Die Welt der Wissenschaft ist an den Ergebnissen der deutschen Sprachwissenschaft, an den Forschungen der Theologen und der Physiker hochgradig interessiert. Was Ökonomen und Rechtsgelehrte an den Stätten der deut-schen Forschung und Lehre zu Papier bringen, findet da-gegen weltweit wenig Interesse. Am seltensten werden die wissenschaftlichen Werke der heutigen deutschen Philosophen zitiert. Das sind Schlaglichter eines Vortrags den der polnische Physiker Professor Andrzej K. Wroblewski am 10. Juni 1998 an der Universität Dortmund gehalten hat.
Wroblewski, früher Rektor der Universität Warschau und gegenwärtig Vorsitzender des polnischen Wissenschaftsrates, hält sich als Gambrinus Fellow* für 14 Tage an der Universität Dortmund auf. Im Fachbereich Physik hält er eine Reihe von Vorlesungen über seine Arbeitsgebiete. Für die breitere Öffentlichkeit war sein Vortrag zum Thema "Der Stand der deutschen Wissenschaft in der Welt" bestimmt. Andrzej Wroblewskis Analyse basiert im wesentlichen auf dem National Science lndicator (NSI), einer Datenbank, die wissenschaftliche Zeitschriften erfaßt und prüft, wie oft diese in anderen wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden. Sie wird vom Philadelphia Institute of Scientific Informalion (ISl) publiziert.
Das ISI analysiert zur Zeit die rund 7000 wichtigsten von insgesamt einigen 100.000 wissenschaftlichen Zeitschriften. Die letzte Ausgabe der Datenbank NSI umfaßt die Publikationen der Jahre 1983 bis 1997. Die wissenschaftlichen Aufsätze werden Fachgebieten zugeordnet, die durch die Zeitschrift selbst definiert sind, in denen die Arbeit erschienen ist. Die im Vortrag vorgelegten Resultate umfassen 34 Wissenschaftsgebiete.
Betrachtet man die wissenschaftliche Aufsatz-Produktion der letzten fünf Jahre, nimmt Deutschland nach den USA, Großbritannien und Japan den 4. Platz ein. Jedoch werden die Aufsätze der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler häufiger zitiert als die der japanischen Kollegen, so daß die Deutschen bei diesem Ranking auf Platz 3 kommen.
Der prozentuale Anteil deutscher Publikationen hat in den Jahren 1981 bis 1993 stetig abgenommen. 1981 wurden noch 7.5 % aller ausgewerteten Aufsätze von deutschen Autoren veröffentlicht, während japanische Autoren 5.7 % beitrugen. 1987/88 überholte Japan Deutschland und inzwischen ist es mit 7.6 % aller Publikationen zu Großbritannien aufgeschlossen. Erst in den letzten fünf Jahren hat der Fleiß der deutschen Wissenschaftler beim Schreiben von Aufsätzen wieder deutlich zugenommen.
Beim Vergleich der stärksten und schwächsten deutschen Wissenschafsgebiete fiel dem polnischen Gast folgendes auf: Sprachen und Linguistik sind offenbar eine Domaine der Deutschen, 12.6 % aller Publikationen in den als weltweit wichtig angesehenen Zeitschriften sind von deutschen Autoren, dichtauf folgen Altertumswissenschaften mit 10.8 %, Religion und Theologie mit 9.5 % sowie Physik mit 8.7 %. Die Wirtschaftswissenschaften und die Rechtswissenschaften tragen nur zu 2 % bzw. 1.3 % aller wichtigen Publikationen in der Welt bei.
Eine andere Möglichkeit, der Stärke bzw. Schwäche eines Feldes zu bewerten, besteht in der Ermittlung der Reihenfolge der Länder gemessen an der Zitierhäufigkeit der Publikationen. Wiederum liegen Sprachen, Linguistik und Theologie vorne, sie nehmen den 2. Platz in der Welt ein. Bei der Zitierhäufigkeit stehen die Chemie, die lngenieurwissenschaften und die Physik ebenfalls auf einem vorderen (2.) Platz. Die Wirtschafswissenschaften fallen auch hier deutlich ab, in der Zahl der Publikationen liegen sie auf dem 7., in der Zitier-häufigkeit der Publikationen auf dem 8. Platz.
Die von deutschen Autoren publizierten Arbeiten in der Astrophysik, Biologie und Biochemie, Chemie, Molekularbiologie und Genetik, Mathematik und Physik werden häufiger zitiert als im Weltdurchschnitt üblich. Die neuen Arbeiten auf dem Gebiet der Philosophie werden am seltensten zitiert.
Professor Wroblewski hatte die Daten von wissenschaftlichen Publikationen mit denen für Forschung und Entwicklung verglichen, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) publiziert werden. Dabei zeigten sich folgende Trends:
· Deutschland besitzt eine relaliv große Zahl von Wissenschaftlern, die in der Forschung und Entwicklung arbeiten. Nur Japan, die USA, die nordischen Staaten und Australien finanzieren pro Einwohner mehr Wissenschafter als Deutschland.
· Die Zahl der Publikationen pro Wissenschaftler und pro Million für die Forschung aufgewendeten Dollar ist in Deutschland wesentlich geringer als in den meisten anderen OECD-Ländern.
*) Die Gambrinus-Fellowship ist eine Stiftung der Dortmunder Bierbrauer, um hochrangigen Wissenschaftlern aus dem Ausland einen Gastaufenthalt an der Universität Dortmund zu ermöglichen.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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