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15.08.2013 11:22

Schutz vor Blutgerinnseln nach Schlaganfall: Druckluft-Beinmanschette überzeugt Experten nicht

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Berlin – Manche Schlaganfall-Patienten sterben nicht an den Folgen der Hirnschädigung, sondern an einer Lungenembolie, ausgelöst durch ein Blutgerinnsel aus den Beinvenen. Das Risiko könne einer aktuellen britischen Studie zufolge durch eine vorbeugende Thrombosebehandlung mit durch Druckluft gesteuerte Beinmanschetten deutlich gesenkt werden. Die sogenannte intermittierende pneumatische Kompression (IPK) ist eine Wechseldruck-Massage an den Beinen. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) fordern jedoch weitere Studien, die die IPK mit dem Standard der Thrombosevorbeugung vergleichen: der Gabe von niedermolekularem Heparin (LMWH).

    Viele Patienten können in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall das Bett nicht verlassen. Aufgrund von Lähmungen, die oft eine gesamte Körperseite betreffen, kommt es zum Ausfall der „Muskelpumpe“ im Bein. Gemeint sind die spontanen Bewegungen der Beinmuskeln, die beim Gesunden den Transport des Blutes in den Venen fördern. Ohne Muskelpumpe kann der Blutfluss stocken. Dann bilden sich schnell Blutgerinnsel, die über die Körpervenen in die Lunge abdriften und dort die Blutbahnen verstopfen können. Die Patienten erleiden dann eine unter Umständen tödliche Lungenembolie.

    Das Risiko einer Blutpfropfenbildung besteht vor allem bei schwer betroffenen Patienten. „Etwa einer von zehn bettlägerigen Schlaganfallpatienten erleidet in der Klinik eine tiefe Beinvenenthrombose“, berichtet Professor Dr. med. Martin Grond, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die Gabe von Blutgerinnungshemmern sei eine Möglichkeit, diese Komplikation zu verhindern. Der Standard dafür ist niedermolekulares Heparin (Low Molecular Weight Heparine, LMWH). Kompressionsstrümpfe, auch unter dem Namen Thrombosestrümpfe bekannt, haben sich als ineffektiv erwiesen, weil sie die Muskelpumpe nicht effektiv genug unterstützen, so der Schlaganfallexperte aus Siegen.

    Interessante, jedoch zu hinterfragende Ergebnisse hat jetzt eine Studie aus Großbritannien mit 2876 Patienten (CLOTS 3-Studie) erbracht. Die Teilnehmer waren nach einem Schlaganfall weitgehend bettlägerig. Bei jedem zweiten der liegenden Patienten wurden die „Druckluft-Manschetten“ angelegt und die intermittierende pneumatische Kompression durchgeführt. In kurzen zeitlichen Abständen füllt eine Pumpe die Kissen von der Peripherie her mit Luft, die nach kurzer Zeit wieder entweicht. Der Wechsel von Druck und Entlastung, der so auf die Venen ausgeübt wird, soll die natürliche Muskelpumpe ersetzen. Die Vergleichsgruppe erhielt keine IPK, sondern eine „Routinebehandlung“, einige trugen klassische Thrombosestrümpfe, andere erhielten blutverdünnende Mittel. Nach sieben bis zehn Tagen und nach 25 bis 30 Tagen wurden alle Patienten mittels Ultraschall auf tiefe Venenthrombosen hin untersucht. Der Anteil der Patienten, die nach dem Schlaganfall eine Thrombose in den Beinvenen entwickelte, konnte mit IPK von 12,1 auf 8,5 Prozent gesenkt werden. Auch die Zahl der Lungenembolien war leicht von 2,4 auf 2,0 Prozent verringert, zugleich war die Gesamtsterberate in der IPK-Gruppe bezogen auf einen Zeitraum von sechs Monaten niedriger (13,2 versus 10,8 Prozent).

    Das Studiendesign macht die deutschen Schlaganfallexperten jedoch skeptisch. Professor Dr. med. Joachim Röther, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), kommt zu dem Schluss, dass das neue Kompressionsverfahren auf der Basis der CLOTS 3-Studie nicht überzeugt. Der Experte von der Asklepios Klinik Hamburg Altona kritisiert: „Nur 32 Prozent der Patienten der Kontrollgruppe wurden leitliniengerecht behandelt. Behandlungsstandard zur Vermeidung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien ist die Gabe von niedrig dosiertem unfraktioniertem Heparin oder von LMWH, also niedermolekularem Heparin.“ Das Studiendesign hätte IPS+LMWH versus LMWH lauten müssen. Der DSG-Pressesprecher ergänzt: „Eine neue Methode muss immer einen Zusatznutzen gegenüber dem Goldstandard zeigen, und das ist LMWH.“ Über die IPK als ergänzende Therapie bei der Thrombosevorbeugung für bettlägerige Schlaganfallpatienten kann also derzeit noch nicht nachgedacht werden. Vorher muss eine positive Vergleichsstudie durchgeführt werden.

    Literatur:
    Carroll JD, Saver JL, Thaler DE, Smalling RW, Berry S, MacDonald LA, Marks DS, Tirschwell DL; RESPECT Investigators. Closure of patent foramen ovale versus medical therapy after cryptogenic stroke. N Engl J Med. 2013; 368: 1092–100. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23514286

    Meier B, Kalesan B, Mattle HP, Khattab AA, Hildick-Smith D, Dudek D, Andersen G, Ibrahim R, Schuler G, Walton AS, Wahl A, Windecker S, Jüni P; PC Trial Investigators. Percutaneous closure of patent foramen ovale in cryptogenic embolism. N Engl J Med. 2013; 368: 1083–91. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23514285

    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:
    Prof. Dr. med. Joachim Röther
    Pressesprecher, 2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
    Chefarzt der Neurologischen Abteilung
    Asklepios Klinik Altona
    Paul-Ehrlich Straße 1
    22763 Hamburg
    Tel.: 040 181881-1401, Fax: 040 181881-4906
    E-Mail: j.roether@asklepios.com

    Prof. Dr. med. Martin Grond
    Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Chefarzt der Neurologischen Klinik am Kreisklinikum Siegen
    Weidenauer Straße 76
    57076 Siegen
    Tel.: 0271 705-1800, Fax: 0271 705-1804
    E-Mail: grond@dgn.org

    Pressestelle der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft
    Tel.: 0711 8931-380
    Fax: 0711 8931-167
    E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V.
    Tel.: 089 461486-22
    Fax: 089 461486-25
    E-Mail: presse@dgn.org

    Kontakt für Journalisten:
    Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft
    Pressestelle
    Dagmar Arnold
    Postfach 30 11 20
    70451 Stuttgart
    Tel.: 0711 8931-380
    Fax: 0711 8931-984
    E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org
    Internet: http://www.dsg-info.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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