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17.10.2002 11:02

Babyrobben tauchen ohne Risiko

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Defekt der Herzscheidewand bei Robben wahrscheinlich ungefährlich / Beim Menschen als Risikofaktor nachgewiesen

    Neugeborene Bartrobben können schon kurz nach der Geburt problemlos in große Tiefen tauchen und damit ihren ärgsten Feinden, den Eisbären, entkommen. Eine angeborene Kurzschlussverbindung im Herzen, durch die venöses Blut in die Schlagadern gelangt, birgt für sie nicht das Risiko eines leichten Schlaganfalls - im Gegensatz zu anderen Säugetieren wie dem Menschen. Zu diesem Ergebnis kam eine deutsch-norwegische Forschergruppe, die in Nord-Spitzbergen Babyrobben mit einer speziellen Ultraschallmethode, der Dopplersonographie, untersucht hat.

    Für ihre maßgeblichen Arbeiten zu Tauchrisiken bei Menschen und Robben wurde jetzt eine Wissenschaftlergruppe der Universität Heidelberg ausgezeichnet - Privatdozent Dr. Michael Knauth, Dr. Stefan Ries und Dr. Christoph Klingmann wurde in der vergangenen Woche der "Heller-Mager-von Schrötter-Preis 2002" der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin verliehen.

    Etwa 20 Prozent aller Menschen haben ein offenes "Foramen ovale" im Herz

    Alle Säugetiere haben während ihrer Reifung im Mutterleib ein Loch im Herzvorhof, das sogenannte "Foramen ovale". Dadurch wird das Blut an der Lunge vorbeigeleitet, die noch nicht entfaltet ist. Mit Sauerstoff versorgt wird der Fetus über Plazenta und Nabelschnur. Seine ersten Atemzüge erhöhen den Druck im linken Herzvorhof und das Loch in der Vorhofscheidewand wird durch eine bereits angelegte Membran verschlossen. Jedoch nicht immer: Bei etwa 20 bis 30 Prozent aller Menschen bleibt es Zeit ihres Lebens zumindest teilweise offen, ohne dass sie es wissen oder Beschwerden haben.

    "Falls diese Menschen sich als Sporttaucher betätigen, haben sie ein erhöhtes Risiko, beim Tauchen kleine Schlaganfälle zu erleiden", sagt Dr. Ries. Dass dieser Personenkreis Hirnschäden riskiert, haben er und seine Kollegen bereits vor einigen Jahren gezeigt. Ihre "Heidelberg-Mannheimer-Taucherstudie" erregte national und international Aufsehen. Gefährlich ist für Menschen mit offenem Foramen ovale das Auftauchen. Beim Eintauchen in mehr als 30 Meter Tiefe steigt der Druck im Körper stark an und Gas wird ins Gewebe gedrückt. Lässt beim Auftauchen der Wasserdruck schnell nach, kann sich das Gas nicht im venösen Blut lösen, sondern bildet kleine Blasen. Normalerweise werden diese in der Lunge abgefangen, bevor sie die linke Herzhälfte erreichen. Doch durch das Loch gelangen sie ungehindert in den linken Herzvorhof, dann in die große Schlagader und über die Halsschlagadern ins Gehirn." Mit der Magnetresonanztomographie haben wir gezeigt, dass Taucher mit offenem Foramen häufiger Veränderungen der Gehirngewebes, wahrscheinlich kleine Schlaganfälle, haben", berichtet Dr. Knauth, Oberarzt in der Abteilung Neuroradiologie des Universitätsklinikums Heidelberg.

    Babyrobben: Extreme Tauchgänge trotz des Lochs im Herzen

    Seinen wissenschaftlichen Kooperationspartner Christian Lydersen und Kit Kovacs vom Norwegischen Polarforschungsinstitut in Tromso liegen in erster Linie die Bartrobben am Herzen. Sie fragten sich: Wie schaffen es die Robben, schon wenige Stunden nach der Geburt zu tauchen, ohne durch ein offenes Foramen ovale gefährdet zu werden? Über das Internet machten die norwegischen Polarforscher die Heidelberger Ärzte und ihre Taucherstudie ausfindig und luden sie ein, gemeinsam junge Bartrobben zu untersuchen.

    Wie kann man bei einer Babyrobbe mit bereits 60 Kilogramm Gewicht feststellen, ob ihre Herzscheidewand ein Loch hat? "Mit dem Doppler-Ultraschallverfahren können wir bildlich und akustisch feststellen, ob das Blut in den Halsschlagadern winzige Gasbläschen enthält", erklärt Dr. Knauth. Insgesamt 12 Babyrobben konnten die Wissenschaftler bei ihren Bootsfahrt in den arktischen Gewässern kurzzeitig einfangen und auf Eisschollen mit modernem Ultraschallgerät untersuchen. In den ersten sieben Tagen war bei allen Tieren das Foramen ovale offen. Dennoch waren die Tiere in der Lage, wenige Minuten lang bis zu 90 Meter tief zu tauchen, ohne offensichtlichen Schaden zu nehmen.

    Die Robben haben biologische Überlebensstrategien entwickelt, um schon bald nach der Geburt extreme Tauchgänge zu bewältigen, vermuten die Forscher. Denn nur so können sie ihrem gefährlichstem Feind, dem Eisbär, entkommen. Robben atmen zum Beispiel vor dem Abtauchen aus und vermindern so die Gasmenge, die sie auf ihren Tauchgang mitnehmen. Beim Tauchen fallen ihre Lungen in sich zusammen. Die Luft wird aus den Lungen in die Luftröhre gedrückt, die nicht am Luftaustausch teilnimmt. Deshalb stellt ein offenes Loch im Herzen für diese Tiere wohl keine Gefährdung dar.

    Literaturhinweise:
    * Michael Knauth et al., Cohort study of multiple brain lesions in sport divers: role of a patent foramen ovale, British Medical Journal 1997; Band 314, Seite 701
    http://www.bmj.com:80/cgi/content/full/314/7082/701?maxtoshow=?eaf

    * C. Lydersen, K. M. Kovacs, S. Ries und M. Knauth, Precocial diving and patent foramen ovale in bearded seal (Erignathus barbatus) pups, Springer-Verlag 2002, Original Paper.
    http://link.springer.de/link/service/journals/00360/contents/02/00301/paper/s003...


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    Babyrobbe
    Babyrobbe

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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