Menschen, die in ländlicher Umgebung aufwachsen, leiden weniger oft an Asthma und Allergien als Kinder aus städtischen Gegenden. Grund dafür ist ein trainiertes Immunsystem: Der Kontakt mit dem Bakterienbestandteil Endotoxin während der Kindheit bewirkt möglicherweise, dass das Immunsystem Allergene besser toleriert, so dass es seltener zu allergischen Reaktionen kommt.
Bochum, 24.09.2002
Nr. 265
Warum Landkinder seltener allergisch sind
Bakterien trainieren das Immunsystem
Studie untermauert die "Hygiene-Hypothese"
Menschen, die in ländlicher Umgebung aufwachsen, leiden weniger oft an Asthma und Allergien als Kinder aus städtischen Gegenden. Grund dafür ist ein trainiertes Immunsystem: Der Kontakt mit dem Bakterienbestandteil Endotoxin während der Kindheit bewirkt möglicherweise, dass das Immunsystem Allergene besser toleriert, so dass es seltener zu allergischen Reaktionen kommt. Landkinder sind weit größeren Mengen dieser Substanz ausgesetzt als Stadtkinder. Diese Ergebnisse veröffentlichte die internationale Allergy and Endotoxin Gruppe (ALEX) unter Beteiligung von Prof. Dr. Albrecht Bufe (Experimentelle Pneumologie, Universitätskinderklinik der RUB in den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil) in der aktuellen Ausgabe des "New England Journal of Medicine".
Fragebögen, Matratzenstaub und Blutproben
"Am deutlichsten ist der Effekt, wenn sich Kinder schon im ersten Lebensjahr regelmäßig in Ställen aufhalten und unbehandelte Kuhmilch trinken", so Prof. Bufe. Die Forscher untersuchten 812 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren aus ländlichen und Stadtgebieten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Eltern füllten zunächst einen Fragebogen aus, in dem sie angaben, ob ihr Kind auf einem Bauernhof lebt oder nicht, und ob es Symptome von Asthma oder einer Allergie wie z. B. Heuschnupfen zeigte. Die Wissenschaftler entnahmen den Betten der Kinder Staubproben, die sie auf Endotoxin, einen Zellwandbestandteil von Bakterien, und bekannte Allergene untersuchten. Außerdem prüften sie die Aktivität des Immunsystems der Kinder anhand von Blutproben.
Mehr Staub und weniger Allergien
In Matratzen vom Land fanden die Forscher etwa doppelt so viel Endotoxin wie in städtischen. Die Fragebögen ergaben, dass auf dem Land nur etwa halb so viele Kinder an Asthma und Heuschnupfen litten wie in der Stadt (Heuschnupfen: 4,1 Prozent der Land- und 10,5 Prozent der Stadtkinder, Asthma: 3,1 Prozent der Land- und 5,9 Prozent der Stadtkinder). Auch bei den Immuntests zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Immunreaktion auf verschiedene Substanzen und der Lebensumgebung. Die Menge an Endotoxin, der ein Kind ausgesetzt ist, verhält sich demnach umgekehrt proportional zu bestimmten Reaktionen seiner Immunzellen.
Hygiene-Hypothese untermauert
Grund für dieses Verhalten ist wahrscheinlich ein Trainingseffekt. Das angeborene Immunsystem erkennt Bakterienbestandteile und reagiert darauf, auch wenn keine Infektion zu bemerken ist. Durch solche Abläufe wird es toleranter gegenüber Keimen. Diese Forschungsergebnisse stützen wissenschaftlich die so genannte "Hygiene-Hypothese", die besagt, dass Allergien heute deshalb immer häufiger auftreten, weil Menschen wesentlich weniger mit Bakterien in Berührung kommen als früher. Wie genau der Toleranzeffekt funktioniert, ist jedoch noch unklar. "Diese Ergebnisse sollten nicht dazu führen, dass die Hygiene vernachlässigt oder gar das Impfen aufgegeben wird", warnt Prof. Bufe.
Abteilung Experimentelle Pneumologie
Die Experimentelle Pneumologie ist eine Abteilung der medizinischen Fakultät an der Ruhr-Universität. Sie wurde mit der Berufung von Prof. Bufe nach Bochum 1999 begründet und hat die Leitung der "Klinischen Forschergruppe Pneumologie" übernommen. Mit der Einrichtung der Abteilung soll die Forschung in der traditionsreichen Pneumologielandschaft Bochum fokussiert werden. Die Experimentelle Pneumologie bildet die Brücke zwischen molekularer, infektiologischer und immunologischer Grundlagenforschung zur angewandten klinischen Forschung. Daraus ergibt sich ein methodisch und inhaltlich breit angelegtes Forschungsprogramm. Insbesondere in der Molekularbiologie, Immunologie und Allergologie bringen die Mitarbeiter der Abteilung Expertise mit.
Titelaufnahme
Braun-Fahrländer, Charlotte; Riedler, Josef; Herz, Udo et al.: Environmental exposure to endotoxin and its relation to asthma in school-age children. In: New England Journal of Medicine, Bd. 347, Nr. 12, 19. September 2002, S. 869-877.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Albrecht Bufe, Experimentelle Pneumologie, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum, Tel. 0234/3074-510, Fax: 0234/3074-682, E-Mail: info@expneu.de, Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/homeexpneu/ (s.u.)
http://www.ruhr-uni-bochum.de/homeexpneu/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).