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19.09.2013 20:01

Umstrittene Technologie der Drei-Eltern-Babys könnte vor allem Jungen gefährden

Myriam Hönig Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Biologe der Universität Tübingen untersucht Risiken der Mitochondrien-Ersatztherapie in der Fortpflanzungsmedizin

    Der Großteil des Erbguts menschlicher Zellen befindet sich im Zellkern, doch besitzen die Mitochondrien, die sogenannten Kraftwerke der Zelle, eigene Gene. Sie werden über die Eizelle ausschließlich von der Mutter an die Kinder vererbt, weshalb Gendefekte in den Mitochondrien auch weitergegeben werden. Diese Gendefekte können zu unterschiedlichen Erkrankungen führen, von leichten Lernbehinderungen bis zu Muskelschwund und anderen lebensbedrohlichen Herz-, Muskel- und Hirnerkrankungen. In Großbritannien werden jedes Jahr rund 200 Kinder mit Gendefekten der Mitochondrien geboren, eins von 4000 erkrankt an einer durch einen Mitochondriengendefekt verursachten Krankheit. Eine Möglichkeit, diese Weitergabe zu verhindern, bietet die Mitochondrien-Ersatztherapie, bei der bei einer Befruchtung im Reagenzglas defekte Mitochondrien der Mutter durch Mitochondrien eines gesunden Spenders ersetzt werden. Nun hat jedoch ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Klaus Reinhardt, Biologe am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen und an der University of Sheffield, festgestellt, dass die Mitochondrien-Ersatztherapie vor allem für männliche Nachkommen Gesundheitsrisiken bergen könnte.

    Mit der Mitochondrien-Ersatztherapie behandelte Embryos werden auch als Drei-Eltern-Babys bezeichnet, da sie neben dem Erbgut von der Mutter und dem Vater auch Erbmaterial von einer dritten Person, dem Mitochondrien-Spender, erhalten. Die Mitochondrien-Ersatztherapie ist umstritten, da sie einen Eingriff in die Keimbahn darstellt: Die Mitochondriengene des Spenders werden nicht nur an das Kind, sondern über die mütterliche Linie auch an dessen Nachkommen weitergegeben. Da das normale Erbgut vom Mitochondrienwechsel nicht betroffen ist, wurde die Therapie zunächst mit einem harmlosen Auswechseln der Batterien einer Kamera verglichen.

    Dr. Klaus Reinhardt hat nun in Zusammenarbeit mit Dr. Ted Morrow von der University of Sussex und Dr. Damian Dowling von der Monash University in Australien Studien zusammengetragen, die darauf hindeuten, dass durch den Austausch der Mitochondrien Prozesse zur Ablesung und Umsetzung der normalen genetischen Informationen aus der DNA im Zellkern umfassend verändert werden können. In einer Therapie könnten die Mitochondrien des Spenders daher eine ganze Reihe von wichtigen Eigenschaften des Empfängers beeinflussen, von der individuellen Entwicklung über das Verhalten bis hin zu wichtigen Gesundheitsaspekten.

    „Viele Kombinationen der normalen und der Mitochondrien-DNA arbeiten nicht gut zusammen. Um im Bild des Batteriewechsels zu bleiben, müssten wir bei der Mitochondrien-Ersatztherapie jedes Individuum als eine andere Kamera betrachten. Einfach nur die Batterien auszuwechseln, kann zu Komplikationen führen, auch wenn der Spender völlig gesund ist“, sagt Dr. Klaus Reinhardt. „Von solchen Komplikationen wären Jungen häufiger betroffen als Mädchen, da die Mitochondrien immer von der Mutter, niemals vom Vater vererbt werden. Schädliche Effekte der Mitochondrien auf die männliche DNA könnten daher nicht durch die Evolution ausgeschaltet werden.“

    In Großbritannien stehen detaillierte Vorschläge zur Regelung der Technologie der Drei-Eltern-Babys im kommenden Jahr zu einer öffentlichen Anhörung und Beschluss durch das Parlament an. Danach könnte das erste Drei-Eltern-Baby in Großbritannien bereits 2015 zur Welt kommen. Dr. Klaus Reinhardt setzt hinzu: „In dieser Technologie steckt das Potenzial, Müttern mit Mitochondrienkrankheiten zu gesunden Babys zu verhelfen. Weitere Forschungen könnten ein wichtiger Schritt sein, um die Technologie sicherer zu machen.“

    Publikation:
    Klaus Reinhardt, Damian K. Dowling, Edward H. Morrow: Mitochondrial Replacement, Evolution, and the Clinic. Science, Band 341, 20. September 2013

    Kontakt:
    Dr. Klaus Reinhardt
    Universität Tübingen
    Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
    Institut für Evolution und Ökologie
    Telefon +49 7071 29-74854
    k.reinhardt[at]uni-tuebingen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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