Mannheim/Heidelberg – Menschen mit entzündlichem Rheuma müssen meist ihr Leben lang Medikamente nehmen. Doch etwa jeder dritte Patient spricht nicht auf die herkömmlichen Therapien an. Diese unterdrücken die fehlgeleitete Immunabwehr, die sich gegen den eigenen Körper wendet – eine Heilung ist auf diesem Weg nicht möglich. Das Ziel der Heilung verfolgt ein neuer, vielversprechender Ansatz mit Chemo- und Stammzelltherapie, der bereits bei mehr als 130 Menschen mit sogenannten Autoimmunerkrankungen in Deutschland im Rahmen von Studien durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt steht dabei die Neuprogrammierung des immunologischen Gedächtnisses.
Über den aktuellen Forschungsstand informieren Experten auf der Vorab-Pressekonferenz des 41. Fachkongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) am 11. September 2013 in Berlin. Bei vielen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen spielen sogenannte Autoantikörper, die sich gegen körpereigene Zellen richten, eine wichtige Rolle. Ziel einer medikamentösen Behandlung ist es, den Autoantikörperspiegel so niedrig wie möglich zu halten. In 30 Prozent der Fälle gelingt dies nicht zufriedenstellend, wie Professor Dr. med. Falk Hiepe, Sprecher des DGRh-Arbeitskreises „Stammzelltherapie“ erklärt. Die Ursache dafür sind langlebige Gedächtnis-Plasmazellen, die im Knochenmark eine Überlebensnische gefunden haben, und von dort aus ständig Autoantikörper nachproduzieren. Sie müssen also ausgeschaltet werden.
„Mit einer hochdosierten Chemotherapie können wir diese Gedächtnis-Plasmazellen eliminieren“, sagt Professor Hiepe, Oberarzt an der Berliner Charité. Dabei wird das gesamte immunologische Gedächtnis gelöscht, der Patient ist also Infektionen hilflos ausgeliefert. Deshalb kombinieren Forscher die Behandlung mit einer Stammzelltherapie, die das Immunsystem neu aufbaut. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich nach Ausschaltung des fehlerhaften immunologischen Gedächtnisses ein gesundes Immunsystem entwickeln kann. Die Patienten benötigen dann keine weitere Therapie“, berichtet der Experte. In Europa erhielten bereits mehr als 1500 Menschen mit Autoimmunerkrankungen eine Stammzelltransplantation. Bei bis zu zwei Drittel verbesserten sich die Krankheitssymptome langfristig, die meisten waren besser behandelbar als vor der Transplantation.
Wegen der hohen Infektionsgefahr ist die Methode Patienten vorbehalten, bei denen herkömmliche Therapien nicht wirken. Alternativ zu einer Chemotherapie testen Forscher bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine Behandlung mit dem für Knochenmarkkrebs zugelassenen Wirkstoff Bortezomib. Allerdings zerstört dieser nur etwa 50 Prozent der Gedächtnis-Plasmazellen, die sich nach Absetzen des Medikaments rasch erneuern. „Wir suchen daher nach anderen Möglichkeiten, Plasmazellen effizient und selektiv zu eliminieren. Unsere Experimente an Tieren verlaufen derzeit sehr vielversprechend“, verrät Hiepe im Vorfeld der DGRh-Pressekonferenz am 11. September 2013 in Berlin. Hier wird er über aktuelle Ergebnisse neuer Therapieansätze sprechen, die auch auf dem DGRh-Kongress vorgestellt werden, der vom 18. bis 21. September 2013 in Mannheim tagt.
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