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21.10.2002 14:41

Arbeitsmarkt in Ostdeutschland: Frauendomänen schrumpfen

Dr. Antonia Rötger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Trotz aller Gleichstellungsbemühungen werden viele Jobs immer noch als typische "Frauen-" oder "Männerberufe" angesehen, wobei "Frauenberufe" oft schlechter bewertet und bezahlt werden. Dr. Heike Trappe, Soziologin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, hat unter die Lupe genommen, inwiefern auch der Erwerbsbereich der DDR nach Geschlechtern getrennt war. Sie verglich die Beschäftigungsverhältnisse der DDR und BRD der 80er Jahre mit denen, die heute in Ost- und Westdeutschland zu beobachten sind. Ihre Ergebnisse räumen nun mit einigen Vorurteilen auf.

    Text: Von Ramona Kautzky
    Montag früh, neun Uhr. Während die Bürokauffrauen in spe in der Berufsschule schon angeregt Neuigkeiten vom Wochenende austauschen, kämpfen ihre männlichen Altersgenossen ein paar Kilometer weiter in einer Vorlesung über Stahlbetonbau noch gegen die Müdigkeit an. Jede und jeder von ihnen hat einen Beruf vor sich, der in Deutschland als typisch für ihr Geschlecht gilt. Und dies trifft nicht nur auf Sekretärinnen und Ingenieure zu - auch in vielen anderen Bereichen sind die Arbeitsmärkte moderner Industriegesellschaften gespalten. Der Fakt, dass bestimmte Tätigkeiten eher Männern als Frauen (und umgekehrt) zugeordnet werden, hat weitreichende Auswirkungen. Unter anderem auf die Bezahlung, die Beschäftigungssicherheit und auf die Karrierechancen.

    Doch wie stark Frauen und Männer beruflich getrennt sind, und welche Jobs jeweils als "weiblich" oder "männlich" gelten, ist in den einzelnen Länder verschieden. Dr. Heike Trappe untersuchte das Phänomen in der DDR und der BRD der achtziger Jahre und analysierte, was sich nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 1998 verändert hat. Dabei ging sie zunächst von der verbreiteten Annahme aus, in der DDR hätte es mehr Frauen in Männerberufen gegeben als in Westdeutschland. Die Gründe dafür klingen schlüssig: die wirtschaftliche Lage und die politische Ideologie führten zu einer Sozialpolitik, die die Berufstätigkeit von Frauen unterstützte und dadurch auch die Gleichstellung mehr stärkte als es im Westen der Fall war. Über das wirkliche Ausmaß der beruflichen Geschlechtertrennung in der DDR war bei Beginn der Studie allerdings nur wenig bekannt.

    Die Soziologin gelangte zu einem überraschenden Ergebnis: "Die Erwerbstätigkeit in der DDR war in den achtziger Jahren stärker in Männer- und Frauenberufe geteilt als im damaligen Westdeutschland", sagt sie. Zwar gab es in beiden Staaten relativ feste Frauen- und Männerdomänen, aber dies war in der DDR noch deutlicher ausgeprägt: "Seit den 70er Jahren wählten Frauen in der DDR wieder häufiger traditionelle Frauenberufe", erklärt Trappe. Weil die Erwerbsbeteiligung von Frauen in der DDR deutlich höher war als im Westen, dominierten Frauen viele Berufsfelder. Fast ein Sechstel aller Berufe hatte einen Frauenanteil von über 90 Prozent. Frauen übten Berufe wie Krankenschwester oder Unterstufenlehrerin (Grundschullehrerin) aus und waren auch in der Verwaltung, beispielsweise als Buchhalterin oder Bibliothekarin, stark vertreten. Im Westen waren lediglich medizinische Hilfstätigkeiten so fest in weiblicher Hand.

    Heute, nach radikalen Umbrüchen und in einer anhaltenden Krise des ostdeutschen Arbeitsmarktes, hat sich das Blatt gewendet. "Die Entwicklung im Osten verlief ebenso rasant wie untypisch im internationalen Vergleich," sagt Trappe. Obwohl das Erwerbssystem weiterhin hochgradig gespalten blieb, fanden seit den achtziger Jahren in der BRD Frauen zunehmend Eingang in qualifizierte Berufe, vor allem im expandierenden Dienstleistungssektor. "In den neuen Ländern", so die Soziologin, "lässt sich dieser Trend dagegen nicht beobachten." Im Gegenteil - Männer dringen zunehmend in ehemals typische Frauenberufe ein und zwar auf allen Qualifikationsstufen: zum Beispiel im Hochschulbereich, in Finanzdienstleistungen, im medizinischen Sektor und in der Gastronomie.

    Das Ausmaß der beruflichen Geschlechtertrennung lasse allerdings noch keine direkten Rückschlüsse auf soziale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu, gibt Trappe zu bedenken. "Die starke Abschottung frauentypischer Tätigkeiten kann Vor- und Nachteile haben," erläutert sie. Einerseits können sich Frauen innerhalb ihres Gebietes besser entfalten und hätten mehr Aufstiegschancen, beispielsweise in Leitungsfunktionen im Schulbereich. Andererseits bringt männliche Konkurrenz oft eine Aufwertung und bessere Entlohnung der Tätigkeiten auch für Frauen mit sich.

    Für diese Studie griff Trappe auf Daten aus den jeweils letzten Volkszählungen zurück, welche in der DDR 1981 und in der BRD 1987 stattfanden. Zum aktuellen Vergleich diente der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes von 1998.

    Hinweis an die Redaktionen:
    Dieses Forschungsprojekt wurde am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (Forschungsbereich "Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Entwicklung", Leiter: Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer) durchgeführt. Für weitere Fragen können Sie sich gerne an Dr. Heike Trappe wenden: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Lentzeallee 94, 14195 Berlin, Telefon: 030-82406-231, E-Mail: trappe@mpib-berlin.mpg.de

    Der Abdruck ist bei Nennung der Autorin, Ramona Kautzky, kostenfrei. Bitte schicken Sie uns ein Belegexemplar (MPIB, Redaktion, Lentzeallee 94, 14195 Berlin).


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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