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29.06.1998 00:00

Protonenstrahl erstmals in Deutschland zur Behandlung von Augentumoren eingesetzt

MA Thomas Robertson Kommunikation
Hahn-Meitner-Institut Berlin GmbH

    Am Berliner Hahn-Meitner-Institut wurde jetzt zum ersten Mal in Deutschland die Protonenstrahl-Therapie zur Behandlung von Patienten mit Augentumoren eingesetzt.
    An einem Teilchenbeschleuniger der physikalischen Forschung wurde in Zusammenarbeit mit Medizinern der Berliner Universitätsklinik Benjamin Franklin in den letzten Jahren mit einem Kostenaufwand von rund 2,5 Millionen Mark die neue Therapeinrichtung aufgebaut.

    Großgerät der Physik beschießt Tumoren des Auges mit Protonenstrahl - Erstmals Patient in Deutschland behandelt

    Am Zyklotron des Berliner Hahn-Meitner-Instituts, einem Teilchenbeschleuniger, wurde jetzt erstmals in Deutschland der Augentumor eines Patienten mit einem Protonenstrahl behandelt. Mediziner aus der Augenklinik des Klinikums Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin haben die neue Behandlungsmethode unter der Leitung von Prof. Dr. Michael H. Foerster in Zusammenarbeit mit Physikern der Beschleunigeranlage unter der Leitung von Dr. Heinrich Homeyer nach internationalem Vorbild entwickelt und vom 22. bis 25. Juni bei einem 44-jährigen Patienten aus Brandenburg eingesetzt. Bislang stand deutschen Patienten diese Therapie nur im Ausland zur Verfügung.

    Therapie-Vorteile durch Protonenstrahlen
    Die Strahlentherapie stellt einen wesentlichen Beitrag zur Behandlung von Krebserkrankungen dar: zwei Drittel aller Krebspatienten werden im Verlauf ihrer Erkrankung mit Strahlung behandelt. Verbreitet ist der Einsatz von Gammastrahlung und Elektronenstrahlung. Weltweit gewinnt zur Zeit die Behandlung von Patienten mit Protonenstrahlen an Bedeutung. Diese Methode wurde in den USA seit den sechziger Jahren entwickelt.
    Die Protonentherapie hat entscheidende Vorteile, wenn es sich um Tumoren in der Nähe von empfindlichem, gesundem Gewebe handelt. Dies gilt im Besonderen für Augentumoren, wo Tumor und empfindliches Gewebe wie Sehnerv und Linse dicht nebeneinander liegen. Die Protonentherapie ist hier eine wesentliche, in der Regel Auge und Sehvermögen erhaltende, Therapieform.

    Erfolge im Ausland belegt
    Klinische Erfahrungen im Ausland belegen die Qualität dieser Therapie: hohe Erfolgsquoten von über 90 Prozent wurden erreicht. Eine medikamentöse Behandlung (Chemotherapie) ist bei Augentumoren nicht möglich.
    Zur Bestrahlung von Tumoren im Augeninneren benötigt man Protonen mit der relativ hohen Energie von rund 70 Millionen Elektronenvolt (MeV). Solche maßgeschneiderten Teilchenstrahlen lassen sich nur mit großem apparativen Aufwand herstellen. Da in Deutschland bis vor kurzem keine geeigneten Beschleuniger für diese Therapieform zur Verfügung standen, mußten deutsche Patienten im Ausland behandelt werden. Weltweit existieren derzeit 15 Zentren für Protonentherapie: in Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und Rußland sowie Japan, USA und Südafrika.
    Auch die Mediziner des Berliner Projekts, die Professoren Norbert Bornfeld (jetzt Universitätsklinikum Essen) und Michael H. Foerster, Leiter der Augenklinik des Universitätsklinikums Benjamin-Franklin der Freien Universität Berlin, behandelten ihre Patienten seit 1991 am Centre Antoine-Lacassagne in Nizza. Nach mehrjährigen Vorbereitungen ist nun auch im Berliner Hahn-Meitner-Institut die Protonentherapie von Augentumoren möglich.
    Bei den behandelten Augentumoren handelt es sich um Tumoren, die intraokular, also im Augeninnern, wachsen. Am häufigsten sind dabei bösartige Melanome vertreten, die im Augapfel auf der Adernhaut entstehen. Von solchen "intraokularen Melanomen" werden in Deutschland jährlich etwa 500 bis 600 Neuerkrankungen registriert. Meist sind Menschen im sechsten Lebensjahrzehnt betroffen. Bei etwa einem Drittel der Fälle kann die Protonentherapie entscheidend helfen.

    Hohe Präzision der Strahlenwirkung
    Protonen sind positiv geladene Kerne des Wasserstoffatoms. Mit geeigneten Beschleunigern läßt sich mit ihnen ein energiereicher Strahl erzeugen. Der große Vorteil der Protonentherapie ist die hohe Präzision der Gewebezerstörung. Die tumorvernichtende Dosis erreicht beim Protonenstrahl exakt ihr Ziel im erkrankten Gewebe; die Umgebung wird geschont.
    Bei der Therapie wird die gesamte Strahlendosis auf vier tageweise verabreichte Fraktionen aufgeteilt. Um Risikobereiche wie Linse oder Sehnerv möglichst wenig zu belasten, wird Dosis, Form und Richtung des Protonenstrahls mit einem Computerprogramm berechnet. Zur genauen Fixierung des Patienten dient ein präzise positionierbarer Behandlungsstuhl mit Gesichtsmaske und Beißblock. Während der Bestrahlung, die völlig schmerzfrei verläuft, fixiert der Patient mit dem kranken Auge eine Lichtquelle. Ein vergrößertes Fernsehbild der Pupille wird auf das Kontrollpult übertragen. Der Protonenstrahl kann jederzeit innerhalb einer Zehntelsekunde unterbrochen werden, falls dies aus Sicherheitsgründen notwendig wird. Während man etwa 20 Minuten veranschlagen muß, um den Patienten auf die Behandlung vorzubereiten, dauert die Bestrahlung selbst nur etwa 30 Sekunden.

    Berliner Therapie-Einrichtung kostete 2,5 Millionen Mark
    Das Zyklotron, eine wesentliche Komponente der Beschleunigeranlage im Hahn-Meitner-Institut, wurde auf die maximale Energie von 72 Millionen Elektronenvolt (MeV) aufgerüstet und liefert seit mehreren Jahren sehr zuverlässig einen stabilen Protonenstrahl.
    Insgesamt ergaben sich Investitionskosten von rund 2,5 Millionen Mark für Änderungen an der Beschleunigeranlage, wie Kontrollinstrumente und Sicherheitseinrichtungen, für den Aufbau medizinischer Geräte sowie für einen Anbau für Kontrollraum und Warteraum für die Patienten. Ein wesentlicher Teil der Mittel wurde aus dem Fonds des Hochschulbau-Förderungsprogramms bereitgestellt. Wie üblich werden hierbei fünfzig Prozent aus dem jeweiligen Landeshaushalt getragen. Die Betriebskosten von voraussichtlich jährlich rund 500 Stunden Beschleunigerbetrieb und die direkten Personalkosten des Hahn-Meitner-Instituts trägt die Klinik entsprechend einer Vereinbarung mit den Kassen.
    Der reguläre Betrieb ist für eine Woche pro Monat an maximal 10 Monaten im Jahr geplant. Jährlich könnten rund 250 Patienten behandelt werden; ausreichend um den Bedarf in Deutschland abzudecken.

    Thomas Robertson,
    Pressestelle Hahn-Meitner-Institut Berlin
    Tel. 030 / 8062-2034


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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