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22.11.2002 14:28

Demenz - eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen

Jens Oliver Bonnet Konzernbereich Unternehmenskommunikation/Pressestelle
LBK Hamburg GmbH

    Mehr als 300 Experten aus dem ganzen Bundesgebiet treffen sich heute und morgen bei einem großen Fachsymposium zum Thema Demenz in Hamburg. Auf dem 2. Hamburger Symposium "Aktuelle Konzepte der Altersmedizin" diskutieren sie über Diagnostik, Behandlung und gesellschaftliche Bedeutung der Demenzerkrankungen.

    Demenzen sind in Ländern mit hoher Lebenserwartung zu einem der häufigsten und schwerwiegendsten Gesundheitsprobleme geworden. Derzeit leiden von den mehr als 12 Millionen älteren Menschen in Deutschland etwa 1 Million an einer Demenz - sofern nur die mittelschweren und schweren Demenzen gezählt werden. Fortgeschritten Demenzkranke sind nicht mehr zur selbständigen Lebensführung in der Lage. Sie stellen die Familie vor große emotionale, physische und auch finanzielle Probleme. Sie benötigen zunehmend aber auch ambulante und stationäre ärztliche Betreuung und u. U. ständige Betreuung in einer Langzeitpflegeeinrichtung. Häufig werden die Versorgungseinrichtungen den besonderen Bedürfnissen der Demenzkranken und ihrer Angehörigen nicht gerecht.

    "Demenz" umfasst als spezielles Syndrom chronische oder fortschreitende Gedächtnis- und Denkstörungen, häufig in Kombination mit einer Beeinträchtigung der emotionalen Kontrolle und mit Veränderungen des Sozialverhaltens und der Motivation. Hinter dem Begriff "Demenzen" verbirgt sich eine Reihe verschiedener Erkrankungen. Die häufigste ist die Alzheimer'sche Erkrankung. Dabei kommt es zu einer Ablagerung krankhafter Eiweiße im Gehirn und zu einem erheblichen Nervenzelluntergang genau in den Regionen des Gehirns, die für die Abspeicherung und das Abrufen von Gedächtnis maßgeblich sind und in denen räumliches Vorstellungsvermögen und Sprache gesteuert werden.

    Ziel muss es sein, durch eine rechtzeitige Diagnosestellung und adäquate Therapie die Krankheitssymptome zu mildern und den Verlauf der Erkrankung zu bremsen. Dies ist mit den heute verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Mitteln möglich. Im Einzelnen ist folgendes Vorgehen zu empfehlen:

    · Möglichst frühzeitige Erstellung der Diagnose. Dazu ist vor allem auf das Warnsignal "rasch zunehmende Gedächtnisstörung" zu achten. Weitere Symptome können gereizte und/oder depressive Verstimmbarkeit, geringere Belastbarkeit oder Wortfindungsstörungen sein. Zur Abklärung des Verdachts auf eine Demenz sollte der Hausarzt aufgesucht werden. Ihm stehen neben der sorgfältigen Erhebung der Beschwerden und Symptome eine Reihe von Suchtests zur Verfügung. Auch sollte immer eine gründliche körperliche Untersuchung einschließlich Labortests und EKG erfolgen. Bei weiterbestehender Unsicherheit bezüglich der Diagnose, raschem Fortschreiten der Krankheit, schwierigen Begleitsymptomen oder Komplikationen während der Therapie sollte immer ein niedergelassener Nervenarzt einbezogen oder zu einer Memory-Clinic überwiesen werden.

    · Sobald die Diagnose einer leichten oder mittelschweren Demenz gesichert ist, sollte mit der Therapie mit einem "Antidementivum" begonnen werden. Dies betrifft insbesondere die Alzheimer'sche Erkrankung, bei der sich die Behandlung mit einem der drei Acetylcholinesterasehemmer (Donepezil: Aricept®; Rivastigmin: Exelon®; Galantamin : Reminyl®) als wirksam erwiesen hat. Hinzu kommt Memantine: Axura® oder Ebixa®, das jetzt eine Zulassung auch für die Behandlung mittelschwerer und schwerer Demenzformen erlangt hat. Die Behandlung sollte zumindest über drei Monate dauern, da erst dann über den Erfolg geurteilt werden kann. "Erfolg" bedeutet dabei, dass das Fortschreiten der Erkrankung abgebremst oder dass sogar eine Besserung erzielt werden konnte. Bei Erfolg sollte die Therapie u. U. lebenslang fortgesetzt werden. Bei Misserfolg sollte gegebenenfalls auf ein Antidementivum einer anderen Wirkstoffgruppe umgesetzt werden.

    Bei stark ausgeprägten psychischen ("nicht-kognitiven") Symptomen wie Angst, Depression, Unruhe und Umkehrung des Tag- / Nachtrhythmus, Halluzinationen und Wahn sowie Aggressionen bietet sich die Behandlung mit einem Psychopharmakon an. Psychopharmaka sollten möglichst niedrig dosiert und meist nur über einen begrenzten Zeitraum verabreicht werden; die verordneten Psychopharmaka sollten nebenwirkungsarm sein.

    Bevor ein Psychopharmakon verabreicht wird, sollten aber alle Möglichkeiten des Gesprächs und der Veränderung des Milieus ausprobiert werden. Nicht selten kann dadurch eine Beruhigung des Patienten erreicht werden.

    Wichtig ist die Unterstützung und Entlastung der Angehörigen.

    Geistige Aktivitäten ("kognitives Training") können zumindest in leichten Stadien der Erkrankung den Verlauf günstig beeinflussen.

    Weitere wichtige therapeutische Maßnahmen sind Ergotherapie, körperliche Bewegung sowie Musik- und Kunsttherapie.

    Insgesamt wissen wir, dass die kombinierte Therapie wirksamer ist als jede Therapieform allein. Demenzpatienten benötigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Krankheitsverlaufs jeweils andere Hilfeformen. Behandlung und Betreuung sollten bereichsübergreifend erfolgen; d. h. es ist eine gute Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Bereich erforderlich und es muss in umgekehrter Richtung die Überleitung aus dem stationären Bereich in die ambulante Versorgung und / oder den pflegerischen Langzeitbereich gut vorbereitet sein und von gegenseitigem Kooperationswillen begleitet werden. Unter Beachtung der genannten Voraussetzungen ist Therapie auch bei Demenzkranken wirksam.

    Noch gibt es im Versorgungssystem für Demenzkranke erheblichen Verbesserungsbedarf. Einige "Brennpunkte" sind: Weitere Verbesserung der Kompetenz der Hausärzte in der Diagnostik und Therapie Demenzkranker, verbunden mit einer Verbesserung der Honorierung entsprechender Leistungen; bessere "Vernetzung" der Behandler, damit der eine vom anderen weiß und Kooperation erfolgen kann; Unterstützung und Ausbau des "niederschwelligen" Versorgungsbereiches, d. h. von Selbsthilfegruppen, Betreuungsgruppen etc.; Berücksichtigung auch psychischer Einschränkungen Demenzkranker in der Pflegeversicherung; vermehrte Forschung und Aktivitäten sowohl zur Aufdeckung der Ursachen als auch zur Verbesserung der therapeutischen Ansätze und der Versorgung der Demenzpatienten.

    Insgesamt ist die Demenz eine Erkrankung, die Körper und Seele betrifft und zu erheblicher Mitbelastung der Familie führt. Noch ist keineswegs alles getan, damit Demenzkranke das heute Mögliche an Diagnostik und Therapie erhalten und ihre Lebensqualität bestmöglich gesichert wird. Demenzerkrankungen stellen in vielfältiger Hinsicht eine Herausforderung an das Gesundheitswesen und die Gesellschaft dar.


    Weitere Informationen:

    http://www.lbk-hh.de/orga/wtermine/altmedi.htm
    http://www.klinikum-nord.lbk-hh.de/fachabt/psych5/psych5.htm
    http://www.klinikum-nord.lbk-hh.de/fachabt/geri/geri.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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