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28.04.2013 19:00

Böses Fett kann sich in gutes umwandeln

Fabio Bergamin Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    ETH-Forscher haben erstmals in einem lebenden Organismus gezeigt, dass weisse und braune Fettzellen direkt ineinander umgewandelt werden können. Sie kratzen dabei an einem Dogma, wonach braune und weisse Fettzellen aus unterschiedlichen Vorläuferzellen gebildet werden. Die Erkenntnis soll dazu beitragen, fettleibigen Menschen mit neuen Therapien zu helfen.

    Forschende der ETH Zürich haben erstmals in einem lebenden Organismus zeigen können, dass sich braune und weisse Fettzellen ineinander umwandeln können. Mit ihrer Arbeit an Mäusen liefern die Wissenschaftler unter der Leitung von Christian Wolfrum, Professor am Institut für Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit, wichtige Hinweise zum Ursprung der braunen Fettzellen. Diese Erkenntnis kann nun genutzt werden, um gewichtsreduzierende Therapien zu entwickeln.

    Bei Säugetieren – und somit auch beim Menschen – gibt es zwei Arten von Fettzellen: Weisse Fettzellen dienen vor allem als Energiespeicher. Wenn dem Körper genügend Nahrung zur Verfügung steht, vermehren sie sich und speichern Energie in Form von Fetttropfen für allfällige «schlechte Zeiten». Braune Fettzellen hingegen sind Heizkraftwerke und darauf spezialisiert, ihnen zur Verfügung stehende Energie zu verbrennen, ein Prozess, bei dem Körperwärme entsteht. Vor allem Neugeborene haben viele braune Fettzellen und regulieren damit ihre Körpertemperatur. Seit bekannt ist, dass auch Erwachsene solche Zellen besitzen, erforscht die Wissenschaft intensiv, wie diese entstehen. Das Wissen könnte, so die Hoffnung der Wissenschaftler, fettleibigen Menschen helfen, braune Fettzellen zu bilden. Dadurch könnte der Körper Fett in Wärme umsetzen, wodurch übergewichtige Menschen abnehmen würden.

    Lehrmeinung infrage gestellt

    Die braunen Fettzellen entstehen bei Erwachsenen als Anpassung an kalte Temperaturen im weissen Fettgewebe, womit das Gewebe «beige» wird. In der Wärme sind im Gewebe deutlich weniger dieser braunen Fettzellen zu finden. Allerdings ist noch umstritten, wie sie entstehen. Eine verbreitete Vermutung war lange, dass braune Zellen ausschliesslich aus speziellen Stammzellen entstehen und wieder absterben, wenn der Körper sie nicht mehr braucht. Die Hypothese, dass sich weisse und braune Zellen direkt ineinander umwandeln könnten, stand bisher nicht im Vordergrund. Mit dem Beweis dieser zweiten Hypothese kratzen die ETH-Wissenschaftler nun an der Gültigkeit der gängigen Lehrmeinung.

    Genetisch markierte Fettzellen

    Der Nachweis gelang Christian Wolfrum und seinen Kollegen, indem sie bei Mäusen Fettzellen gentechnisch markierten. Die Forscher hielten die Tiere in einem Wechselklima: zunächst für eine Woche bei winterlichen Temperaturen (8°C), anschliessend für mehrere Wochen bei Raumtemperatur. In der Kälte bildeten die Mäuse braune Fettzellen in ihrem weissen Fettgewebe – das Gewebe wurde beige. Anhand der genetischen Markierungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich weisse Fettzellen in Abhängigkeit von der Temperatur in braune umwandeln können und umgekehrt. Die Forscher gehen davon aus, dass es sich bei den Menschen ähnlich verhält und die braunen Fettzellen im beigen Gewebe von Erwachsenen aus weissen Fettzellen entstehen können.

    Medikamente gegen Fettleibigkeit

    «Um neue Therapiemöglichkeiten gegen Fettleibigkeit zu entwickeln, müssen wir Wege finden, weisse Fettzellen in braune umzuwandeln», sagt Wolfrum. Viele Wissenschaftler hätten bisher nach Vorläuferzellen von braunen Fettzellen gesucht, was möglicherweise ein unzureichender Ansatz gewesen sei. In weiterer Forschungsarbeit möchten Wolfrum und seine Kollegen nach den Stimuli suchen, die zur Umwandlung führen, und erforschen, ob und wie man diesen Prozess beeinflussen kann. Die Forschenden denken an Medikamente oder an aktive Komponenten in der Nahrung.

    Sie möchten damit einen radikal anderen Therapieansatz begründen. «Bisherige Therapien gegen Fettleibigkeit zielten meistens darauf ab, die Kalorienzufuhr zu reduzieren, beispielsweise indem sie den Appetit zügeln oder dafür sorgen, dass Nährstoffe im Darm schlechter aufgenommen werden», sagt Wolfrum. Von den medikamentösen Therapien, die bisher auf dem Markt seien, funktioniere keine wirklich gut. Der Ansatz, braune Fettzellen zu bilden und zu aktivieren, zielt hingegen nicht auf eine verringerte Energieaufnahme, sondern einen gesteigerten Energieverbrauch.

    Originalpublikation

    Rosenwald M, Perdikari A, Rülicke T, Wolfrum C: Bi-directional interconversion of brite and white adipocytes. Nature Cell Biology 2013, Advance Online Publication, DOI: 10.1038/ncb2740


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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