Leichtbauteile, die Veränderungen in ihrer Umgebung spüren, diese Information verarbeiten und sich entsprechend anpassen können - das klingt stark nach Zukunftsmusik. Doch deutsche Wissenschaftler sind bereits dabei, diese Technologie marktfähig zu machen.
Im Rahmen des Leitprojekts "Adaptive Faserverbundstrukturen" arbeiten ab 1. Juli 1998 unter der Federführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt rund 25 Partner aus Universitäten, Industriekonzernen und Forschungsinstituten an solch "intelligenten" Bauteilen einschließlich der zugehörigen Regelungstechnik. Darunter befindet sich auch das Würzburger Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC), dessen Leiter Prof. Dr. Gerd Müller zugleich den Lehrstuhl für Silicatchemie an der Universität Würzburg innehat. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie fördert dieses Leitprojekt für zunächst fünf Jahre mit rund 50 Millionen Mark.
Das neuartige Werkstoffprinzip adaptiver, also sich anpassender Strukturen ist der Traum der Ingenieure: In den Materialien sind Fasern und Elektroden in ganz bestimmter Weise als Sensoren angeordnet, welche die Änderungen der Umgebung melden. Die Signale werden dann von einem Regler verarbeitet, der, wenn nötig, eine Reaktion auslöst. Dadurch eröffnen sich völlig neue Konstruktionsmöglichkeiten: Es werden zum Beispiel störende Vibrationen, etwa in Fahrzeugen, erkannt und effektiv gedämpft. Ein Aspekt dabei: der Lärmschutz. Adaptive Strukturen könnten zum Beispiel den Motorenlärm eines Autos abdämpfen, noch bevor er über die Karosserie in das Fahrzeuginnere gelangt. Auch die Lärmbelastung von Patienten, beispielsweise in großen Magnetresonanz-Tomographen, ließe sich deutlich reduzieren. Schließlich könnten solche Fasern, in Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen integriert, frühzeitig Materialschäden wie Risse oder Ermüdung entdecken.
Die Grundlage für solche Anwendungen sind sogenannte piezoelektrische, keramische Fasern - ein Spezialgebiet der Würzburger Silicatforscher. Diese Fasern können mechanische Verformungen in elektrische Signale umwandeln und umgekehrt, wie das ISC mitteilt. Für adaptive Bauteile müßten ausreichend dünne piezoelektrische Fasern hergestellt und strukturkonform sowie ansteuerbar in einen Verbundwerkstoff eingebettet werden. Diesbezüglich sei das Know-how am ISC bislang konkurrenzlos, sagt Prof. Müller.
So sei es inzwischen gelungen, die Fasern in hoher Reinheit, Homogenität und exakter Zusammensetzung herzustellen, sie einzeln und parallel zueinander auszurichten, mit Elektroden zu versehen und sie in eine Matrix einzubetten. Der komplette Verbundwerkstoff besitze sowohl "fühlende" als auch "ausführende" Eigenschaften.
Wie ein "intelligentes Leichtbauteil" funktioniert, macht ein Beispiel deutlich: Bislang stellen die starren Konstruktionen eines Flugzeugs einen Kompromiß dar, um allen Phasen eines Fluges gerecht zu werden. Denn der aerodynamische Idealzustand ändert sich mit steigender Geschwindigkeit und auch mit der durch den Treibstoffverbrauch bedingten Gewichtsabnahme. Außerdem neigen starre Strukturen zu Schwingungen, die Lärm erzeugen und im schlimmsten Fall zum Bruch führen können.
Also wäre es günstiger und sicherer, wenn das Flugzeug seine Gestalt dem jeweiligen Flugzustand anpassen könnte. Dazu müßten die Flügel ihre Form verändern, sich an bestimmten Teilen ausbeulen und sich an der Hinterkante auf- oder abbiegen. Sensoren, zum Beispiel integrierte piezoelektrische Fasern, müßten den Luftwiderstand messen, ein Computer die notwendigen Veränderungen berechnen. Zu guter Letzt müßten die Aktoren, die in diesem Fall aus Massivmaterial bestehen, die Verformung des Materials ausführen. Derartige adaptive Flügel sollen den Flugzeugbau des 21. Jahrhunderts revolutionieren.
Innerhalb des bundesweiten Leitprojektes gehen die Arbeiten laut Prof. Müller nun dahin, die piezoelektrischen Materialsysteme in hochbeanspruchbare Leichtbauwerkstoffe zu integrieren. Damit soll für Deutschland eine Spitzenposition im internationalen Wettbewerb erreicht werden. Denn auch in Japan und den USA arbeiten Wissenschaftler an den intelligenten Werkstoffen.
Weitere Informationen: Diplom-Chemiker Dieter Sporn, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, T (0931) 41 00-400, Fax (0931) 41 00-498, E-Mail:
sporn@isc.fhg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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