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20.11.2002 16:34

Medizintechnische Preise des Bundesministeriums

Dr. Johannes Ehrlenspiel Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Rund zwei Millionen Euro Preisgeld übergab das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF heute auf der Messe MEDICA in Düsseldorf an elf Forschungsgruppen. Am "Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik" beteiligten sich auch fünf Fraunhofer-Institute. Die prämierten Themen: das Schleudertrauma objektiv nachweisen, Herzklappen minimalinvasiv implantieren, ein schneller und hochempfindlicher Drogentest, epileptische Anfälle früh erkennen sowie eine künstliche Harnblase.

    Schleudertrauma mit VR-Techniken erkennen
    Täglich erleiden etwa 550 Menschen in Deutschland durch Auffahrunfälle ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule - lang anhaltende Kopfschmerzen sind oft die Folge. Wenn Therapien und Schmerzensgeldforderungen anstehen, muss die innere Verletzung durch einen Arzt begutachtet werden. Dabei ist er jedoch auf die Aussagen des Patienten und Tastbefunde angewiesen. Bildgebende Verfahren wie Röntgen- und Kernspintomographie werden zwar auch eingesetzt - sie eignen sich jedoch nur für weniger als fünf Prozent der Fälle mit strukturellen Schäden.

    Um die "Diagnose Schleudertrauma" sicherer und objektiver als bisher stellen und den Grad der Verletzung einordnen zu können, entwickeln Unfallchirurgen der Universität Ulm mit Computerspezialisten des Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt ein neues VR-System. Sein Prinzip erklärt der Mathematiker Ulrich Bockholt: "Bei unserer Methode taucht der Patient in die virtuelle Realität ein. Über einen Helm mit integriertem Monitor sieht er beispielsweise den Flug eines Schmetterlings. Verfolgt er ihn, so muss er auch den Kopf drehen - Sensoren im Helm registrieren Position und Orientierung. Andere ermitteln gleichzeitig die Anspannung der Nackenmuskulatur. Diese Daten steuern wiederum den Schmetterling, damit Überbeanspruchungen vermieden werden. Der Computer analysiert die Daten und erkennt so schmerzhafte Bewegungen."

    Ansprechpartner:
    Abteilung für Unfallchirurgie der Universität Ulm
    Dr. Michael Kramer
    Steinhövelstraße 9
    89075 Ulm
    Telefon 07 31 / 5 00 27-2 58, Fax -3 49, michael.kramer@medizin.uni-ulm.de

    Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD
    Abteilung Visualisierung und Virtuelle Realität
    Ulrich Bockholt
    Fraunhoferstraße 5
    64283 Darmstadt
    Telefon 0 61 51 / 1 55-2 77, Fax -1 96, bockholt@igd.fraunhofer.de
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    Herzklappe wie einen Regenschirm entfalten
    Besonders für alte und schwache Patienten kann eine lange und schwere Herzoperation am offenen Brustkorb gefährlich werden. Mit einem preisgekrönten Verfahren wird die neue Aortenklappe bald minimalinvasiv über die Leistenschlagader eingesetzt. Um eine knapp drei Zentimeter große Perikard-Klappe im Katheter durch die Ader schieben zu können, muss sie mit der Gefäßstütze (dem Stent) auf etwa sieben Millimeter zusammengefaltet werden. Die komplizierte Struktur des Stents modellierten und optimierten Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF zunächst im Rechner und dann in Labortests. Das Ergebnis ist ein ziehharmonikaähnliches Geflecht aus einem Memory-Metall, das sich bei Temperaturerhöhung versteift und die neue Klappe wie einen Regenschirm aufspannt. Dank Widerhäkchen und der geometrischen Struktur krallt sich der Stent mit der Klappe an der Gefäßwand fest. So kann die Prothese an der richtigen Stelle sicher platziert werden - Reste der alten Klappe werden an die Wand gedrückt.

    "Die Prototypen sind fertig und in den vergangenen zwei Jahren haben wir die Implantations- und Kathetertechnik verfeinert", erklärt Dr. Thomas Peschel vom IOF. Das Kardiologenteam der Uniklinik in Jena konnte an Tieren bereits zeigen, dass sich die Herzklappenprothese über die Schlüsselbeinarterie zuverlässig im Herzen einsetzen lässt und dort wie eine natürliche Aortenklappe arbeitet. Damit jedoch das System aus Stent, gefalteter Klappe und Spezialkatheter durch die vergleichsweise dünne Beinarterie geführt werden kann, muss das Verfahren noch weiterentwickelt werden. Nach Tierversuchen kann mit ersten klinischen Studien am Menschen in zwei Jahren gerechnet werden.

    Ansprechpartner:
    Klinik für Innere Medizin III der Universität Jena
    Prof. Dr. Hans-Reiner Figulla und Dr. Dr. Markus Ferrari
    Erlanger Allee 101
    07740 Jena
    Telefon 0 36 41 / 9 39-1 38, Fax -3 63, hans.figulla@med.uni-jena.de

    Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF
    Dr. Thomas Peschel
    Schillerstraße 1
    07745 Jena
    Telefon 0 36 41 / 8 07-3 35, Fax -6 04, peschel@iof.fraunhofer.de
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    Präzise, biochemische Drogenfahndung
    In Blut, Urin oder Haaren können Drogen und Betäubungsmittel im Speziallabor mit verschiedenen etablierten Verfahren innerhalb von Stunden oder Tagen nachgewiesen werden. Im Notfall, wie bei Vergiftungenund Verhaftungen, bleibt oft jedoch keine Zeit, das Laborergebnis abzuwarten. Hilfreich sind für Notärzte und Polizei daher Schnelltests: Teststreifen zeigen rasch an, ob und welche Betäubungsmittel konsumiert wurden. Doch leider sind deren Zuverlässigkeit und Empfindlichkeit gering.

    Deshalb schlagen Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT und den Projektpartnern EnviteC und EKF Diagnostic vor, ein auf Biochips basierendes Verfahren zu etablieren. Damit überzeugten sie die Jury des diesjährigen "Innovationswettbewerbs zur Förderung der Medizintechnik". Nun erhalten sie die notwendigen finanziellen Mittel, um innerhalb der kommenden zwei Jahre ihr neues Testverfahren zu erproben, das Betäubungsmittel schon in geringsten Mengen aus Speichelproben schnell und sicher erkennen kann.

    "Unsere Messlatte ist delta9-THC", weiß Dr. Frank Bier, Leiter der Abteilung Molekulare Bioanalytik und Bioelektronik am IBMT. "Dieser psychogene Wirkstoff des Cannabis ist in Speichelproben extrem schwer nachweisbar, denn die Substanz ist nahezu wasserunlöslich und neigt sehr dazu, an Oberflächen von Analysegeräten zu haften." Die von den Forschern mit ihrem Verfahren angestrebte Nachweiskonzentration beträgt vier Nanogramm des Cannabinoids pro Milliliter Speichel. Dies bedeutet bildhaft, eine Stecknadel in einem Haufen aus über vier Milliarden Strohhalmen zu finden. Seriöser gesprochen ist es ein Grenzwert der US-amerikanischen Behörde Substance Abuse and Mental Health Service Administration.

    Nachgewiesen werden sollen solch geringe Mengen mithilfe von Antikörpern und Nanopartikeln auf dem Biochip. Sie fixieren THCMoleküle in ausreichender Menge. Ein mobiles Lesegerät erkennt dann, ob und wie viel des gesuchten Wirkstoffs die Probe enthält. Neben seiner hohen Empfindlichkeit verspricht das Biochipsystem weitere Vorteile: Anders als mit den heute üblichen Teststreifen, kann in den Proben nach bis zu hundert verschiedenen Wirksubstanzen oder Betäubungsmitteln gleichzeitig gefahndet werden.

    Ansprechpartner:
    Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT
    PD Dr. Frank F. Bier und Dr. Nenad Gajovic-Eichelmann
    Arthur-Scheunert-Allee 114-116
    14558 Bergholz-Rehbrücke
    Telefon 03 32 00 / 88-3 50, Fax -4 52, frank.bier@ibmt.fraunhofer.de, nenad.gajovic@ibmt.fraunhofer.de

    EnviteC-Wismar GmbH
    Dr. Stephan Fellner
    Alter Holzhafen 18
    23966 Wismar
    Telefon 0 38 41 / 3 60-3 04, Fax -2 22, s.fellner@envitec.com

    EKF Diagnostic
    Dr. Christa Dumschat
    Ebendorfer Chaussee 3
    39179 Barleben
    Telefon 03 92 03 / 7 85-20, Fax -16, christa.dumschat@EKF-diagnostic.de
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    Epileptische Anfälle früh erkennen
    Epilepsie hat viele Gesichter. Die Symptome reichen vom kurzzeitigen Bewusstseinsverlust bis zu Anfällen mit Verkrampfungen und Stürzen, die zu schweren Verletzungen führen können. Allein in Deutschland leiden mehr als 640 000 Menschen darunter und bei rund einem Viertel wirken Medikamente und chirurgische Eingriffe kaum oder nicht. Ein großes Rätsel ist auch, wann ein epileptischer Anfall auftritt. Immerhin ist bekannt, dass mathematische Analysen der Elektroenzephalogramme (EEG) einen Anfall vorhersagen können, bevor sich erste, direkt sichtbare Anzeichen manifestieren. Die betroffenen Hirnregionen zeigen synchrone elektrische Entladungen der Nervenzellen, die für das normal arbeitende Gehirn untypisch sind.

    Mit dieser Vorwarnzeit von einigen Sekunden ergeben sich neue Möglichkeiten, um Ursachen der Erkrankung zu erforschen und Therapien zu entwickeln. "Ein wesentlicher Punkt der kommenden Arbeiten ist es, die mathematischen Algorithmen zur Anfallserkennung zu verbessern", erklärt Professor Felix Rosenow, Projektleiter an der Klinik für Neurologie in Marburg. "Gemeinsam mit dem Epilepsiezentrum in Kork und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart versuchen wir sicherzustellen, dass unser System keinen Fehlalarm auslöst, sondern epileptische Anfälle sicher erkennt." Ein Arbeitspaket des Marburger Teams ist ein elektrischer Stimulationsmechanismus, der den Anfall möglichst schnell unterbricht.

    Um die Experimente durchführen zu können, müssen Wissenschaftler am IPA eine echtzeitfähige Hard- und Softwarearchitektur auswählen und implementieren. Sie misst und analysiert nicht nur die neuronale Aktivität, sondern wird zugleich komplexe Regelungen vornehmen. Die damit gewonnenen experimentellen Erkenntnisse fließen in neue technische Anforderungen und Konzepte für eine kommende Phase des Projekts ein: Damit sich das System EpiBloc leicht implantieren lässt, muss es weiter miniaturisiert werden.

    Nach den Vorarbeiten rechnen die Forscher damit, dass in rund fünf Jahren erste Patienten vom implantierbaren EpiBloc profitieren. Die Lebensqualität und Sicherheit der Betroffenen wird dann - ohne dass sie den Anfall überhaupt wahrnehmen - beträchtlich gesteigert.

    Ansprechpartner:
    Interdisziplinäres Epilepsiezentrum EZM am Klinikum der Philipps-Universität Marburg
    Prof. Dr. med. Felix Rosenow
    Rudolf-Bultmann-Straße 8
    35039 Marburg
    Telefon 0 64 21 / 28-6 53 48, Fax -6 52 28, rosenow@med.uni-marburg.de

    Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
    Dipl.-Ing. Jan Stallkamp
    Nobelstraße 12
    70569 Stuttgart
    Telefon 07 11 / 9 70-13 08, stallkamp@ipa.fraunhofer.de
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    Künstliche Harnblase auf dem Weg zur Marktreife
    Rund 18 000 Menschen erkranken allein in Deutschland jedes Jahr an Blasenkrebs. Um das Leben des Patienten zu retten, muss die Blase oft entfernt werden. In einer aufwendigen Operation kann anschließend eine Ersatzblase aus Dünn- oder Dickdarmgewebe aufgebaut werden. Allerdings sind Komplikationen wie Inkontinenz so häufig, dass weltweit nach einer künstlichen Alternative gesucht wird.

    Das hierin führende Wissenschaftlerteam leiten Professor Helmut Wassermann von der Fachhochschule München und Professor Dieter Jocham von der Universitätsklinik Lübeck. Die künstliche Harnblase besitzt die Form einer Kapsel mit zwei implantierbaren Komponenten und einer, die außerhalb des Körpers bleibt. Sobald die Kunstblase gefüllt ist, macht sie sich durch Vibrieren bemerkbar. Dieser Vibrator befindet sich zusammen mit einer Steuerung für die kontrollierte Entleerung außerhalb der Kapsel unter der Haut. Der Patient steuert die Entleerung und lädt von Zeit zu Zeit den implantierten Energiespeicher durch ein externes Gerät an seinem Unterbauch.

    Der Arbeitsplan für die kommenden zwei Jahre: Innen- und Außenhülle aus Kunststoff müssen ebenso auf ihre Verträglichkeit getestet werden wie die verwendeten Biomaterialien. Ingenieure müssen sicherstellen, dass technische Bauteile wie Antriebe, Ventile und Sensoren zuverlässig arbeiten und aufeinander abgestimmt werden. Die Mediziner der Universität Lübeck werden sich auf das Operationsverfahren konzentrieren, um eine optimale Verbindung zwischen Harnleitern, der Harnröhre und den Implantatwerkstoffen zu gewährleisten.

    Auch die Vermarktung bringt einige Arbeit mit sich. Die Fraunhofer-Patentstelle für die Deutsche Forschung PST unterstützt die Erfindung im Auftrag des BMBF nicht nur durch finanzielle Förderung im Vorfeld. "Gerade bei medizintechnischen Produkten, die auf dem Markt eingeführt werden sollen, ist der Aufwand sehr hoch", betont der Mediziner und Ingenieur Gerhard Rall, der die Erfindung seit der Patentanmeldung betreut. "Wenn die Entwicklung abgeschlossen ist, steht die Zulassung an - und gerade sie geht mit vielen aufwendigen Dokumentationen einher. Am Ende soll ein Unternehmen gegründet oder zumindest einem bereits produzierenden eine Lizenz erteilt werden."

    Durch das Preisgeld des Innovationswettbewerbs kann das Ziel, in den kommenden Jahren einen in Menschen implantierbaren Prototypen in Händen zu halten, nun zügig vorangetrieben werden.

    Ansprechpartner:
    Fachhochschule München
    Prof. Dr. Helmut Wassermann
    Lothstraße 34
    80335 München
    Telefon 0 89 / 12 65-29 03, wassermann@ee.fhm.edu

    Universitätsklinikum Lübeck / Klinik und Poliklinik für Urologie
    Prof. Dr. Dieter Jocham
    Ratzeburger Allee 162
    23558 Lübeck
    Telefon 04 51 / 5 00-22 90, Fax -33 38, jocham@medinf.mu-luebeck.de

    Fraunhofer-Patentstelle für die Deutsche Forschung PST
    Gerhard Rall
    Leonrodstraße 68
    80636 München
    Telefon 0 89 / 12 05-1 68, Fax -1 24, gerhard.rall@pst.fraunhofer.de
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    Projektträger des BMBF:
    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR / Gesundheitsforschung
    Dr. Karin Lohmann
    Südstraße 125
    53175 Bonn
    Telefon 02 28 / 38 21-2 26, Fax -2 57, karin.lohmann@dlr.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bmbf.de/210_5105.html
    http://www.fraunhofer.de/presseinfo


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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