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08.11.2002 13:46

Leitlinien und Qualitätssicherung - Suchtmedizin

Dipl.Pol. Justin Westhoff Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS)

    Standards: Glanz und Elend in der Suchtmedizin
    Statement anlässlich der 11. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin von Dr. Jörg Gölz, Berlin, Vorsitzender der DGS

    Medizinische Diagnostik und Behandlung bedürfen systematisch entwickelter Entscheidungshilfen für angemessene ärztliche Handlungsweise. Dies ist aus vier Gründen notwendig:
    ° medizinische Effizienz (evidence based medicine und good clinical practice)
    ° juristische Beurteilbarkeit (Patientenschutz)
    ° ökonomische Effizienz (Kosten-Nutzen-Gesichtspunkt)
    ° Vergleichbarkeit von Daten als Basis für Forschung und damit medizinische Fortschritte

    Gerade bei komplizierten Krankheiten gibt es auch besonders viele ungeprüfte Verfahren. Die Standardisierung des ärztlichen Handelns (selbstverständlich mit einer individuellen therapeutischen Bandbreite) ist hier von besonderer Bedeutung. Dies gilt, wenn folgende Merkmale der Krankheit vorliegen:
    - kein einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
    - die Erkrankung zieht sich über mehrere Lebensabschnitte hin
    - zur Behandlung ist eine fachübergreifende Kooperation nötig.
    Suchterkrankungen sind der Prototyp dieser Erkrankungsformen. In der deutschen Suchtmedizin fehlen aber zum Teil immer noch wissenschaftlich fundierte Leitlinien. Wie auf anderen Gebieten der Medizin auch wird viel über Geld und zu wenig über die bestmögliche Qualität der Prävention und Versorgung geredet. International hingegen ist die Entwicklung von Qualitätsmaßstäben ebenso wie die Qualifizierung von Ärzten, die Suchtkranke behandeln, weiter fortgeschritten. Klar ist dabei, dass der Vermeidung von Folgeschäden ("harm reduction") größte Bedeutung sowohl für Betroffene als auch für die Sozialversicherungssysteme zukommt.

    Mehrere Wissenschaftsdisziplinen tragen aus ihrem Blickwinkel Teilaspekte zum Thema Sucht bei - kein Fach kann den Vorrang beanspruchen. Jede Disziplin schlägt unterschiedliche Verfahren zur Prävention und Therapie vor. Im Bereich der illegalen Drogen kommt erschwerend hinzu, dass der Gesetzgeber mit Prohibitionsmaßnahmen den Behandlungsprozess zusätzlich nichtmedizinischen Auflagen unterwirft. Insgesamt haben wir es bei der Behandlung von Suchterkrankungen mit einem Geflecht komplizierter Bedingungen zu tun, die dringend einer Ordnung durch Leitlinien bedürfen.
    Das Spektrum der angebotenen Therapieverfahren ist extrem umfangreich:
    - von religiöser Erweckung über obskure Therapien bis hin zu paramilitärischen Erlebnistherapien und sadistischen Ritualen in fernöstlichen Klöstern;
    - überwiegend psychotherapeutische Ansätze, reine Soziotherapie oder rein medikamentös gestützte Interventionen;
    - von der staatlich kontrollierten Vergabe des Suchtmittels bis hin zu hirnchirurgischen Eingriffen (ehemalige Sowjetunion);
    - auch innerhalb der einzelnen (durchaus auch der anerkannten) Therapierichtungen ist das konkrete therapeutische Handeln oft von hoher Beliebigkeit; die Vorgaben sind dort nicht selten sehr vage gehalten.

    Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin hat sich zum Ziel gesetzt, Standards zu formulieren. Ohne solche Qualitätsmaßstäbe ist ein internationaler Vergleich ebenso unmöglich wie ein Anschluss Deutschlands an die internationale Suchtforschung. Zwei Beispiele für die Arbeit der DGS:

    * Eine zusätzliche Infektion mit dem Erreger der Hepatitis C oder dem AIDS-Auslöser HIV führt zu schweren Erkrankungen mit manchmal tödlichen Komplikationen, zur weiteren Verelendung der Suchtkranken und zu erheblichen Belastungen für Gesundheitswesen und Volkswirtschaft. Als erste Fachgesellschaft in Deutschland hat die DGS Leitlinien vorgeschlagen, um eine genauso gute Behandlung von infizierten Suchtkranken wie von anderen Menschen mit HIV oder HCV zu erreichen
    (siehe auch DGS-Pressedienst: "Ende des therapeutischen Nihilismus" vom 17.8.02, u.a. unter: www.mwm-vermittlung.de/aktuelles.html)

    * Der Geschäftsführer der DGS, Prof. Michael Krausz (Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg) ist wissenschaftlicher Leiter des von Bundesregierung und Ländern unterstützten Modellprojektes zur ärztlichen Heroinabgabe an Suchtkranke. Das Projekt ist in seine konkrete Phase eingetreten. So hat der 2. Vorsitzende der DGS, Dr. Klaus Behrend, jüngst in Hamburg die größte Ambulanz innerhalb des Heroinprojektes eröffnet.Ž
    (näheres siehe: www.dgsuchtmedizin.de/)

    Beim 11. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin in Berlin vom 8. bis zum 10. November 2002 werden die Behandlungsstandards suchtmedizinischer Versorgung sowohl im Hinblick auf körperliche als auch auf psychische Begleiterkrankungen diskutiert. Dazu werden internationale Studien und Erfahrungen vorgestellt.
    Zu den "Tabuthemen" gehört zum Beispiel auch die Schmerztherapie bei den in dieser Hinsicht völlig allein gelassenen Suchtpatienten.

    Insgesamt bildet die Heroinsucht zwar einen Schwerpunkt, genauso aber geht es zum Beispiel um Alkohol-, Nikotin- oder Kokain-Abhängigkeit.


    Weitere Informationen:

    http://www.mwm-vermittlung.de/aktuelles.html
    http://www.dgsuchtmedizin.de/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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