Der "Turbo-Kat" für neue Kunststoffe
Chemnitzer Chemiker beschleunigen die Wirkung von Katalysatoren
Ob als Joghurtbecher oder als Computergehäuse, ob als Autostoßstangen oder als CDs: Kunststoffe sind allgegenwärtig. Längst können wir nicht mehr auf sie verzichten, auch wenn Naturschützer ökologische Probleme sehen, etwa weil Plastik nicht verrottet. Rund 80 Millionen Tonnen wurden allein im vergangenen Jahr weltweit hergestellt, dabei sind Kunstfasern und synthetischer Kautschuk nicht einmal mitgezählt. Auch für unsere Wirtschaft sind Kunststoffe überaus wichtig: der deutsche Anteil am Weltmarkt liegt bei etwa einem Achtel.
Kunststoffe bestehen aus langen Ketten sehr großer Moleküle. Sie werden aus sehr einfachen Molekülen hergestellt, wie etwa aus Ethen oder Propen, zwei farblosen Gasen. In diesen sind die Kohlenstoffatome zweifach miteinander verbunden. Bei der Herstellung solcher Kunststoffe wird eine dieser Bindungen gelöst und kann sich dann mit der Bindung des benachbarten Moleküls zusammentun. Die Chemiker bezeichnen diesen Vorgang als Polymerisation.
So einfach, wie es sich anhört, funktioniert dieser Vorgang freilich nicht. Dafür waren früher hohe Drücke und hohe Temperaturen nötig. Doch in den fünfziger Jahren fand der deutsche Chemiker Karl Ziegler Katalysatoren, die eine Polymerisation von Ethen auch bei normalem Druck und Zimmertemperatur ermöglichen. Solche Katalysatoren - dank des Auto-Kat weiß es mittlerweile fast jeder - sind Stoffe, die eine chemische Reaktion beschleunigen. Dabei verbrauchen sie sich jedoch nicht. Sie können also - manchmal nach entsprechender Aufbereitung - immer wieder verwandt werden. 1963 erhielten Ziegler und der italienische Chemiker Giulio Natta, der etwa zur gleichen Zeit Katalysatoren für Propen gefunden hatte, für ihre Entdeckungen den Chemie-Nobelpreis. Wegen der enormen Kosteneinsparungen machte dies eine Verwendung von Kunststoffen in großem Stil überhaupt erst möglich.
Jetzt arbeiten Chemnitzer Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Anorganische Chemie unter Prof. Heinrich Lang an neuartigen Katalysatoren, die die Wirksamkeit der bisherigen noch einmal um das zehn- bis hundertfache übertreffen und ganz neue, maßgeschneiderte Kunststoffe möglich machen. Mehr noch: Da außerdem ein sogenannter Co-Katalysator.zugesetzt wird, ein Stoff, der die Wirkung des Katalysators noch einmal erhöht, läßt sich die Aktivität bis zum zehntausendfachen steigern. Verständlich, das dies auch die chemische Industrie auf den Plan lockt: die deutsche Bayer AG und die belgische Petrofina fördern die Chemnitzer Forschungen schon seit Jahren.
Die neuen Katalysatoren hören auf den Namen Metallocene. Darunter versteht man Stoffe, bei denen ein Metallatom zwischen zwei ringförmigen organischen Molekülen gleichsam eingeklemmt ist wie ein Hamburger zwischen zwei Brötchenhälften. Entdeckt wurde die erste Verbindung dieser Art, das Eisen enthaltende Ferrocen, bereits 1951, doch wird man sich erst jetzt der enormen Möglichkeiten dieser Stoffgruppe bewußt. In Chemnitz benutzt man als Metalle das aus der Raumfahrttechnik bekannte Titan, einen seiner Verwandten, das Zirkonium, und das erst 1923 entdeckte Hafnium. Diese liegen entweder als Cyclopentadienyl-, als Indenyl- oder als Fluorenyl-Metall-Komplexe vor. Als Co-Katalysator dient eine Aluminiumverbindung mit Namen Methylaluminoxan (MAO). Komplizierte Namen, gewiß, aber Chemiker müssen nun einmal hundertausende verschiedener Stoffe benennen und unterscheiden können, und da geht es nicht ohne.
Was die Chemnitzer Metallocene so einzigartig macht: Ihr Aufbau läßt sich einfach verändern, so daß sich ihre Katalysatoreigenschaften gezielt auf bestimmte Kunststoffe einstellen lassen. Polyethylene und Polypropylene - so der wissenschaftliche Name für Plastiktüten und Zahnputzbecher - besitzen nämlich an jedem Kohlenstoffatom noch entweder Wasserstoffatome oder sogenannte Methylgruppen. Die sind etwa wie die Zähne eines Kamms ausgerichtet. Mit den neuen Katalysatoren ist es nun möglich, deren Anordnung gezielt zu steuern und dadurch die Eigenschaften der Kunststoffe zu verbessern. Wechselt sich die Ausrichtung der Zähne nämlich regelmäßig ab (eins oben, eins unten, usw., Fachwort: syndiotaktisch), so entstehen Kunststoffe mit kristallähnlichen Eigenschaften, die einen besonders hohen Schmelzpunkt besitzen und auch ungewöhnlich formbeständig sind. Auch ataktische Kunststoffe, das sind solche, bei denen die Ausrichtung der Zähne unregelmäßig, lassen sich jetzt leichter herstellen. Diese ataktischen Kunststoffe ähneln in ihren Eigenschaften dem Naturkautschuk. Außerdem werden auch sogenannte Co-Polymere möglich, in denen sowohl Ethen- als auch Propenbausteine vorkommen. Solche Stoffe sind lichtdurchlässig und ebenfalls sehr elastisch.
(Autor: Hubert J. Gieß)
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Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Institut für Chemie, Straße der Nationen 62, 09107 Chemnitz, Prof. Heinrich Lang, Tel. 0371/531-1673, Fax 0371/531-1833, E-Mail: heinrich.lang@chemie.tu-chemnitz.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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