würden alle unbezahlten Überstunden in Arbeitsplätze umgewandelt, der Bereitschaftsdienst als reguläre Arbeitszeit angerechnet und Teilzeitarbeitswünsche berücksichtigt, so müssten 4000 Klinikärzte zusätzlich eingestellt werden, bundesweit wären es sogar 56.000.

    Dies zeigt eine repräsentative Studie des Arztes Daniel Sagebiel, die er im Rahmen seiner Magisterarbeit am postgradualen Studiengang Public Health der TU Berlin angefertigt hat. 750 Ärzte hat er befragt (Rücklauf 45%). Sagebiel wollte herausfinden, wie groß das Interesse der Berliner Krankenhausärzte an Teilzeitarbeit ist. Dazu befragte er die Krankenhausärztinnen und -ärzte nach ihrer tatsächlichen Arbeitszeit und ihren Arbeitszeitwünschen. Rund 55 Prozent der Kollegen im weißen Kittel würden eine Arbeitszeitreduzierung begrüßen und gern in Teilzeit gehen. Der Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit steht jedoch der Realität diametral entgegen.
    Die befragten Ärzte arbeiteten pro Tag durchschnittlich 9,2 Stunden und kamen dadurch einschließlich der Bereitschaftsdienste auf 57,8 Wochenarbeitsstunden. 52 Prozent bezifferten ihre wöchentliche Arbeitszeit sogar auf mindestens 60 Stunden. Im Durchschnitt leisten Berlins Krankenhausärzte 30,7 Überstunden im Monat. Lediglich sechs Prozent der Befragten gaben keine Mehrarbeit an. Von den monatlich geleisteten 31 Überstunden werden 74 Prozent weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen.
    Die Berliner Ärzte haben eine mehr als doppelt so lange Arbeitszeit als der Bundesdurchschnitt aller Beschäftigten. Die Zahl der unbezahlten Überstunden war bei ihnen sogar 6,7fach höher als bei der übrigen arbeitenden Bevölkerung, während die Anzahl bezahlter und auszugleichender Überstunden annähernd gleich war. Die Untersuchung zeigt, dass die meisten Überstunden in der Inneren Medizin und der Chirurgie gemacht werden. 74 Prozent (22,8 von 30,7 Überstunden) der geleisteten Mehrarbeit blieb jedoch auch hier ohne zeitlichen oder finanziellen Ausgleich.
    Durch Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen könnten zusätzliche Arbeitsplätze in erheblichem Umfang geschaffen werden. Der voraussichtliche Beschäftigungseffekt in Berlin allein durch Realisierung potenzieller Teilzeitwünsche beläuft sich laut Sagebiels Studie auf rund 1.050 Vollzeitarbeitsplätze für Krankenhausärzte. Theoretisch könnten hierdurch alle 991 im Juni 2002 beim Landesarbeitsamt Berlin gemeldeten Ärzte ohne Einkünfte in Lohn und Brot kommen.
    Das größte Arbeitsplatzreservoir liegt im Bereich der Umsetzung des Urteils vom Europäischen Gerichtshofes. Es hat im Jahr 2000 festgestellt, dass die Bereitschaftsdienste der Ärzte im Krankenhaus zur regulären Arbeitszeit zu zählen sind. Allein die Anerkennung der langen Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit, brächte einen Bedarf von 1600 zusätzlichen Arztstellen, meint auch die Berliner Ärztekammer. Sie begrüßt es, dass seit dem 1. August im Berliner Unfallkrankenhaus Marzahn (UKB) mittels Stechuhr die Arbeitszeit genau erfasst wird. Werden die Überstunden der Ärzte noch dazugezählt, ergibt sich rein rechnerisch ein Bedarf von etwa 4000 ärztlichen Vollzeitarbeitsplätzen in Berliner Kliniken. Bundesweit entspräche das einem Bedarf von insgesamt 56.000 zusätzlichen Vollzeitarbeitsplätzen.
    Es wird deutlich, dass der stationäre Sektor mit einem massiven Mangel an ärztlicher Arbeitskraft konfrontiert wird, der sich nicht mehr aus den eigenen "Reserven" abdecken lässt. Diesem Arbeitskräftemangel könnte entweder durch verstärkten "Import" von Ärzten oder aber durch eine unverzügliche Ausbildungsoffensive entgegengewirkt werden, so die Schlußfolgerung Daniel Sagebiels.
    Datenbank
    Projekt: Befragung zur Teilzeitarbeit und Arbeitszeitrealität bei im Krankenhaus beschäftigten Ärztinnen und Ärzten in Berlin
    Kontaktperson: Daniel Sagebiel (Arzt)
    Kontakt: Daniel Sagebiel, c/o Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Zentralklinik Emil von Behring, Department Lungenklinik Heckeshorn, Zum Heckeshorn 33, 14109 Berlin, E-Mail: dsagebiel@gmx.de, Tel.: 030/80022435, Fax: 030/80022286
    Fachgebiet: Public Health (Gesundheitswissenschaften)

    Wissenschaftsdienst der Technischen Universität Berlin, September 2002, 3. Jg., Weitere aktuelle Berichte im Internet unter: www.tu-berlin.de/forschung-aktuell


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-berlin.de/forschung-aktuell


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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