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08.11.2002 09:20

"Moderne Arbeit in der Gesundheitswirtschaft"

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Institut Arbeit und Technik fordert Initiativprogramm gegen akute Erkrankungen des Gesundheitswesens: denn Nachwuchsprobleme, Pflegekräfteknappheit und Ärztemangel sind hausgemacht

    Schon in naher Zukunft drohen im Gesundheitswesen massive Personalengpässe bei Ärzten und Pflegekräften. Das Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) fordert deshalb ein Initiativprogramm "Moderne Arbeit in der Gesundheitswirtschaft", um den akuten Nachwuchs- und Rekrutierungsproblemen gegenzusteuern. "Die Verbesserung von Einkommen und Arbeitsbedingungen ist längst fällig, aber auch ausgefallene und vor einiger Zeit noch umstrittene Instrumente wie Arbeitnehmerüberlassung zwischen Pflegediensten, modernes Qualitätsmanagement, die Anwerbung und Qualifizierung von ausländischem Pflegepersonal, flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung von früh bis spät müssen überlegt werden", schlägt Dr. Josef Hilbert, Leiter der Abteilung Dienstleistungssysteme am IAT, vor.

    Der Personalnachwuchs für die Kerntätigkeiten im Gesundheitswesen - Ärzte wie Pflegekräfte - geht seit zehn Jahren stetig zurück. In der Pflegeausbildung schrumpfte die Zahl der Schülerinnen und Schüler zwischen 1991 und 1999 um 6,5 Prozent, in der Krankenpflegehilfe kam es sogar zu Einbußen von 55,6 Prozent. Auch bei der Ärzteschaft zeigen sich akute Nachwuchsprobleme: Der Anteil der unter 35jährigen an allen berufstätigen Ärzten hat sich von 1991 bis 2000 geradezu dramatisch von 27,4 auf nur noch 18,8 Prozent reduziert.

    Die Ursachen der Nachwuchs- und Rekrutierungsprobleme sind nicht vom Himmel gefallen: Ein Grund sind die geringen Verdienstmöglichkeiten im Gesundheits- und Sozialwesen; selbst bei den Spitzengehältern für angestellte Ärzte und Pflegedienstleister liegen die Zuwachsraten deutlich unter dem Durchschnitt der Wirtschaft. Zudem gelten die Arbeitsbedingungen als überdurchschnittlich belastend. Lange und oft unregelmäßige Arbeitszeiten, Schichtdienst, hohe physische und psychische Belastung sind an der Tagesordnung und führen zu "Burn-Out-Problemen, häufigem Berufswechsel und einer hohen Rate von Berufsaussteigern. Einzelne Einrichtungen zahlen bereits "Kopfgelder" für die Vermittlung von Pflegekräften oder versuchen mit Vergünstigungen wie Jobtickets oder vergünstigten Essen Ärzte für sich zu gewinnen. "Insgesamt fehlt es aber an einer überzeugenden Strategie, wie auf die absehbaren Nachwuchs- und Rekrutierungsprobleme reagiert werden kann", kritisiert Hilbert.

    Zentral ist eine Aufwertung der Pflegetätigkeiten, nicht nur tarifpolitisch, sondern auch durch mehr Gestaltungsautonomie und Eigenverantwortung des Personals für effizientes und patientenorientiertes Arbeiten, durch verbesserte Arbeitsbedingungen und Einfluss auf die Arbeitszeiten. Das vom IAT entwickelte Programm "Neue Arbeit in der Pflege" sieht neue Methoden der Organisationsentwicklung, der Arbeitsorganisation und der Techniknutzung vor, um Produktivitätspotenziale zu erschließen und unnötige Belastungen zurück zu fahren. Im einzelnen sind das der Ausbau des überbetrieblichen Qualitätsmanagements, zusätzliche pflegenahe Dienste, die frei verkauft werden und zusätzliche Einnahmen schaffen, sowie die Vernetzung von ambulanten und stationären Pflegeangeboten mit benachbarten Diensten, um Gettoisierung zu verhindern und Ausgleichs- und Rotationsmöglichkeiten für das Personal zu schaffen.

    Das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung könnte hilfreich sein für Pflegedienste, um Krankheitsausfälle bei Mitarbeitern besser ausgleichen und Auftragsfristen geordnet abarbeiten zu können. Zudem lassen sich damit Rotationsmöglichkeiten für stark belastetes Personal schaffen und nicht zuletzt Freiräume für Fort- und Weiterbildung eröffnen. Den akuten Personalengpässen im Pflegebereich steht offenbar eine große "stille Reserve" gegenüber, deren Potenzial bislang nicht ausgeschöpft wird: Viele ältere Beschäftigte kehren dem Pflegeberuf den Rücken, weil sie mit den Belastungen am Arbeitsplatz nicht fertig werden. Aber auch junge Kranken- und Altenpflegerinnen zögern, nach einer "Babypause" in den Beruf zurück zu kehren, weil die prekären Arbeitszeiten kaum mit dem Angebot öffentlicher Kindergärten in Übereinstimmung gebracht werden können. Für diese Berufsgruppen gilt es akzeptable, sozialverträgliche Angebote zu schaffen, von der Entlastung älterer Pflegekräfte bis zur Kinderbetreuung zu Tagesrandzeiten.

    Hilbert freut sich, dass die Suche nach neuen Wegen zur Arbeitsgestaltung im Gesundheitswesen ein Thema in der Dienstleistungsoffensive des Bündnisses für Arbeit NRW wird und wird nach Kräften daran mitwirken, hier neue und tragfähige Lösungen zu finden und umzusetzen.

    Ausführlichere Informationen zum Thema "Moderne Arbeit in der Gesundheitswirtschaft" in der Studie: Hilbert, Josef / Fretschner, Rainer / Dülberg, Alexandra, 2002: Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft, S. 41 - 51, http://iat-info.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/hilbert02b.pdf


    Für weitere Fragen steht
    Ihnen zur Verfügung:
    Dr. Josef Hilbert
    Durchwahl: 0209/1707-120

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen
    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


    Weitere Informationen:

    http://iat-info.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/hilbert02b.pdf


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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