02.07.1998
Per Mausklick durch die grauen Zellen
Freiburger Informatikerinnen arbeiten am ersten digitalen weiblichen Hirnatlas - 1000 Hirne werden vermessen - Femi-nistischer Forschungsansatz
Anatomie-Atlanten zwingen nicht selten zur Akrobatik. Einen Finger im In-haltsverzeichnis, einen im Tafelteil und einen im erklärenden Anhang lesen sich Ärzte und Medizinstudenten durch die schweren Bände. Im Kommen sind deshalb elektronische Atlanten, in denen sich bequem am Computer-bildschirm durch Körpermodelle navigieren läßt.
An einem völlig neuartigen digitalen Hirnatlas arbeiten die Informatikerinnen Prof. Dr. Britta Schinzel und Eva Schletz vom Institut für Informatik und Gesellschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er modelliert erstmals das weibliche Gehirn dreidimensional und stellt auf Mausklick neueste Infor-mationen zur Funktion und Bedeutung einzelner Gehirnbereiche zur Verfü-gung. Bis in drei Jahren soll das dreh-, zerleg- und abfragbare Hirnmodell samt einem männlichen Vergleichsgehirn im Internet zugänglich sein. Dort kann es einerseits zum Lehren und Lernen, andererseits als Vergleichsmo-dell für die Analyse radiologischer Hirnaufnahmen genutzt werden.
Bisherige digitale Hirnatlanten beruhen auf den Daten männlicher Gehirne. Für die weibliche Hälfte der Bevölkerung sind sie von begrenztem Nutzen, denn die Hirnforschung findet immer mehr Hinweise, daß sich Männer- und Frauenhirne nicht nur in Größe, Gewicht und Form unterscheiden. Mögli-cherweise besitzen Frauenhirne eine andere Verbindung der Hirnhälften, ein größeres Sprachzentrum und eine andere Anordnung der Nervenzellen. Noch fehlen aber gesicherte Erkenntnisse, weshalb Schinzel und Schletz von ihnem Atlas-Projekt auch neue Aufschlüsse über Form und Funktion des weiblichen Gehirns erwarten.
Ein von Prof. Schinzel koordiniertes Team aus Freiburger, Ulmer, Münche-ner und Hamburger Spezialistinnen und Spezialisten aus Neuroanatomie, Neuroradiologie, medizinischer Informatik und Biologie faßt für den Hirnatlas neuroanatomisches Wissen über das weibliche Gehirn neu zusammen, ver-knüpft die Fakten und setzt sie schließlich in Graphik und Text um.
-2-
Um statistisch aussagekräftige Werte zu erhalten, sollen im Zuge des Pro-jektes rund 1000 Gehirne mittels Magnetresonanztechnik vermessen wer-den. Zudem wird untersucht werden, ob sich - z. B. bei der Aktivierung von Hirnregionen zum Lösen bestimmter Aufgaben - funktionelle Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen zeigen.
Noch immer bestimmen nach Ansicht der Freiburger Forscherinnen unbe-legte Annahmen über Geschlechtsunterschiede die Interpretation von Unter-suchungsergebnissen. Im Sinne eines feministischen Forschungsansatzes sollen die am Freiburger Hirnatlas abrufbaren Informationen deshalb ent-sprechende Hinweise auf alternative Deutungen sowie Theorie- und Metho-denhintergründe, die problematische Interpretationen leiten, enthalten.
Kontakt:________________________________
Dipl. Informatikerin Eva Schletz
Institut für Informatik und Gesellschaft,
Abt. für Modellbildung und soziale Folgen
Friedrichstr. 50, 79098 Freiburg
Tel. 07 61 / 2 03 - 49 54
Fax 07 61 / 2 03 - 49 60
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).