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25.06.1998 00:00

Stammzelltransplantation bei aplastischer Anämie

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    In-vitro-Aufzucht gesunder Blutstammzellen
    Forschungsstipendium der Novartis-Stiftung für Ulmer Mediziner

    Die aplastische Anämie (AA) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, in deren Verlauf die Blutbildung im Knochenmark versagt. Als langfristig aussichtsreiche Therapie bei schwerer AA gilt gegenwärtig die Transplantation von Knochenmarkzellen eines Geschwisterspenders, die allogene Stammzelltransplantation - vorausgesetzt, der Patient ist jung und es steht ein immunkompatibler Geschwisterspender zur Verfügung. Diese Voraussetzungen aber sind nur bei etwa einem Drittel der potentiellen Transplantationskandidaten gegeben. In der Mehrheit der Fälle wird daher eine immunsuppressive Therapie durchgeführt, das heißt eine medikamentöse Behandlung, die das Immunsystem beeinflußt, um die krankhaften Zellen im Blut des Patienten zu vernichten und eine Erholung der Blutbildung zu ermöglichen. Das ärztliche Vorgehen bei dieser Immunsuppression basiert auf Erfahrungswerten; der genaue Wirkmechanismus ist nicht sicher geklärt.

    Sowohl die allogene Knochenmarktransplantation als auch die immunsuppressive Therapie sind auf dem gegenwärtigen Entwicklungsstand mit gravierenden Nachteilen behaftet: bedeutet erstere einen schweren Eingriff in den Organismus, so verzeichnet letztere zwar eine initiale Ansprechrate von rund 70 Prozent, doch treten im Behandlungsverlauf häufig Rezidive auf, oder die aplastische Anämie geht über in verwandte, bösartige Erkrankungen wie beispielsweise die akute myeloische Leukämie. Weniger als die Hälfte der Patienten befindet sich in dauerhafter Remission. Neue Therapieansätze zu entwickeln, die einerseits weniger riskant sind als die allogene Knochenmarktransplantation, andererseits wirksam genug, um den Patienten dauerhaft zu heilen, ist daher das Ziel zahlreicher hämatologisch-onkologisch orientierter Forscher - unter ihnen PD Dr. Hubert Schrezenmeier, Oberarzt der Abteilung Innere Medizin III der Universität Ulm.

    Hochdosierte Immunsuppression

    Der gegenwärtig womöglich aussichtsreichste Ansatz, erklärt Schrezenmeier, liege in der hochdosierten Immunsuppression. Dieser Gewaltstreich gegen die körpereigene Abwehr mit dem Ziel der vollständigen Vernichtung sämtlicher krankhafter Blutzellen setzt die Möglichkeit voraus, während der Behandlung Vorläuferzellen der Blutbildung - auch als hämopoietische Stammzellen oder pluripotente Progenitorzellen bezeichnet - »nachzufüllen«, sonst besteht die Gefahr, daß das blutbildende System des Patienten durch die Therapie schwerer geschädigt wird als durch die Erkrankung. Diese Stammzellen müssen dem Patienten vor Therapiebeginn entnommen werden - und da beißt sich das Konzept zunächst in den Schwanz, denn der Mangel an Blut- und eben auch Blutstammzellen gehört ja definitionsgemäß zum Krankheitsbild der AA. Andererseits weiß man, daß sich diese wenigen verbliebenen Stammzellen eines AA-Patienten wenigstens teilweise aus dem Knochenmark in das periphere Blut freisetzen und von dort abschöpfen lassen. Wenn es gelänge, diese in Zellkultur ausreichend zu vermehren, wäre eine entscheidende Voraussetzung für den klinischen Einsatz der Hochdosis-Immuntherapie erfüllt.

    Demzufolge gilt Schrezenmeiers Interesse zunächst den Bedingungen, unter denen sich Progenitorzellen zur Zellteilung bewegen, im Fachbegriff: expandieren lassen. Die Suche nach optimalen Aufzuchtbedingungen für pluripotente Progenitorzellen ist allerdings nur ein Teil des Problems. Aufgrund einiger bereits vorliegender zellbiologischer Befunde müssen die Forscher nämlich befürchten, daß Stammzellen im Zuge forcierter Vermehrung ihre Reproduktionsfähigkeit einbüßen. So wurde nachgewiesen, daß sich bestimmte für die Teilung wesentliche Chromosomenabschnitte der Blutzellen, als Telomeren bezeichnet, bei der Laboranzucht allmählich verkürzen. Unterschreiten die Telomeren eine kritische Länge, so verlieren die Zellen ihre Teilungsfähigkeit. Umgekehrt produzieren jedoch die Vorläuferzellen das Enzym Telomerase, welches durch Hinzufügung neuer Abschnitte einen vorangegangenen Telomer-Verlust kompensieren kann. Die Telomerase-Aktivität, auch das ist inzwischen bekannt, läßt sich durch Gabe von Zytokinen hochregulieren.

    Schrezenmeier will nun - neben der Optimierung der Expansionsbedingungen - untersuchen, ob der Kulturvermehrung von Blutstammzellen bei aplastischer Anämie tatsächlich eine biologische Grenze gesetzt ist. Dazu wird er Telomerlänge und Telomeraseaktivität der Stammzellen im Knochenmark, der Lymphozyten und der Granulozyten aus dem peripheren Blut bei Patienten und gesunden Personen vor und nach Expansion vergleichen. »Stammzellen bei aplastischer Anämie: Ex-vivo-Expansion, Telomer-Länge und Telomerase-Aktivität« heißt das Projekt, in dem dies geschehen soll - und zwar mit finanzieller Unterstützung durch ein Forschungsstipendium in Höhe von 12.000 Mark aus Mitteln der von der Pharmafirma Sandoz gegründeten Novartis-Stiftung.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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