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08.05.2013 19:19

"Unwahrscheinliche" Bildungsaufstiege

Klaus P. Prem Presse - Öffentlichkeitsarbeit - Information
Universität Augsburg

    Augsburg/AM - Der Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien 2013 geht an den Sozialwissenschaftler Aladin El-Mafalaani für seine Bochumer Dissertation über „BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus“. Den Förderpreis erhält die junge Soziologin Jessica Pahl - ebenfalls Ruhr-Universität Bochum - für ihre Masterarbeit über „Die Bedeutung des Körpers in interkulturellen Verstehensprozessen“. Feierliche Preisverleihung ist am 4. Juli 2013 im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses.

    In diesem Jahr geht der mit 5.000 Euro dotierte Hauptpreis des zum 16. Mal vergebenen Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien an den Sozial- und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani für seine an der Ruhr-Universität Bochum vorgelegte Dissertationsschrift „BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus. Habitustransformation und soziale Mobilität bei Einheimischen und Türkeistämmigen“. Nach der Einschätzung der Jury des Augsburger Wissenschaftspreises überzeugt die qualitative Biographiestudie nicht zuletzt aufgrund ihres innovativen Ansatzes.

    In seiner Arbeit untersuchte El-Mafaalani eher "unwahrscheinliche" Bildungsaufstiege von aus der Türkei stammenden sowie deutschstämmigen Erwachsenen aus bildungsfernen Milieus in oberste akademische Bildungsränge. Dabei handelt es sich um außergewöhnliche Karrieren in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur. El Mafaalani zeigt sowohl "unterschichts"-spezifische Brüche als auch migrationsspezifische Grenzen, welche die Aufsteiger auf ihrem Weg nach oben überwinden müssen. Er identifiziert unterschiedliche Anpassungs- und Bewältigungsmuster. Talent und Fleiß alleine reichen hier nicht aus, der Bildungsaufstieg erweist sich eher als eine langfristige Herausforderung, die meist durch fördernde „Dritte“ zur richtigen Zeit am richtigen Ort begünstigt wird.
    El Mafaalanis Studien zeigen, dass allen Bildungsaufsteigern eine grundlegende Wandlung ihres biografischen Musters gemein ist. „Die Beteiligten wechseln die sozialen Räume“, so der Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel.

    Land der Freiheit, Land der Schuld

    Aladin El-Mafaalani wurde 1978 im Kreis Recklinghausen geboren. Seine Eltern kamen in den 1970er Jahren aus Syrien nach Deutschland. In ihren Erzählungen war Deutschland das Land der Philosophie und der Freiheit des Denkens. Im Schulunterricht wurde hingegen die grausame Vergangenheit des Völkermords und der Schuld vermittelt. Diese Diskrepanz bewog El-Mafaalani, sich mit politischen, historischen und soziologischen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. In seiner sechsjährigen Tätigkeit als Lehrer im Schuldienst konnte er darüber hinaus eine Sensibilität für die praktischen Problemstellungen im Kontext von Benachteiligung und Migration entwickeln. Erst kürzlich ist der Sozialwissenschaftler zum Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster ernannt worden.

    Körper und interkulturelles Verstehen – Förderpreis an Jessica Pahl

    Den Förderpreis erhält Jessica Pahl für ihre Masterarbeit "Die Bedeutung des Körpers in interkulturellen Verstehensprozessen", die sie bei Ilse Lenz, Professorin für Geschlechter- und Sozialstrukturforschung an der Ruhr-Universität Bochum, vorgelegt hat. Pahl untersucht in dieser Arbeit die Rolle des Körpers als Medium interkulturellen Verstehens in Schulen des Ruhrgebiets. Sie arbeitete mit Improvisationstheater und der hermeneutischen Videoanalyse als Methoden der qualitativen Sozialforschung.

    Wie entstehen in interkulturellen Kontaktzonen soziale Ordnungen und wie gestalten sich interkulturelle Lebensformen und Begegnungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen? Dies waren die leitenden Fragen des DFG-Projektes "Interkulturelles Verstehen in Schulen des Ruhrgebietes", aus dem Pahls Arbeit hervorgegangen ist. Gerade an Schulen des Ruhrgebietes mit ihrem hohen Anteil an jungen Menschen unterschiedlicher Herkunft lassen sich Strategien der Konfliktlösung gut untersuchen. Die Beobachtung dieser Jugendlichen und ihrer Kommunikationsstrategien im interkulturellen Austausch macht den sozialen Wandel in unserer Gesellschaft nachvollziehbar. Pahl beschreibt die Rolle des Körpers bei der aktiven Aneignung von erfahrungsbasiertem Interkulturwissen, beispielsweise wenn die Schüler während des Ramadan "mitfasten“. Pahls Modell fördert Empathie nicht durch kognitives Wissen, sondern durch Handeln und Körperwissen. Dieser in der Körpersoziologie bisher unberücksichtigte Aspekt kann als wertvoller Wegweiser zukünftiger Studien dienen.

    Jessica Pahl ist 1983 in Essen geboren und aufgewachsen, war nach einer Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum ab September 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt "Interkulturelles Verstehen in Schulen des Ruhrgebiets" am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. Seit Oktober 2011 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Dortmund. Dort bearbeitet sie das DFG-Projekt „Wachkoma“. Als Gitarristin und Organistin in einer Blues-Rockband findet sie einen Ausgleich zu ihren wissenschaftlichen Arbeiten.

    Feierliche Preisverleihung im Goldenen Saal

    Die festliche Verleihung des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2013 findet am 4. Juli 2013 durch den Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, Dr. Kurt Gribl, und die Präsidentin der Universität Augsburg, Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, im Goldenen Saal des Rathauses der Stadt Augsburg statt. Die Würdigung des Preisträgers und der Preisträgerin nimmt der Vorsitzende der Jury, Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Eckhard Nagel, vor. In einem Podiumsgespräch unter Leitung von Prof. Doering-Manteuffel werden die beiden PreisträgerInnen tieferen Einblick in ihre Denkansätze und Forschungsergebnisse zum interkulturellen Zusammenleben gewähren.
    _____________________________

    Die Mitglieder der Jury:

    • Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen und Mitglied des Deutschen Ethikrates (Vorsitz)
    • Peter Grab, Bürgermeister und Kulturreferent der Stadt Augsburg
    • Regionalbischof Michael Grabow
    • Prof. Dr. Leonie Herwartz-Emden, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Augsburg
    • Prälat Dr. Bertram Meier
    • Prof. Dr. Susanne Popp, Historikerin und Geschichtsdidaktikerin, Universität Augsburg
    • Prof. Dr. Christoph Weller, Politikwissenschaftler, Universität Augsburg
    • Prof. Dr. Armin Nassehi, Soziologe, LMU München
    • Prof. Dr. Dr. Alexander Brink, Philosoph, Universität Bayreuth
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    Ansprechpartnerin:

    Dr. Anna Magdalena Ruile
    Referentin im Präsidialbüro der Universität Augsburg
    Universitätsstr. 2
    86159 Augsburg
    Telefon 0821/598-5104
    anna.ruile@praesidium.uni-augsburg.de
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    Anhang: Die bisherigen Trägerinnen und Träger des "Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien":

    1998: Alfredo Märker, "Zuwanderung in der Bundesrepublik: Universalistische und partikularistische Gerechtigkeitsaspekte", Diplomarbeit, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    1999: Dr. Encarnacíon Gutiérrez Rodríguez, "Jongleurinnen und Seiltänzerinnen - Dekonstruktive Analyse von Biographien im Spannungsfeld von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung: Selbstverständnisse, Handlungsstrategien und Verortungsperspektiven weiblicher intellektueller im Kontext der Arbeitsmigration", Dissertation, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M.

    2000: Dr. Yasemin Karakasoglu-Aydin, "Religiöse Orientierungen und Erziehungsvorstellungen. Eine empirische Untersuchung an türkischen Lehramts- und Pädagogik-Studentinnen im Ruhrgebiet", Dissertation, Universität-GH Essen

    2001: Prof. Dr. Christine Langenfeld, "Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland - eine Untersuchung am Beispiel des allgemeinbildenden Schulwesens", Habilitation, Georg-August-Universität Göttingen

    2002: Dr. Gaby Straßburger, "Heiratsverhalten und Partnerwahl im Einwanderungskontext: Eheschließungen der zweiten Migrantengeneration türkischer Herkunft", Dissertation, Universität Osnabrück

    2003: Dr. Azra Pourgholam-Ernst, "Das Gesundheitserleben von Frauen aus verschiedenen Kulturen. Frauen und Gesundheit: Eine empirische Untersuchung zum Gesundheitserleben ausländischer Frauen in Deutschland aus salutogenetischer Sicht", Dissertation, Universität Dortmund

    2004: P. Dr. Jörg Alt SJ, "Leben in der Schattenwelt. Problemkomplex illegale Migration. Neue Erkenntnisse zur Lebenssituation Illegaler' aus München und anderen Orten Deutschlands", Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin

    2005: Dr. Ute Koch, "Die Herstellung und Reproduktion sozialer Grenzen: Roma in einer westdeutschen Großstadt", Dissertation, Universität Osnabrück

    2006: PD Dr. Ulrike Bechmann, "Abraham - Beschwörungsformel oder Präzisierungsquelle? Bibeltheologische und religionswissenschaftliche Untersuchungen zum Abraham-Paradigma im interreligiösen Dialog", Habilitation, Universität Bayreuth

    2007: Dr. Louis Henri Seukwa, "Kompetenz als Habitus der Überlebenskunst - Zum Verhältnis von Kompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien", Dissertation, Universität Hamburg / Förderpreis: Anne Weibert, "Mediale Integration ethnischer Minderheiten - Vergleich von Lokalberichterstattung über Türken in Deutschland und Hispanics in den USA",
    Diplomarbeit, Universität Dortmund

    2008: Dr. Liliana Ruth Feierstein, "Von Schwelle zu Schwelle: Randgänge(r). Eine Lektüre der Gestualität gegenüber den 'Anderen' aus dem Blickwinkel des jüdischen Denkens", Dissertation, Heinrich Heine Universität Düsseldorf / Förderpreis: Stefan Wellgraf, "Migration und Medien. Wie Fernsehen, Radio und Print auf die Anderen blicken", Diplomarbeit, Europa-Universität
    Viadrina Frankfurt/Oder.

    2009: Dr. Marc Olivier Thielen, "Wo anders leben? Migration, Männlichkeit und Sexualität in biographischen Erzählungen iranischer Männer in Deutschland", Dissertation, Johann-Wolfgang-Goethe Universität zu Frankfurt am Main / Förderpreis: Olga Krahn, Lokale Identitäten und Gemeinschaft. Beteiligung von Spätaussiedelern an "Soziale Stadt Programmen - dargestellt am Piusviertel in Ingolstadt", Diplomarbeit, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt.

    2010: Dr. Riem Spielhaus, „Wer ist hier Muslim?“, Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin / Förderpreis: Christian Issmer, Der Einfluss von Metaperceptions auf Kontakterfahrungen und Einstellungen im Intergruppenkontext, Diplomarbeit, Philipps-Universität Marburg.

    2011: Dr. Kien Nghi Ha, „In the Mix. Postkoloniale Streifzüge durch die Kulturgeschichte der Hybridität“, Dissertation, Universität Bremen / Darja Klingenberg, Humor in der Migration. Phänomene der Grenzüberschreitung. Funktion und Bedeutung humoristischer Narrative in Alltagskommunikation von Migrantinnen und Migranten, Magisterarbeit, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.

    2012: Dr. Maren Möhring, „Ausländische Gastronomie. Migrantische Unternehmensgründungen, neue Konsumorte und die Internationalisierung der Ernährung in der Bundesrepublik Deutschland“, Habilitationsschrift, Universität zu Köln / Förderpreis: Michaela Brosig, Neukölln unlimited? Lebenswelten und Handlungsstrategien junger Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund, Magisterarbeit, Freie Universität Berlin.


    Weitere Informationen:

    http://www.fill.de/Events%20FiLL/Wissenschaftspreis2013.pdf - Ausschreibungstext für den Augsburger Wissenschaftspreis 2013
    http://www.fill.de - Forum interkulturelles Leben und Lernen (FILL e.V.)


    Bilder

    Der Hauptpreisträger des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2013: Aladin El-Mafaalani
    Der Hauptpreisträger des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2013: Aladin El ...
    Foto: privat
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    Die Förderpreisträgerin 2013: Jessica Pahl
    Die Förderpreisträgerin 2013: Jessica Pahl
    Foto : privat
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung, Politik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

    Der Hauptpreisträger des Augsburger Wissenschaftspreises für interkulturelle Studien 2013: Aladin El-Mafaalani


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    Die Förderpreisträgerin 2013: Jessica Pahl


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