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31.10.2002 11:24

Deutschlandpremiere: OP-Roboter entfernt Tumor aus Bauchspeicheldrüse

Dr. Marion Schafft Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

    Live-Übertragung aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) beim 11. Symposium für minimal-invasive Chirurgie im Curio-Haus

    Der technische Fortschritt im Operationssaal ist nicht aufzuhalten: Deutschlandweit erstmals werden morgen, 1. November, im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) mit Hilfe des OP-Roboters "Da Vinci" zwei ausgedehnte Tumoroperationen an Bauchspeicheldrüsen vorgenommen. Die in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie vorgenommenen Eingriffe werden ins Curio-Haus übertragen, wo sie von 450 Chirurgen aus Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland verfolgt werden. Die Live-Operationen sind Höhepunkt eines Kongresses, in dem sich alles um die so genannte Schlüssellochchirurgie (minimal-invasive Chirurgie = MIC) dreht. Das 11. Hamburger MIC-Symposium findet am 1. und 2. November statt und wird in diesem Jahr vom UKE organisiert. Die wissenschaftliche Leitung hat Professor Dr. Jakob R. Izbicki, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am UKE.

    Beinahe 20 Jahre ist es her, seit Professor Kurt Semm, damals Gynäkologe am Kieler Universitätsklinikum, 1983 einen entzündeten Blinddarm nicht über den herkömmlichen Bauchschnitt entfernte, sondern sich auf winzige Öffnungen beschränkte, durch die er seine Instrumente in den Bauch führte. Nach diesem weltweit ersten minimal-invasiven (oder auch: laparaskopischen) Eingriff hat sich der inzwischen emeritierte Semm seinerzeit viele kritische Stimmen aus der Fachwelt anhören müssen.

    Heute sind die Bedenken größtenteils zerstreut; die "Operation der kleinen Schnitte" hat die Chirurgie nachhaltig verändert: Bei Herzoperationen kann oft auf das Durchtrennen des Brustbeins verzichtet werden; in der Orthopädie ist die Eröffnung des erkrankten Kniegelenks nur noch in Ausnahmefällen notwendig, und in der Allgemeinchirurgie benötigt der Arzt keinen Zugang mehr über den ganzen Bauch, wenn er die Galle entfernen oder einen Leistenbruch beheben will.

    "Der Patient profitiert auf vielfältige Art und Weise von der schonenden Operationstechnik", erläutert Professor Izbicki. "Nach dem Eingriff hat er weniger Schmerzen, kann schneller wieder aufstehen und auch früher die Klinik verlassen." Doch auch der Chirurg hat einen Gewinn von der Operationsmethode, bei der durch drei maximal einen Zentimeter große Hautschnitte Licht, Kamera (Endoskop), Zange und Schere ins Körperinnere geschoben werden. Izbicki: "Das Endoskop arbeitet mit einem Vergrößerungseffekt. Somit kommen wir viel näher an den eigentlichen Ort des Geschehens, sehen auf dem Monitor die Situation detailgetreuer, als dies mit bloßem Auge möglich wäre."

    Mittlerweile eröffnet sich die Laparaskopie immer weitere Felder in der Allgemeinchirurgie: Nach Galle und Leiste scheint sich das OP-Verfahren auch in der Anti-Reflux-Therapie (Sodbrennen) sowie bei der Dickdarm-Behandlung (gutartige Divertikel und bösartige Tumoren) zu etablieren; hier laufen derzeit umfangreiche klinische Studien. Gehören diese Operationen inzwischen zur Routine, werden nun die Grenzen der Tumorchirurgie ins Visier genommen. Daher sind die Eingriffe, die den Teilnehmern des Hamburger Symposiums jetzt aus dem UKE gezeigt werden sollen, noch wesentlich ausgedehnter. "Wir planen, Operationen mit minimal-invasiver Technik durchzuführen, bei der Lunge, Speiseröhre, Magen, Milz, Nebenniere und Thymusdrüse ganz oder teilweise entfernt werden. Hier kommen innovative Techniken zum Einsatz, die in dieser Form noch nicht sehr häufig angewandt wurden, von denen wir aber glauben, dass sie eines Tages zum Standard gehören", erklärt Professor Izbicki.

    Absolutes Kongress-Highlight wird der OP-Roboter "Da Vinci" sein, den die amerikanische Herstellerfirma Intuitive Surgical für das Symposium mit internationaler Beteiligung zur Verfügung stellt. Vorgesehen sind zwei umfangreiche Operationen an der Bauchspeicheldrüse und umgebenden Organen. Beides sind große Operationen, die zwar auch schon minimal-invasiv, mit dem Operationsroboter aber noch nicht in Deutschland durchgeführt wurden. Einen wesentlichen Fortschritt erwarten die Chirurgen von den Präzisionsinstrumenten, die auf engstem Raum in alle Richtungen bewegt werden können und eine genauere und sichere Entfernung des Krebsgewebes und der Lymphknoten erlauben.

    An diesem Wochenende ist "Da Vinci" nur Gast in Hamburg. Doch der UKE-Vorstand bemüht sich, mit finanzieller Unterstützung des Bundes einen etwa eine Million Euro teuren Operationsroboter zu erwerben, den die Kliniken für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, für Kardiochirurgie/Herz- und Gefäßchirurgie (Direktor: Professor Dr. Hermann Reichenspurner) und für Urologie (Professor Dr. Hartwig Huland) gemeinsam nutzen. Diese kostenintensive Ausstattung ist nur in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen der Medizintechnik realisierbar. Aus diesem Grund wird am UKE ein "Zentrum für innovative Operationstechnologie" gegründet werden, in dem neue OP-Verfahren entwickelt werden sollen.

    Wohin die Reise mit der minimal-invasiven Chirurgie letztendlich geht, bleibt abzuwarten. Doch Izbicki ist sehr optimistisch: "Natürlich fehlen uns noch Langzeitergebnisse, und wir können nicht sicher sein, dass der Patient von allen Methoden profitiert. In den nächsten Jahren müssen wir genau untersuchen, was sinnvoll ist und was nicht. Denkbar erscheint aber, dass bereits in zehn Jahren ein Magen überhaupt nicht mehr mit einem großen Bauchschnitt entfernt wird, sondern die schonendere Variante immer auch die bessere und medizinisch sinnvollere ist."

    Der OP-Roboter "Da Vinci"

    erobert seit vier Jahren die Operationssäle der Herzchirurgen. Professor Friedrich Wilhelm Mohr vom Herzzentrum Leipzig war 1998 der weltweit erste Chirurg, der eine Herzoperation durchführte, ohne direkt am Behandlungstisch zu stehen. Er dirigierte Operationsinstrumente und eine winzige Kamera, die über Einschnitte von acht bis zehn Millimetern "durchs Schlüsselloch" in den Körper eingeführt wurden, von einem mehrere Meter entfernten Bedienpult. Im Herzzentrum München wird bei solchen Operationen ein Roboter eingesetzt, der auch auf Zuruf reagiert. Die Herzchirurgen operieren mit dem Roboter am schlagenden Herzen, legen Bypässe, ersetzen Herzklappen und reparieren defekte Herzscheidewände. In der Allgemeinchirurgie wird der Roboter erst nach und nach eingesetzt. Weitere "Da Vincis" stehen inzwischen in den Unikliniken in Dresden, Heidelberg, Frankfurt, Bonn und Berlin.

    Das Robotersystem "Da Vinci" besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: der Steuerkonsole und den Roboterarmen. Der Chirurg sitzt an der Konsole und lenkt mit zwei Steuerknüppeln die elektronischen Roboterarme, an denen sich die (auswechselbaren) OP-Instrumente befinden. Vor sich hat er ein hochauflösendes 3-D-Videobild, welches das Operationsfeld in 20- bis 30-facher Vergrößerung zeigt. Die Hände des Chirurgen ruhen unterhalb des Monitors und handhaben die Instrumente mit der gleichen Flexibilität wie bei der offenen Chirurgie. Besser noch: Die Übersetzung der Bewegungen von der Konsole auf die Instrumente ist zitterfrei und kann individuell eingestellt werden. Beispiel: Dreht der Chirurg seine Hand um zehn Zentimeter, bewegen sich die Instrumente nur um einen Zentimeter. Auf diese Weise kann der Chirurg wesentlich exakter arbeiten und selbst feinste Nähte komplikationslos anbringen.

    Überflüssig wird der Chirurg durch den Roboter nicht. Ganz im Gegenteil: Er sitzt zwar entfernt vom Patienten, überlässt dem System aber zu keiner Zeit die Kontrolle über die Operation. Der Roboter unterstützt den Chirurgen und verhilft ihm zu mehr Präzision. Die Entscheidung, welcher Schritt als nächstes erfolgt, liegt immer ausschließlich beim Chirurgen.

    Von Uwe Groenewold/UKE-Pressedienst

    Abdruck honorarfrei - Belegexemplar an die Pressestelle des UKE erbeten.
    Auf Wunsch mailt Ihnen die Pressestelle des UKE auch ein Foto im "tif"-Format.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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