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07.11.2002 12:58

Symposium zur Rolle von Minderheiten im Entwicklungsprozess

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Internationale Tagung im Anschluss an die Verleihung des Entwicklungsländerpreises 2002

    In Verbindung mit der diesjährigen Verleihung des Entwicklungsländerpreises 2002 der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fand Ende Oktober auf Schloss Rauischholzhausen, der Tagungsstätte der Universität, auf Einladung des Zentrums für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung (ZEU) ein internationales Symposium zum Thema "Die Rolle von Minoritäten im Entwicklungsprozess" statt. Behandelt wurden u.a. folgende Fragen: Wann gelten soziale Gruppen als Minoritäten? Verursachen Minderheiten immer politikrelevante Probleme, oder üben sie auch positive Wirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Staates aus? Wie können politische Lösungsansätze aussehen, mit denen eine Ausgrenzung von Minoritäten in wirtschaftlicher, religiöser oder kultureller Sicht verhindert oder wenigstens abgebaut werden? Konfliktlösungsansätze der Minoritätenprobleme, so ein wichtiges Ergebnis der Tagung, haben nur dann Chancen auf dauerhaften Erfolg, wenn sie die ethnischen, religiösen und sprachlichen Charakteristika der betroffenen Gruppen so weit wie möglich bestehen lassen und zugleich die Ausgrenzung von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Fortschritt abbauen.

    Wie die Eingangsdiskussion zeigte, liegen der Kennzeichnung einer sozialen Gruppe als Minderheit weitreichende Werturteile zugrunde. Dies gilt auch für eine Definition von Francesco Capotorti , die 1949 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde, wonach solche sozialen Gruppen in einem Staatsgebiet als Minorität gelten, deren ethnische, religiöse oder sprachlichen Merkmale sich von anderen dominanten sozialen Gruppen unterscheiden und deren Mitglieder danach streben, ihre kulturelle, sprachliche oder religiöse Identität zu bewahren. Für die Zielsetzung dieser Konferenz als geeigneter erwies sich allerdings die von Jennifer Jackson-Preece vorgeschlagene Kennzeichnung von Minoritäten als normative Außenseiter, deren Existenz die vorherrschenden Werte im Hinblick auf politische Mitgliedschaft und Legitimität gefährdet. Diese Situation zwingt die politischen Entscheidungsträger zu einer Reaktion in Form der Anerkennung von besonderen Minderheitenrechten oder der Unterdrückung derselben.

    Ein weiterer Themenkomplex des Symposiums beschäftigte sich mit Minoritäten als Trägern von Entwicklungsprozessen. Vergangenheit und Gegenwart warten mit zahlreichen positiven Beispielen auf, bei denen Minderheiten zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor eines Landes und damit zu Trägern nationaler Entwicklungsprozesse wurden. Aus historischer Sicht gilt dies etwa für die Juden im mittelalterlichen (und neuzeitlichen) Europa (Michael Toch) oder - gegenwärtig - für die zahlreichen Beispiele von "ethnischen Unternehmern", wie etwa die Yi in der chinesischen Provinz Liangshan (Thomas Heberer). Zentral ist dabei die Beobachtung, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht nur die Ressourcenverteilung in der Gesellschaft verändert, sondern auch den Zugang zu politischer Macht bestimmt und dass sie die kulturelle Identität sozialer Gruppen ebenso wie die gesellschaftliche Mobilität dieser Gruppen beeinflusst.

    Wenn auch die genannten Beispiele einen positiven Einfluss von Minoritäten auf die wirtschaftliche Entwicklung erkennen lassen, so sind sie doch eher selten. Für die nationalen und internationalen politischen Entscheidungsträger weitaus problematischer und weiter verbreitet ist dem gegenüber der weltweit zu beobachtende Ausschluss nationaler Minderheiten von wirtschaftlicher Entwicklung und politischer Mitbestimmung. Im Rahmen des Symposiums wurde an einer Reihe von Beispielen gezeigt, mit welchen Problemen Minderheiten konfrontiert sind und wie versucht werden kann, diese Probleme durch Selbsthilfe oder mit Unterstützung durch nationale oder internationale staatliche und nichtstaatliche Organisationen zu bekämpfen. Im Mittelpunkt standen Minoritäten in Äthiopien (Alula Pankhurst, der diesjährige Hauptpreisträger), ethnische Minderheiten im Hochland des nördlichen Thailand (Judith Knüpfer, mit dem Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet), die indigene Bevölkerung in Guainia, Kolumbien (Vladimir Montoya, ebenfalls mit dem Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet), die Adivasi in Indien (Christian Haas) und - man beachte: ausgegrenzte Gesellschaftsgruppen in Deutschland (Einhardt Schmidt-Kallert).

    Ein wichtiges Ergebnis des Symposiums war die Feststellung, dass Konfliktlösungsansätze der Minoritätenprobleme nur dann Chancen auf dauerhaften Erfolg haben, wenn sie die ethnischen, religiösen und sprachlichen Charakteristika der betroffenen Gruppen so weit wie möglich bestehen lassen und zugleich die Ausgrenzung von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Fortschritt abbauen.

    Ein Tagungsband wird im kommenden Jahr in der Schriftenreihe des ZEU (Schriften zur internationalen Entwicklungs- und Umweltforschung) erscheinen.

    Kontakt:

    Dr. Nicola Schuldt-Baumgart
    Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung (ZEU) der Universität Gießen
    Tel.: 0641/99-12706 (Mittwoch bis Freitag von 9:30 bis 16:30)
    Fax: 0641/99-12709
    E-mail: nicola.schuldt-baumgart@zeu.uni-giessen.de

    Felix Klauda
    Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
    Palmengartenstraße 5-9
    60325 Frankfurt/M.
    Tel.: 069/7431-3707
    Fax: 069/7431-3363
    E-mail: felix.klauda@kfw.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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