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25.11.2002 10:23

Halbwaisen müssen schneller auf eigenen Füßen stehen

Dr. Antonia Rötger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Wer Mutter oder Vater verliert, hat weniger Chancen auf eine höhere Schulbildung oder qualifizierte Ausbildung, zeigt eine Studie aus dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

    Wenn ein Elternteil stirbt, hat dies auch heute noch einschneidende Folgen für die Kinder, sagt der Soziologe Dr. Steffen Hillmert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Zusätzlich zu der Trauer um den Verlust müssen die Kinder auch damit zurechtkommen, dass sie im Lauf ihrer Ausbildung weniger Unterstützung für ihre Bildungslaufbahn erwarten können - und zwar in emotionaler und kognitiver, aber auch sozialer und finanzieller Hinsicht. Hillmert beobachtete kürzere Ausbildungen und frühzeitige Eintritte in den Arbeitsmarkt.
    Ungefähr sechs bis sieben Prozent eines Jahrgangs verlieren Vater oder Mutter vor ihrem achtzehnten Geburtstag. In drei Viertel der Fälle stirbt der Vater, was sich meist auch in einem deutlichen Rückgang des Haushaltseinkommens niederschlägt. In seiner Längsschnittanalyse hat sich Hillmert die Bildungsverläufe von Halbwaisen der Geburtsjahrgänge zwischen 1950 und 1978 angesehen und mit denen von Menschen verglichen, welche bis zur Volljährigkeit in vollständigen Familien aufwachsen konnten. Die Gesamtstichprobe aus dem Sozio-Ökonomischen Panel (SOEP) umfasste rund 6.000 Fälle. Kinder, die vor dem zehnten Lebensjahr einen Elternteil verloren, hatten wesentlich schlechtere Chancen, das Abitur zu erreichen, als Kinder, die ihn einige Jahre später verwaisten. Bei beiden Gruppen aber waren die Abiturquoten im Vergleich zu Kindern aus vollständigen Familien deutlich reduziert. Hillmert interpretiert diesen Befund dahingehend, dass die bereits verwaisten Kinder bei der frühen Entscheidung für weiterführende Schulzweige (in der vierten Klasse) zu wenig Unterstützung erfuhren. Starb der Elternteil dagegen erst nach dieser entscheidenden Weichenstellung, dann blieben die meisten dieser Gymnasiasten trotz der besonderen Belastungen in ihrem Schulzweig.
    Generell stellt Hillmert aber fest, dass Personen aus der Halbwaisengruppe kurze Ausbildungen bevorzugten und eher auf ein Studium verzichteten. Hier dürften finanzielle Engpässe eine Rolle spielen, die die Betroffenen - zumindest subjektiv - zu einer 'sparsameren' Gestaltung ihres Ausbildungsverlaufes bewegten, vermutet der Soziologe.
    Quantitativ sind die Wirkungen vergleichbar mit den Unterschieden in den Bildungschancen, wie sie zwischen Kindern aus Familien mit unterschiedlichem Bildungshintergrund gefunden werden. Der frühe Tod eines Elternteil lässt die Chance eines Kindes, das Abitur zu machen, um fast zwei Drittel schrumpfen. Das bedeutet: wenn in einer vergleichbaren sozialen Gruppe von Kindern aus vollständigen Familien zehn Kinder das Abitur machen, dann sind es in einer gleich großen Gruppe von Waisenkindern nur drei bis vier Kinder.

    Hinweis an die Redaktionen:
    Die Studie von Dr. Steffen Hillmert fand im Forschungsbereich Bildung, Arbeit und Gesellschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer statt.
    Weitere Auskunft erteilt Ihnen gern Dr. Steffen Hillmert, Tel.: 030 / 82406-265, E-Mail: hillmert@mpib-berlin.mpg.de, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Lentzeallee 94, 14195 Berlin.

    Der Beitrag ist erschienen in Heft 1/2002 der Zeitschrift für Familienforschung (S. 44-69).


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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