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21.11.2002 12:12

Das Schleudertrauma objektiv nachweisen

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Das Schleudertrauma objektiv nachweisen
    Die Diagnose wird mit Hilfe elektrischer Muskelsignale gesichert

    Jährlich erleiden schätzungsweise 200.000 Menschen in Deutschland bei Auffahrunfällen ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. In vielen Fällen sind Kopfschmerzen die Folge. Die Aussage des Patienten, Tastbefunde des Arztes sowie Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren, die jedoch zumeist keine Hinweise auf eine Schädigung liefern, sind die einzige Grundlage, wenn über Therapien oder Schmerzensgeld-Forderungen entschieden werden muß.

    Ein Team aus Unfallchirurgen und Computerspezialisten hat jetzt ein neues System entwickelt, mit dessen Hilfe die Diagnose "Schleudertrauma" sicherer und objektiver als bisher gestellt und die Schwere der Verletzung eingeordnet werden können. Ulrich Bockholt vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung aus Darmstadt erklärt das Prinzip: "Über einen Helm mit integriertem Monitor wird dem Patienten zum Beispiel der Flug eines Schmetterlings vorgeführt. Der Blickwinkel ist sehr eng, so daß der Patient den Kopf drehen muß, um den Schmetterling verfolgen zu können. Über Sensoren im Helm wird dabei ständig die exakte Kopfposition und -orientierung registriert. Weitere Sensoren registrieren die Anspannung der Nackenmuskulatur, auch um eine Überdehnung zu verhindern."

    Der Computer zeichnet die Kopfbewegungen in Echtzeit und 3D auf und steuert den Flug des virtuellen Schmetterlings, um auszutesten, wie weit der Patient den Kopf drehen kann und wann die Muskeln Schmerzsignale abgeben. Gemeinsam mit Unfallchirurgen der Universität Ulm (Projektleiter ist Dr. Michael Kramer, Abteilung Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie) wird die Flugbahn des Schmetterlings vorab genau festgelegt. Das Ziel besteht darin, die Funktionen der Muskulatur während bestimmter Bewegungen der Halswirbelsäule zu überprüfen. Der Rechner ermöglicht den Vergleich der gewonnenen Daten mit denjenigen gesunder Testpersonen oder anderer Unfallopfer. So können Funktionsdefizite objektiv erkannt werden.

    Das Projekt wurde bereits 1996 mit dem Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie ausgezeichnet. Mittlerweile ist das Verfahren an Patienten mit chronischen Schmerzen und bei Patienten mit akuten Verletzungen im Therapieverlauf getestet worden. Die Daten ermöglichen mit etwa 90%iger Wahrscheinlichkeit eine zuverlässige Erkennung von Patienten und gesunden Probanden. Eine ähnlich hohe Trefferquote wird durch keine andere Untersuchungsmethode erzielt. Nicht zuletzt für die Versicherungen hat das Verfahren, das erstmals neurophysiologische Funktionen der Halswirbelsäule berücksichtigt, enorme Bedeutung. Auch die häufig unbefriedigende Therapie des chronischen Schmerzsyndroms nach Schleudertrauma kann davon profitieren. Die Vorteile des neuen Systems liegen für die Forscher und Mediziner auf der Hand: es stützt sich auf objektiv meßbare und vergleichbare Daten und nicht wie bisher auf die Erfahrung und den Tastsinn des behandelnden Arztes. Zudem wird die Methodik nicht nur Spezialkliniken vorbehalten sein, sondern auch in kleineren Unfallstationen und Gemeinschaftspraxen zum Einsatz kommen. Die Arbeitsgruppe will das System, das am 20.11.2002 auf der Medica in Düsseldorf mit dem Innovationspreis Medizintechnik (200.000 Euro) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ausgezeichnet worden ist, auf der Eurospine in Prag (September 2003) sowie zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie in Berlin vorstellen.

    Kontakt: Dr. Michael Kramer, Abteilung Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität Ulm, Steinhövelstraße 9, 89075 Ulm, Tel. 0731-500-27258, Fax: 0731-500-27349, e-mail: michael.kramer@medizin.uni-ulm.de
    Ulrich Bockholt, Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung, Abteilung Visualisierung und Virtuelle Realität, Fraunhoferstraße 5, 64283 Darmstadt, Tel. 06151-155-277, Fax: 06151-155-196, e-mail: bockholt@igd.fhg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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