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12.09.2002 16:11

Kandidatendebatte: Kameras nutzten Stoiber

Jens Panse Pressestelle
Universität Erfurt

    Studie der Universität Erfurt zeigt unterschiedliche Wirkungen von Fernseh- und Radioübertragung auf.

    Optischer Eindruck und gesprochenes Wort riefen bei den Live-Übertragungen des Kanzler-Duells am vergangenen Sonntag unterschiedliche Effekte hervor. Im Lichte der Kameras konnte der Herausforderer Edmund Stoiber besser punkten, während Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Hörfunkfassung etwas vorteilhafter wahrgenommen wurde. Dies zeigt ein Wirkungsexperiment von Kommunikationswissenschaftlern an der Universität Erfurt, dessen erste Ergebnisse nun vorliegen. Zwei in Alter, Bildung, politischem Interesse und Parteineigung ähnlich zusammengesetzte Gruppen bewerteten die Kandidaten teilweise unterschiedlich, je nachdem ob sie die Fernsehübertragung oder die reine Hörfunkfassung verfolgt hatten.

    In Anlehnung an eine klassische Untersuchung zu John F. Kennedys Debattenerfolg über Richard Nixon in den sechziger Jahren ermittelten die Forscher den Einfluss der Bebilderung, indem sie die Eindrücke von den Kandidaten aufgrund der Fernsehübertragung mit jenen Eindrücken verglichen, die Zuhörer ohne visuelle Impressionen von den Kandidaten gewannen. Insbesondere die Person Edmund Stoibers wurde deutlich negativer beurteilt, wenn die Wähler nur seine Redebeiträge hören konnten. In der Hörfunkvariante erschien er unsicherer und alles in allem unangenehmer. Tendenziell wirkte er dort außerdem aggressiver, unbeherrschter und provinzieller, während er in der Fernsehversion aktiver, seriöser und erfolgreicher empfunden wurde. Anders der Amtsinhaber: wer nur auf den Ton achtete, hielt ihn für sympathischer und insgesamt angenehmer, aber fanden sich bei der Person Schröders ansonsten nur geringe Wahrnehmungsunterschiede. Alle Differenzen zwischen Fernseh- und Hörfunkübertragung waren unabhängig von der Kandidatenpräferenz der Probanden festzustellen.

    Die Vermutung, der kameragewandte "Medienkanzler" Schröder würde durch das Format der Kanzlerdebatten bevorzugt, wird durch diese Studie nicht gestützt. Seine Ratings waren unter jenen Personen, die nur seiner Argumentation im Radio folgen konnten, eher besser. Statt dessen dürfte Edmund Stoiber von der TV-Übertragung profitiert haben, wenn die Fernsehbilder anscheinend jene Defizite etwas ausglichen, die beim reinen Zuhören offener zu Tage traten. "Dieser Effekt hatte tatsächlich eine Auswirkung auf den Gesamteindruck, den die beiden Kandidaten hinterlassen haben", fasst der Projektleiter Patrick Rössler, Professor für Kommunikationssoziologie und -psychologie an der Universität Erfurt zusammen. "Denn für die Teilnehmer, die fern sahen, war das Duell ausgeglichener. Sie haben deutlich öfters geäußert, in dem Duell habe es keinen Sieger gegeben. Hörfunk-Probanden hingegen sahen fast ausnahmslos Gerhard Schröder als den Sieger."

    Schließlich sind auch klare Unterschiede zwischen den beiden Kanzlerdebatten festzustellen: Dasselbe Experiment erbrachte während der ersten Sendung Ende August kaum nennenswerte Unterschiede. Dies bestätigen jene Beobachter, die seinerzeit den allzu starren Ablauf beklagt hatten, denn tatsächlich löste die damalige Übertragung keine nennenswert anderen Wahrnehmungen der Kandidaten aus als eine reine Hörfunkdebatte. Die befreiter geführte Diskussion ließ den Versuchsteilnehmern die zweite Debatte dementsprechend interessanter erscheinen. Weitere Ergebnisse dieser Studie, die in Kooperation mit dem Institut für Publizistik der Universität Mainz durchgeführt wurde, sind voraussichtlich zum Jahresende verfügbar.

    Experimentalstudie: Vergleich von Fernseh- und Hörfunkvariante der Kanzlerdebatten
    · Erhebungszeitpunkte: 25. August und 8. September
    · Insgesamt 35 Personen sahen die Debatten zu beiden Zeitpunkten in Räumen der Universität; aufgeteilt in je eine Gruppe, die die Debatte als Hörfunkversion und eine Gruppe, die die Debatte als Fernsehversion verfolgte.
    · alle referierten Unterschiede sind signifikant für p < .010 und kontrolliert nach Kandidatenpräferenz, politischem Interesse, Alter, Geschlecht und Bildung der Probanden
    Durchführung: Prof. Dr. Patrick Rösssler, Kommunikationssoziologie und -psychologie, Universität Erfurt, Tel. (0361) 737-4170; Email: patrick.roessler@uni-erfurt.de.
    Die Studie wurde in Kooperation mit dem Institut für Publizistik der Universität Mainz, Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha geplant und ausgeführt; die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich jedoch nur auf die Erhebung an der Universität Erfurt.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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