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06.09.2002 04:52

Zwischen München und St. Petersburg: Leo von Klenzes Neue Eremitage wird 150

Dr. Hermann Beyer-Thoma
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Mit einem umfangreichen Jubiläumsprogramm begeht die Direktion der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg zur Zeit den 150. Jahrestag der feierlichen Eröffnung der Neuen Eremitage im Februar 1852. Das oft als erstes öffentliches Museum in Russland bezeichnete Gebäude war seit dem Frühjahr 1839 unter der Leitung Leo von Klenzes in einer Art Kooperation zwischen München und St. Petersburg entworfen worden. Unter Bauhistorikern und Architekturliebhabern gilt die Neue Eremitage längst als eine der reifsten Schöpfungen und als eine Art "architektonisches Vermächtnis" des bayerischen Architekten, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass das München König Ludwigs I. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eine Art Mekka galt für alle, die "moderne" Architektur mit eigenen Augen sehen und erleben wollten. Mit seinem letzten Museumsbau hat Klenze außerdem den Komplex des kaiserlichen russischen Winterpalastes, der heute unter dem Namen Staatliche Eremitage in das Museum einbezogen ist, zum Abschluss gebracht.

    Das auf mindestens zwei Jahre angelegte Jubiläumsprogramm stellt derzeit den Schwerpunkt des offiziellen Kulturbetriebs in St. Petersburg dar und verfolgt unter anderem das Ziel, die überaus reichen, in einem ganzen Jahrtausend gewachsenen und selbst im nationalistischen 19. Jahrhundert auf den unterschiedlichsten Gebieten noch weiter vertieften deutsch-russischen Beziehungen wieder ein Stück weit in die Gegenwart zu tragen. Gerade aus diesem Grund beruhen die Vorbereitung des Programms und dessen weiterer Ablauf auf einer engen Zusammenarbeit zwischen dem größten Museum der Welt und dem Osteuropa-Institut München. Seit einiger Zeit arbeitet man in München nämlich an einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsprojekt "Bayern und Russland: Architektur- und Ingenieurbeziehungen".

    Das Festprogramm begann im Februar 2002 mit der Eröffnungsausstellung über "Nikolaus I. und die Neue Eremitage". Das von dem Museumskurator Androsov erarbeitete Konzept gewährt nach dem Ende der Sowjetzeit erstmals wieder einen umfassenden Einblick in die Entstehungsgeschichte des Museums und hebt dabei die Rolle und Persönlichkeit des Auftraggebers, des Kaisers Nikolaus I., hervor. Der autoritäre Herrscher, der als "Gendarm Europas" in der Geschichtsschreibung bisher in eher ungünstigem Licht gestanden war, konnte in der facettenreichen Ausstellung überzeugend als Kunstkenner und Sammler, Italienreisender und letztlich als neuer Mäzen Klenzes gezeigt werden. Eine umfangreiche Dokumentation der Vorgeschichte der Sammlungen der Neuen Eremitage enthält ein repräsentativer und informativer Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist.

    Eine weitere Präsentation unter dem Titel "Das Münzkabinett und die Neue Eremitage" ist einem der Paradesäle der Neuen Eremitage und ihren ursprünglichen Beständen gewidmet, dem ehemaligen Münzkabinett oder Zwölfsäulensaal. Diesen Saal im oberen Teil des Eckpavillons der Hauptfassade hat Klenze mit einem monumentalen Säulenumgang und einer offenen oberen Galerie ausgestattet. Das Raumprogramm des Saals schließt unübersehbar an Klenzes Entwürfe für das Schloss in Athen, die Walhalla sowie den Festsaalbau und den Apothekenflügel in der Münchener Residenz an. Für das laufende Jubiläum wurde der Saal, der seit der dem Ende des Zweiten Weltkriegs für Wechselausstellungen genutzt wird, wieder in seiner ursprünglichen Raumgestalt hergestellt und mit den restaurierten Originalinventar Klenzes (u.a. Münzvitrinen) eingerichtet.

    Das Jubiläumsprogramm umfasst auch zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen und Publikationen begleitet. Eine dreitägige Konferenz unter der Leitung des stellvertretenden Direktors der Eremitage, Velinbachov, an der auch mehrere deutsche Wissenschaftler, unter anderem aus München, teilnahmen, eröffnete die Aussicht auf ein mehrjähriges Forschungsprogramm zur gebündelten Untersuchung verschiedener Aspekte der Sammlungen sowie der Baugeschichte und zur Unterstützung der laufenden Instandsetzung des Bauwerks. Eine Publikation der Tagungsvorträge ist geplant. Eigens zum Jubiläum erschien auch eine umfangreiche Reihe großzügig illustrierter Broschüren zur Geschichte der Sammlungen und zur Ausstattung einzelner Säle des Museums.

    Das Festprogramm "150 Jahre Neue Eremitage" wird sich mit seiner Veranstaltungsfolge noch ins kommende Jahr 2003 erstrecken, in dem das 300jährige Stadtjubiläum Sankt Petersburgs begangen wird. Für diese Zeit ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Wissenschaftlern geplant. Im Juli dieses Jahres kam eine Mitarbeiterin der Staatlichen Eremitage nach München, um einen eigenen Eindruck von "Klenzes München" zu gewinnen und diesen bei der Vorbereitung weiterer Ausstellungen umzusetzen. Im Herbst werden Spezialisten der Technischen Universität Cottbus mit der Untersuchung der eisernen Dachkonstruktionen des Petersburger Baus Leo von Klenzes beginnen. Im November 2003 wird in den Paradesälen des angrenzenden Winterpalasts die Ausstellung "Die Neue Eremitage und der Klassizismus in Russland" eröffnet werden. In ihr sollen der architekturgeschichtliche Hintergrund Klenzes und sein Wunsch und Auftrag sichtbar gemacht werden, Russland, einer Nation ohne direkte Anbindung an die lebendige antike Tradition, die Vision einer "modernen" Antike zu bieten. Für den zugehörigen Katalog werden auch Beiträge namhafter deutscher Baugeschichtsforscher erwartet. Parallel dazu bereitet das Münchener Osteuropa-Institut eine kommentierte Ausgabe der bisher weitgehend unbekannten Archivalien zum Thema "Klenze und Russland aus Münchener Sicht" vor.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur, Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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