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30.10.2002 08:15

Zehn Jahre Frühdiagnosezentrum: Erste Adresse für auffällige Kinder

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Vor zehn Jahren wurde am Klinikum der Universität Würzburg das Frühdiagnosezentrum eröffnet. Sein Ziel: Die interdisziplinäre Behandlung von Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten und Behinderungen. Seitdem wurden rund 10.000 Kinder aus Unterfranken und den angrenzenden Regionen hier untersucht und betreut.

    Fritz ist vier Jahre alt und äußerst umtriebig. Er geht überwiegend auf Zehenspitzen, kann schlecht bei einer Sache bleiben, spricht wenig und dann auffallend laut. Weil er Probleme mit der Motorik und dem Sozialverhalten im Kindergarten hat, stellen seine Eltern ihn im Frühdiagnosezentrum im Luitpoldkrankenhaus vor.

    Sie berichten, dass Fritz mit einem Geburtsgewicht von 1.300 Gramm elf Wochen zu früh auf die Welt kam und mehrere Wochen auf der Intensivstation einer Kinderklinik behandelt worden sei. Nach der Entlassung habe es immer wieder erhebliche Schwierigkeiten gegeben: Fritz habe häufig geschrien und schlecht getrunken. Zwar habe er regelmäßig Krankengymnastik bekommen, sich aber immer wieder auffallend steif gemacht.

    Später seien dann Schielen, verzögerte Sprachentwicklung, Schlafstörungen und vermehrte Erregbarkeit dazu gekommen. Die Eltern berichten, dass sie immer wieder bei verschiedenen Ärzten und Therapeuten in Behandlung waren, aber nicht zufrieden seien und sich sehr gestresst fühlen.

    Im Frühdiagnosezentrum stellen ein Kinderarzt und eine Physiotherapeutin bei Fritz Zeichen einer leichten beinbetonten spastischen Bewegungsstörung sowie Störungen der Mundmotorik und der zentralen Sprachentwicklung fest. Es wird Telefonkontakt mit den bisher betreuenden Therapeuten aufgenommen. Ihnen werden Vorschläge zur Einleitung eines ganzheitlichen Behandlungskonzeptes gemacht. Außerdem beginnen die Ärzte eine Injektionsbehandlung im Bereich der Unterschenkelmuskeln.

    Die Eltern werden im Frühdiagnosezentrum auch ausführlich über sozial unterstützende Maßnahmen informiert. Zum Beispiel erfahren sie, dass sie für Fritz einen Behindertenausweis beantragen können. Die Therapeuten vereinbaren mit ihnen Kontrolluntersuchungstermine zur Beurteilung des weiteren Entwicklungsverlaufes und zur genaueren psychologischen Untersuchung von Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen. Sie besprechen auch die Möglichkeiten einer vorschulischen sonderpädagogischen Betreuung.

    Dieser Fall zeigt beispielhaft die Arbeit im Würzburger Frühdiagnosezentrum auf. Sozialpädiatrische Zentren sind laut Gesetz "ärztlich geleitete, interdisziplinäre Institutionen für Kinder, die wegen der Art, Schwere und Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen alleine behandelt werden können".

    Die großen Vorteile dieser Einrichtungen sind laut Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg, ärztlicher Leiter des Würzburger Frühdiagnosezentrums: Qualifikation der Mitarbeiter, enger interdisziplinärer Austausch, die Möglichkeit, ohne großen zeitlichen Druck die Probleme der Eltern zu besprechen, und die ausführliche schriftliche Dokumentation und Bewertung aller Befunde, die in der Regel immer auch an die Eltern weitergegeben werden. Intensiv ist die Zusammenarbeit mit ärztlichen, pädagogischen und therapeutischen Institutionen, insbesondere mit niedergelassenen Kinderärzten, Kinderkliniken, Frühförder- und Beratungsstellen, Therapiepraxen, Kindergärten und Sonderschulen.

    "In einem Sozialpädiatrischen Zentrum können aber keine Wunder versprochen werden", so Prof. Straßburg. Bei einigen Kindern falle den Mitarbeitern die schwere Aufgabe zu, die Eltern mit der Realität einer bleibenden Behinderung zu konfrontieren. Gerade dabei sei es wichtig, das Kind immer aus unterschiedlichen Blickrichtungen zu betrachten. Dazu gehört auch, seinen allgemeinen Entwicklungsstand und seine Intelligenz zu bestimmen, nach körperlichen und neurologischen Auffälligkeiten zu suchen, die psychische und die soziale Situation abzuschätzen und die Ursachen für die Entwicklungsauffälligkeiten festzustellen.

    Der Name "Frühdiagnosezentrum" für das Würzburger Sozialpädiatrische Zentrum ist in Deutschland übrigens ebenso einmalig wie die Trägerschaft durch einen Verein, dessen erster Vorsitzender in Würzburg der Direktor der Universitäts-Kinderklinik ist. Weitere Mitglieder sind Vertreter der Caritas, der Diakonie, der Lebenshilfe, der Stadt Würzburg, des Bezirks Unterfranken, der Blindeninstitutsstiftung, der Kinderklinik am Mönchberg und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

    Sozialpädiatrische Zentren wurden in den vergangenen 15 Jahren flächendeckend in ganz Deutschland für Einzugsgebiete von jeweils ein bis zwei Millionen Einwohnern aufgebaut. "Sie haben die oft schwierige interdisziplinäre Betreuung von Kindern mit Entwicklungsproblemen wesentlich verbessert", lautet das Resümee von Straßburg. Der Professor plädiert darum dafür, dass auch in Zeiten knapper Finanzmittel im Gesundheitsbereich die Unabhängigkeit, der Qualitätsstandard und die Finanzierbarkeit dieser Zentren gesichert bleiben sollten.

    Zum zehnjährigen Bestehen veranstalteten die Mitarbeiter und der Vorstand des Vereins Frühdiagnosezentrum am 23. Oktober 2002 eine Jubiläumsfeier in der Zehntscheune des Juliusspitals. Auf die Begrüßung durch den Vereinsvorstand - Prof. Dr. Christian P. Speer, Prof. Dr. Helmut Bartels und Prof. Dr. Hans Michael Straßburg - folgte der Festvortrag: Über das Thema "Die Sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland - ihre Aufgaben, ihre Probleme und ihre Zukunft" sprach Prof. Dr. Harald Bode (Ulm), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin. Am Abend folgte dann unter dem Titel "Struwwelpeter und Co." eine "literarische Reise durch die Kindheit" mit Hildegard und Hans Driesel aus Werneck.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg, T (0931) 201-27734, Fax (0931) 18-27858, E-Mail:
    strassburg@mail.uni-wuerzburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.fruehdiagnosezentrum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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