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23.10.2002 00:00

Alfried Krupp-Förderpreis an Heidelberger Biophysiker Prof. Joachim P. Spatz

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Alfried Krupp-Förderpreis für junge Hochschullehrer ist mit 500 000 Euro dotiert - 32 Jahr alter Wissenschaftler vom Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg erhielt den Preis für seine Untersuchungen zu den physikalischen Eigenschaften von Zellen

    Prof. Joachim P. Spatz, 32, wurde im Alter von 30 Jahren auf die Professur für Biophysikalische Chemie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg berufen. Seine akademische Laufbahn begann mit dem Studium der Physik an der Universität Ulm. Nach vierjährigem Studium und Forschungsaufenthalten an der University of Houston, Texas, und der Colorado State University promovierte er innerhalb von zwei Jahren am Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie der Universität Ulm. In seiner Dissertation und Habilitation entwickelte er wichtige neue Methoden zur Nanostrukturierung von Oberflächen. Während eines Forschungsaufenthaltes am renommierten Institut Curie in Paris begann Spatz seine Forschungen über biophysikalische Fragestellungen, die er an der Universität Heidelberg intensiv weiterbetreibt. Insbesondere verfolgt er hierbei interdisziplinäre Konzepte, wobei er neue Materialien als Werkzeuge zur Erforschung biologischer und biophysikalischer Fragestellungen einsetzt.

    Im Mittelpunkt der Forschung von Professor Joachim Spatz steht die Frage, wie physikalische Prinzipien die Mikro-Architektur und die damit verbundene Funktion biologischer Systeme regulieren. Um dieser Frage nachzugehen, sind aufeinander abgestimmte Experimente notwendig, welche die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften von Zellen, Zellgewebe und mimetischer Modelle der Zelle ermöglichen. Dabei spielt die unkonventionelle Entwicklung von mikro- und nanostrukturierten Materialien eine zentrale Rolle. Einerseits beeinflussen diese Materialien die Mikro-Architektur, die mechanischen und die chemo-mechanischen Eigenschaften von Zellen; andererseits ermöglichen sie deren präzise Messung.

    Mechanische und chemo-mechanische Prozesse sind bei Zellen häufig so miteinander verbunden, dass sie einen Einfluss auf eine Vielzahl von Eigenschaften der Zellen haben, die von lebenswichtiger Bedeutung sein können. Ein Beispiel hierfür ist die Adhäsion, das "Ankleben" von Zellen. Adhäsionskontakte bei der Zell-/Zell- und Zell-/ Gewebe-Wechselwirkung stellen die Verbindungsstelle zwischen der Innen- und der Außenseite einer Zelle dar. Mittels dieser Kontakte werden Informationen zwischen dem Innen- und dem Außenraum über biochemische und mechanische Wechselwirkungen ausgetauscht. Beispiele für die Bedeutung des Verständnisses der Mechanik und Chemo-Mechanik des Adhäsionskontaktes von Zellen findet man bei Differenzierungsvorgängen von Stammzellen oder bei Krebszellen. Krebszellen lösen bei einem Metastasierungsvorgang ihre Adhäsion zu einem Zellverband und durchdringen mikrometergroße Poren des Gewebes. Die Regulation des Bluthochdrucks basiert auf mechano-sensitiven Gefäßzellen, die durch den Ausstoß von Stickstoffmonoxid aufgrund eines zu hohen Drucks in den Gefäßen die mechanische Spannung des Gefäßes umgebender Muskelzellen regulieren.

    Der Anheftungspunkt einer Zelle an ein Gewebe wird durch eine sehr komplexe Aggregation unterschiedlicher Proteine in der Zellmembran beschrieben. Die Größe, die Zusammensetzung und die Anordnung dieser Aggregate spielen eine wesentliche Rolle bei der Weiterleitung von Signalen in das Zellinnere und -äußere. Mittels der Mikro- und der Nano-Strukturierung von Zelladhäsions-Grenzflächen gelingt die Kontrolle dieser Aggregationsphänomene in der Zellmembran bis hin zu einzelnen Proteinen und das Messen daran wirkender Kräfte. Für die Kontrolle einzelner Proteine in Kontakt mit einer Zelle musste eine Strukturierungstechnologie entwickelt werden, die es ermöglicht, kleinste Anker für einzelne Proteine auf einer Oberfläche gezielt zu organisieren. Diese Nanotechonolgie basiert auf dem Verständnis der Selbstorganisation synthetischer Polymere an Grenzflächen - der Plattform, auf welche sich die Zellen dann anheften. Hiermit lassen sich die Strukturdimensionen auf Substraten von einem Nanometer bis in den Mikrometerbereich darstellen. Prinzipiell steht damit ein Werkzeug zur Verfügung, das chemische und strukturelle Modifikationen von Oberflächen in nahezu jeder Dimension ermöglicht.

    Die bei der Anheftung von Zellen an ein Gewebe wirkenden Kräfte (Adhäsionskräfte) können mittels mikrolithographisch hergestellter Kraftsensoren quantitativ erfaßt werden. Aus der zu messenden Verbiegung von Silizium-Stäbchen mit definierter Festigkeit werden die an den einzelnen Adhäsionskontakten angreifenden Kräfte bestimmt. Dieses Werkzeug kann als künstliches Gewebe betrachtet werden, das es ermöglicht, die durch Zellen bei der Durchdringung des Gewebes vermittelten Kräfte zu quantifizieren - also auch die Kräfte, die bei der Bewegung von Krebszellen durch das menschliche Gewebe von Bedeutung sind (Metastasierung). Zur Korrelation der Struktur einer Zelle zu deren mechanischen Eigenschaften wurden Experimente entwickelt, welche die quantitative Erfassung der viskoelastischen Eigenschaften einer einzelnen Zelle und die Abbildung deren intrazellulärer Mikrostruktur ermöglichen.

    Die Zell-Mimetik, also das Nachahmen einzelner Zellkomponenten, herausgelöst aus einer lebenden Zelle, ermöglicht Untersuchungen, die in der komplexen Umgebung einer Zelle nicht zugänglich sind. Beispielsweise ist es Joachim Spatz und seinem Team gelungen, auf mikrostrukturierten Grenzflächen den Aufbau und die Organisation des Aktin Cortex nachzubauen, der das mechanische Gerüst einer Vielzahl von Zellen darstellt. Die Untersuchung der mechanischen Eigenschaften des Aktin Cortex ist Bestand aktueller Forschungsarbeiten in seiner Gruppe. In diesen zweidimensionalen Netzwerken können in Zukunft wichtige Transportvorgänge molekularer Motoren quantitativ erforscht oder die elastischen Eigenschaften des Netzwerkes bzw. dessen Wirken auf externe Kräfte ortsaufgelöst sehr genau dokumentiert werden. Das mechanische und chemo-mechanische Verständnis des Aktin Cortex wird die Reaktion von Zellen auf äußere Einflüsse verständlicher gestalten und dadurch kontrollierbar machen.

    Der Alfried Krupp-Förderpreis, der von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung seit 1986 vergeben wird, soll junge Hochschullehrer in die Lage versetzen, unabhängig von öffentlichen Geldern ihre wissenschaftliche Arbeit voranzutreiben, ihre Forschungsarbeitsgruppen auszubauen und sich für ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit ein besser ausgestattetes Umfeld zu schaffen.

    Rückfragen bitte an:
    Prof. Dr. Joachim P. Spatz
    Physikalisch-Chemisches Institut der Universität Heidelberg
    Tel. 06221-544942, Fax 544950
    joachim.spatz@urz.uni-heidelberg.de

    Rückfragen von Journalisten auch an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

    Irene Thewalt
    Pressestelle der Universität Heidelberg
    Tel. 542311
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

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