Greifswalder Wissenschaftler und Lehrkräfte der Universität waren stärker in das NS-Regime eingebunden, als bisher angenommen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten leistete die Universität auch zahlreiche Beiträge zur Kriegführung. Dieses erste Fazit kann nach rund anderthalb Jahren intensiver Forschung zur Geschichte der Universität Greifswald im Nationalsozialismus gezogen werden.
Wissenschaftler und Universitätsmitarbeiter stellen während eines Workshops am 12. und 13. April erste Forschungsergebnisse des Forschungsprojektes vor.
Die interessierte Öffentlichkeit ist zu diesem Workshop im Konferenzsaal im Hauptgebäude der Universität Greifswald eingeladen.
Seit rund anderthalb Jahren wird im Rahmen des Forschungsprojektes Universität Greifswald in der Zeit des Nationalsozialismus die Geschichte der Ernst-Moritz-Arndt-Universität zwischen 1933 und 1945 systematisch aufgearbeitet. Im Rahmen des laufenden Projektes wurden auch erstmals in Nationalarchiven und im Militärarchiv Freiburg Akten eingesehen, die das Handeln von Professoren in der Wehrmacht oder im Auswärtigen Amt beschreiben.
Im Verlauf der Recherchen hat sich gezeigt, dass es trotz verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten zur Universität in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft noch immer viele Lücken in der Aufarbeitung gibt. Zu solchen bislang wenig erforschten Themen gehörten die Beteiligung der Universität an der Rüstungsforschung, die Frage der Zwangsarbeit auf den Universitätsgütern, die Rolle des Auslandsstudiums und auch die Geschichte einzelner Institute der Universität.
So war beispielsweise bislang nur bekannt, dass verschiedene Institute während des Zweiten Weltkrieges an Forschungsaufträgen der Wehrmacht arbeiteten. Welche Themen dabei konkret bearbeitet wurden, war weitgehend ungeklärt. Inzwischen kann festgestellt werden, dass in der Kriegszeit nur das Physikalische Institut zum Rüstungsbetrieb erklärt wurde. Dort wurde an der Verbessrung von Radiosonden und im Bereich „ultrarotes Licht“ geforscht. Im Chemischen und Pharmakologischen Institut sowie der Hautklinik wurde an chemischen Kampfstoffen geforscht. Das Botanische Institut initiierte ein Forschungsprojekt zur Wachstumsverbesserung durch Pflanzenhormone, das als kriegswichtig, wenn auch nur in der niedrigsten Stufe galt. Im Geologischen Institut wurde eine Kartierung aller Bodenschätze Pommerns vorgenommen, was ebenfalls als wehrwirtschaftlicher Beitrag eingestuft wurde.
Im Zuge der Recherchen zeigte sich, dass Angehörige des Lehrkörpers der Universität aktiv an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligt waren, sich in der Rüstungsindustrie engagierten oder an herausragender Stelle in der Wehrmacht dienten. Entscheidende Beiträge zur Kriegsführung leistete die Universität jedoch nicht. „Das war im Vergleich zu anderen Universitäten eher ein kleiner Beitrag, entsprach aber den geringen personellen Ressourcen, über die die Universität verfügte“, so Projektbeteiligter Dr. Henrik Eberle (Univerität Halle).
Bislang kaum beleuchtet wurde das Thema „Ausländische Studenten an der Universität Greifswald zwischen 1933 – 1945“. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte des fremdenfeindlichen, vermeintlich international abgeschotteten Dritten Reiches wurde das Thema „Ausländer“ oder „Fremde“ zumeist nur als Geschichte von Ausgrenzung, Vertreibung und Verfolgung betrachtet. Dennoch gibt es auch während der Zeit des Nationalsozialismus ausländische Studenten in Greifswald. Die ausländischen Studenten kamen aus 32 verschiedenen Ländern; die Mehrzahl unter ihnen aus Norwegen (50), der Tschechoslowakei bzw. seit dem März 1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren (39) sowie Schweden (24). Schweden und Norweger studierten zu etwa 90 Prozent Zahnmedizin, während die „Protektoratsstudenten“ fast ausschließlich Humanmedizin studierten. Isolationsangst und Streben nach Ansehen im Ausland auf Seiten der Universität beförderte die Zulassung einer stetig steigenden Zahl von ausländischen Studenten während des Krieges. Es ging dabei aber auch um eine zielgerichtete Ausbildung, Rekrutierung und (Selbst-) Indienstnahme ausländischer Eliten.
„Wir haben in den letzten zwölf Monaten sehr viel Material in den verschiedensten Archiven gesammelt. Diese Arbeit werden wir in diesem Jahr beenden und auch die Auswertung weiter vorantreiben. Ich gehe davon aus, dass Ende 2014 eine geschlossene Darstellung der Geschichte der Universität Greifswald im Nationalsozialismus vorgelegt werden kann“, erklärt Projektkoordinator Dirk Alvermann.
Das Rektorat der Universität Greifswald hatte in Absprache mit den Dekanen Anfang 2011 beschlossen, die Zeit des Nationalsozialismus an der Universität wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Ein Beirat von Fachwissenschaftlern der Universität begleitet die Arbeit des Forschungsprojektes.
http://www.uni-greifswald.de/informieren/pressestelle/pressefotos/pressefotos-20... - Es stehen vier Pressefotos zur Verfügung
http://www.ns-zeit.uni-greifswald.de - Internetadresse der Seite „Universität Greifswald im Nationalsozialismus“
Um 1942: Zersetzung eines Feststoffs (Eisenoxyd) in einem Äthernebel. Elektronenmikroskopische Aufna ...
Das Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit der Pressemitteilung kostenlos heruntergeladen und genutzt werden. Quelle: Universitätsarchiv Greifswald
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
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Forschungsprojekte
Deutsch
Um 1942: Zersetzung eines Feststoffs (Eisenoxyd) in einem Äthernebel. Elektronenmikroskopische Aufna ...
Das Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit der Pressemitteilung kostenlos heruntergeladen und genutzt werden. Quelle: Universitätsarchiv Greifswald
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