Berlin/Nürnberg – Für die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft und die Anerkennung ihres Facharztes kämpften Gastroenterologen in Deutschland lange: Bis in die 1960er Jahre hinein fürchteten Kollegen, durch die Spezialisierung der Magen-Darm-Ärzte drohe die Einheit der Inneren Medizin zu zerbrechen. Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums erinnert die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) auf dem Jahreskongress Viszeralmedizin 2013 in Nürnberg an ihre Gründungsgeschichte. Wie die Experten betonen, ist die Spezialisierung – ebenso wie die gute Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen – heute Grundlage einer professionellen medizinischen Versorgung.
„Als sich zum Ende des 19ten Jahrhunderts einige Mediziner ganz und gar der Erforschung und Behandlung von Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten verschrieben, stießen sie zunächst auf enorme Widerstände“, berichtet DGVS-Archivar Dr. med. Harro Jenss aus Worpswede. „Viele Ärzte befürchteten damals, die Einheit der Inneren Medizin könne eine Spaltung erfahren.“ Obwohl deutsche Mediziner im 19ten Jahrhundert die Grundlagen für das Fach Gastroenterologie legten, erfolgte die Grundsteinlegung der DGVS 1913 vergleichsweise spät. In den USA etwa gab es seit 1897 eine entsprechende Fachgesellschaft. Für ihren Facharzttitel mussten die Magen-Darm-Spezialisten in Deutschland sogar bis 1968 kämpfen. „Der 1924 vom Deutschen Ärztetag eingeführte Facharzt für Magen-Darm- und Stoffwechselkrankheiten wurde 1949 wieder abgeschafft“, berichtet Jenss. Erst 1968 setzte die DGVS die endgültige Einführung des Facharzttitels durch. Die Mitgliederzahl stieg daraufhin von damals 366 auf heute mehr als 5000 Mitglieder rasant an.
Doch um das Thema Spezialisierung kommen auch die heutigen Magen-Darm-Spezialisten nicht herum: „Ähnlich wie vor 100 Jahren steht heute die Gastroenterolgie selbst im Spannungsfeld von Subspezialisierungen“, sagt DGVS-Präsident Professor Dr. med. Markus Lerch, Direktor der Klinik für Innere Medizin A am Universitätsklinikum Greifswald. Bislang sei es gelungen, Experten für Lebererkrankungen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Krebserkrankungen des Verdauungstraktes und Endoskopiker unter einem Dach zu vereinen, betont Lerch. Selbstverständlich sei dies nicht. „In anderen Ländern gehen zum Beispiel die Hepatologen oder auch die gastroenterologischen Onkologen bereits völlig getrennte Wege.“ Um den vielen Interessensgebieten und Teilbereichen Rechnung zu tragen, richtet die Fachgesellschaft Arbeitsgemeinschaften und Sektionen, etwa zur Endoskopie, ein. „Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaften organisieren eigene Fortbildungsveranstaltungen und gehen den Forschungsinteressieren ihres Spezialgebietes nach“, sagt Lerch.
Auf der Viszeralmedizin 2013 treffen sich Mediziner aus den verschiedensten Fächern rund um Erkrankungen des Bauchraums, um voneinander zu lernen und sich weiterzubilden. „Die Zusammenarbeit und der Austausch mit den verschiedenen Disziplinen bestimmt unsere tägliche Arbeit in Klinik und Praxis“, sagt Professor Dr. med. Guido Gerken, Kongresspräsident der DGVS. Die Bereitschaft, gemeinsam zum Wohle des Patienten zu handeln, bilde die Basis für eine professionelle und umfassende Versorgung, so der Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie der Universitätsklinik Essen. Die gemeinsame Tagung der DGVS, deren Sektion gastroenterologische Endoskopie und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) findet noch bis zum 14. September 2013 im NCC Ost in Nürnberg statt.
Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.
Literatur:
100 Jahre DGVS
Herausgeber: Harro Jenss, Guido Gerken, Markus M. Lerch; August Dreesbach Verlag, 2013
Die Chronik finden Sie im Internet unter http://www.dgvs.de/themen/100-jahre-dgvs/.
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Terminhinweise:
DGVS 1913–2013, Symposium anlässlich des 100jährigen Jubiläums der DGVS
Termin: Samstag, 14. September 2013, 10.30 bis 11.45 Uhr
Ort: Raum Shanghai, NCC Ost, Nürnberg
Vorsitz: Professor Guido Gerken, Essen (Kongresspräsident)
Professor Markus M. Lerch, Greifswald (DGVS Präsident)
Professor Georg Strohmeyer, Neuss (Ehrenmitglied DGVS)
Vorträge
Ismar Boas und die ersten 30 Jahre der Gesellschaft
für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
H. Jenss, Worpswede
Rudolf Schindler und die Gastroskopie
P. K. Schäfer, Oberwinter
Wissenschaft ohne Menschlichkeit:
Die Hepatitis epidemica-Versuche 1941–1945
B. Leyendecker, Berlin
DDR–Gastroenterologie und die Wiedervereinigung: Gründung und Forschungsprojekte
J. Schoenemann, Köln
DDR–Gastroenterologie und die Wiedervereinigung: 1975–1990
R. Nilius, Halle
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Kontakt für Journalisten:
Pressestelle Viszeralmedizin 2013
Juliane Pfeiffer, Irina Lorenz-Meyer
Pf 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel: 0711 8931-693, Fax: 0711 8931-167
pfeiffer@medizinkommunikation.org
http://www.dgvs.de; http://www.dgav.de
http://www.viszeralmedizin.com
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Deutsch
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