Eigentlich forscht das Team um Prof. Dr. Jörg T. Epplen am menschlichen Erbgut. Nun haben die Humangenetiker der Ruhr-Universität Bochum das komplette Genom eines Rehs sequenziert, um einem Intersex-Phänomen in der Natur auf die Schliche zu kommen. Bei der Jagd im Hochsauerland war ein Tier aufgetaucht, das weder als männlich, noch als weiblich einzuordnen war. Die Genanalyse ergab, dass das Reh ein dreifaches SOX9-Gen in sich trug. SOX9 unterdrückt die Ausbildung der Eierstöcke. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Köln und der University of Melbourne berichten die Bochumer in der Zeitschrift „PLoS ONE“.
Weiblicher Chromosomensatz, aber männliche Geschlechtsmerkmale
Individuen mit sowohl männlichen als auch weiblichen Merkmalen wurden bei verschiedenen Säugetierarten beschrieben, treten aber nur selten in freier Wildbahn auf. Bei Rehen war das Intersex-Phänomen bislang weder im Gehege noch in der Natur beobachtet worden. Das in der „PLoS ONE“-Publikation beschriebene Reh der Art Capreolus capreolus trug ein Geweih auf dem Kopf, hatte am Hinterteil jedoch eine Schürze – ein typisch weibliches Haarbüschel. Bei näherer Betrachtung fand sich unter dem Haarbüschel ein verkürzter Penis. Das Reh hatte Geschlechtsorgane im Bauchbereich: keine Vaginalöffnung, sondern Hoden. Trotz dieser äußeren Geschlechtsmerkmale schien das Tier auf der Chromosomenebene einen weiblichen Status zu haben. Wissenschaftler sprechen in diesem Fall von „Geschlechterumkehr“ (sex reversal). Bei dem Reh handelt es sich nicht um einen Zwitter, denn diese haben sowohl männliche als auch weibliche Keimdrüsen.
Zu viel SOX9
Um die Besonderheiten im Erbgut des Tieres zu bestimmen, sequenzierte das Team zunächst das Genom eines normal entwickelten Rehbocks aus Rheinhessen. Dann verglichen die Forscher Gene des Intersex-Tieres mit solchen dieses Kontrolltieres. Dabei schauten sie vor allem auf all die Gene, die das Geschlecht bestimmen. In den Zellen des Intersex-Rehs fanden die Forscher einen weiblichen Chromosomensatz (XX, nicht XY). Bis auf eine Ausnahme waren alle geschlechtsbestimmenden Gene in der normalen Menge vorhanden. Nur das SOX9-Gen kam dreimal statt – wie üblich – zweimal vor. „Technisch war es außerordentlich anspruchsvoll und langwierig, die dreifache Dosis des SOX9-Gens zweifelsfrei für das ganze Gen zu belegen“, sagt Jörg Epplen. Das Projekt lief zwei Jahre. In der Vergangenheit haben Forscher „sex reversal“ bei Säugetieren und bei Menschen mit verschiedenen Genen in Zusammenhang gebracht, unter anderem dem SRY-Gen, das an dem gleichen Signalweg beteiligt ist wie SOX9.
Titelaufnahme
R. Kropatsch, G. Dekomien, D.A. Akkad, W.M. Gerding, E. Petrasch-Parwez, N.D. Young, J. Altmüller, P. Nürnberg, R.B. Gasser, J.T. Epplen (2013): SOX9 duplication linked to intersex in deer, PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0073734
Weitere Informationen
Prof. Dr. Jörg T. Epplen, Humangenetik, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-23839, E-Mail: joerg.t.epplen@rub.de
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Link zum frei verfügbaren Originalartikel
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0073734
Redaktion: Dr. Julia Weiler
Intersex-Reh: Auf dem Foto sind das typisch männliche Geweih sowie die typisch weibliche Schürze – e ...
Quelle: Elisabeth Petrasch-Parwez
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Intersex-Reh: Auf dem Foto sind das typisch männliche Geweih sowie die typisch weibliche Schürze – e ...
Quelle: Elisabeth Petrasch-Parwez
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