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12.11.2002 14:18

TU-Professor Gert G. Wagner begrüßt Bundesratsbeschluss

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Tabakrauchen gehört zu unserer Kultur und man sollte es trotz seiner gesundheitsschädlichen Wirkung nicht gänzlich verbieten. Ein gravierendes Problem ist freilich, dass vom Rauchen - selbst wenn es im "stillen Kämmerlein" erfolgt - "negative externe Effekte" ausgehen, da Nichtraucher sich belästigt fühlen können und Passivrauchen auch gesundheitsgefährdend ist. Deswegen ist es vernünftig, dass der Bundesrat letzte Woche beschlossen hat, dass zur Leichtfertigkeit verführende Handelsbezeichungen wie "Light" für Zigaretten verboten werden. Außerdem muss auf Packungen deutlich zu lesen sein: "Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erhebliche Schäden zu". Noch besser wäre es, wenn auf die Schäden, die Kinder davontragen können, auch explizit hingewiesen würde. Denn Eltern, die Zuhause rauchen, "vererben" diese Verhaltensweise offenbar - gewollt oder ungewollt - an ihre Kinder, die sich aufgrund des Suchtcharakters des Zigarettenrauchens dann im Grunde nicht mehr frei entscheiden können. Besonders deutlich wird dieses Problem, wenn man eine Mutter im Auto sieht, die ihr Baby - vorschriftsmäßig und vernünftig - im Kindersitz angeschnallt hat, gleichzeitig ihm aber Tabakqualm ins Gesicht bläst.

    Mit jüngsten Daten der Längsschnittstudie "Sozio-oekonomisches Panel" (SOEP), die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin beheimatet ist, wurde untersucht, wie die Zusammenhänge zwischen Rauchen der Eltern und ihrer 16- bis 19-jährigen Jugendlichen ist. In dieser Altersgruppe raucht insgesamt mehr als ein Drittel der Mädchen und Jungen. Das ist mehr als in der Gesamtbevölkerung, bei der der Anteil etwas kleiner ist, weil ungefähr jeder Fünfte der Erwachsenen das Rauchen aufgegeben hat.

    Wenn die Eltern von 16- bis 19-jährigen Kindern nicht rauchen, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mädchen oder Junge raucht, nur etwa 20 Prozent. Wenn entweder der Vater oder die Mutter raucht, steigt das Risiko bei den Kindern auf das Doppelte, nämlich 40 Prozent. Rauchen beide Elternteile, dann rauchen 45 Prozent der Kindern. Das heißt, dass bereits ein schlechtes Vorbild in der Familie ausreicht, das Risiko des Tabakrauchens zu verdoppeln. Besonders kraß ist das schlechte Vorbild alleinerziehender Mütter: zwei Drittel ihrer Kinder rauchen.

    Die Untersuchung zeigt auch, dass das außerfamiliäre Umfeld eine Rolle spielt. Treibt ein Jugendlicher regelmäßig Sport, halbiert sich sein Risiko, zur Zigarette zu greifen. Die - allerdings kleine Gruppe - der regelmäßigen Gottesdienstbesucher hat sogar nur ein Drittel des normalen Risikos.

    Neben einem expliziten Hinweis, dass man Kinder durch Rauchen nicht nur direkt, sondern auch indirekt lebenslang schädigen kann, könnte eine noch höhere Tabaksteuer im Interesse von Kindern gerechtfertigt werden, wenn dadurch weniger geraucht und damit auch weniger Eltern zu einem schlechten Vorbild werden. Da eine sehr hohe Tabaksteuer aber Schwarzmärkte für Zigaretten - und die damit zwangsläufig verbundene Kriminalität - fördern würde, kann die Steuerschraube nicht beliebig angezogen werden. Deswegen sind pädagogische Maßnahmen notwendig. An erster Stelle könnte ein totales Werbeverbot für Zigaretten und Tabak stehen. Aufklärungsunterricht - nicht nur für Kinder, sondern auch für angehende Eltern - wäre ebenfalls sinnvoll. Am besten ist eine gute Allgemeinbildung geeignet, Eltern und Kinder zu einem vernünftigen Verhalten zu bringen. Denn bei gut Gebildeten ist Zigarettenqualm längst nicht mehr ein Zeichen für "Selbstbestimmung und Freiheit", sondern ein Stigma.
    Gert G. Wagner

    Gert G. Wagner ist Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin, Mitglied im Berliner Zentrum für Public Health (BZPH) und im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Verbraucherschutz.

    Bei Nachfragen: Tel.: 030/89789-290, Fax: -109, E-Mail: g.wagner@ww.tu-berlin.de


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-berlin.de/presse/pi/2002/pi230.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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