Universitäten Gießen und Marburg erhalten Zuschlag für zwei SFBs zur historischen Sicherheitsforschung sowie zur Hirn- und Wahrnehmungsforschung
Pressemitteilung der Forschungsallianz der Universitäten Gießen und Marburg
Ein Jahr nach ihrer feierlichen Gründung kann die Forschungsallianz der Universitäten Gießen und Marburg einen weiteren großen Erfolg verbuchen – und zwar gleich im Doppelpack: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat zwei neue transregionale Sonderforschungsbereiche (SFB/TRR) für die beiden Standorte bewilligt. Mit voraussichtlich knapp zehn Millionen Euro für die kommenden vier Jahre fördert die DFG historische Sicherheitsforschung im SFB/TRR „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“. Voraussichtlich knapp acht Millionen Euro gehen in den kommenden vier Jahren an den neuen SFB/TRR „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung“, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Mechanismen des Gehirns bei der Wahrnehmung umfassend untersuchen werden.
„Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft gleich zwei Sonderforschungsbereiche unserer beiden mittelhessischen Universitäten bewilligt“, sagte Prof. Dr. Katharina Krause, die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, nach Bekanntgabe der Bewilligungen; „die Förderzusage belegt eindrucksvoll die Forschungsstärke und hervorragende Zusammenarbeit unserer Historiker sowie unserer Hirnforscher und Psychologen.“ Krauses Amtskollege Prof. Dr. Joybrato Mukherjee von der Justus-Liebig-Universität Gießen ergänzte: „Der großartige Doppelerfolg zeigt, dass unsere beiden forschungsstarken Universitäten gemeinsam ihr Exzellenzpotenzial noch besser zur Geltung bringen können. Der Doppelerfolg belegt einmal mehr: Mit unserer Allianz werden wir eine Erfolgsgeschichte der Spitzenforschung in Mittelhessen schreiben können.“
SFB/TRR 138 „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“
„Sicherheit gilt heute als zentrale Zielvorstellung der Politik, und dies in nahezu sämtlichen Politikbereichen“, erklärte der Marburger Historiker Prof. Dr. Christoph Kampmann, Sprecher des historisch orientierten Verbunds. „Der transregionale SFB untersucht, wie sich in der Geschichte Vorstellungen von Sicherheit entwickelten und in den politischen Prozess gelangten.“ Die Darstellung und die Herstellung von Sicherheit seien Vorgänge, die einander bedingen und deren Verhältnis in historisch unterschiedlichen Dynamiken und Prozessstrukturen erforscht werden soll. „Es ist zu beobachten, dass Streben nach Sicherheit häufig in ein Weniger an Sicherheit mündet“, stellte Kampmann fest.
„Wir werden Forschungsansätze der Politikwissenschaft aufgreifen und in historischer Perspek¬tive weiterentwickeln“, ergänzte Kampmanns Gießener Kollege Prof. Dr. Horst Carl, Koordinator auf Gießener Seite und – wie der Marburger Zeithistoriker Prof. Dr. Eckart Conze und die Gießener Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Regina Kreide – einer der stellvertretenden Sprecherinnen und Sprecher des SFB.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler legen bei ihrem Vorhaben kein festes, statisches Verständnis von Sicherheit zugrunde. Vielmehr sehen sie Sicherheit als veränderbar an, „als ein gesellschaftliches Konstrukt, das Gegenstand rivalisierender Deutungen und Interessen ist und das daher wie andere Grund- und Wertbegriffe der politisch-sozialen Sprache nur historisch fassbar wird“, wie Kampmann ausführte. Der Sonderforschungsbereich soll sich daher nicht auf einen Zeitabschnitt beschränken, sondern Epochengrenzen überschreiten. Ziel der gemeinsamen, interdisziplinären Forschungsarbeit ist es, zunächst ein geeignetes Analyseinstrumentarium zu erarbeiten, um schließlich zu einer Gesamttypologie der Dynamiken von Sicherheit in der Geschichte zu gelangen.
Ein besonderer Schwerpunkt des Sonderforschungsbereichs ist die wissenschaftliche Nachwuchsförderung in Gestalt eines integrierten Graduiertenkollegs. Die beantragte Fördersumme für den SFB beträgt für die kommenden vier Jahre 9,9 Millionen Euro, insgesamt wirken 19 Teilprojekte aus den Fächern Geschichte, Politikwissenschaft, Völkerrecht, Kunstgeschichte und Soziologie zusammen.
SFB/TRR 135 „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung“
Die Sinnesorgane sind das „Fenster zur Welt“, sie ermöglichen den Empfang von Reizen aus der Umwelt. Doch wie verarbeitet das Gehirn die Informationen? Wie funktioniert Wahrnehmung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der neue interdisziplinäre SFB/TRR. Der Start des Verbundvorhabens ist für April 2014 vorgesehen. Es handelt sich deutschlandweit erst um den zweiten Sonderforschungsbereich unter Federführung der Psychologie. Die Sprecherschaft für den interdisziplinären SFB liegt bei dem Gießener Psychologen Prof. Dr. Karl Gegenfurtner, weitere Mitglieder des geschäftsführenden Komitees sind Prof. Dr. Frank Bremmer, Neurophysik (UMR), Prof. Dr. Katja Fiehler, Allgemeine Psychologie (JLU) und Prof. Dr. Gudrun Schwarzer, Entwicklungspsychologie (JLU).
„Unsere Gruppe von Antragstellern kann auf langjährige erfolgreiche Vorarbeiten verweisen, davon auch einige in DFG-geförderten Verbundprojekten. Darauf aufbauend wird der SFB eine Vielzahl von hochgradig interdisziplinären Projekten ermöglichen, die geeint werden durch das gemeinsame Ziel, zu verstehen, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren“, sagte Prof. Gegenfurtner. Prof. Bremmer fügte hinzu: „Der Sonderforschungsbereich wird die Forschungsallianz unserer beiden Universitäten weiter bestärken, innerhalb derer unser Themenbereich bereits als Schwerpunkt und Aktionsfeld ausgewiesen wurde.“
Der SFB will untersuchen, wie das menschliche Gehirn aus sensorischen Eingangssignalen übergeordnete Bedeutung ableitet. Dazu soll der Prozess der Wahrnehmung umfassend auf der Basis dreier grundlegender Prinzipien erklärt werden: Prädiktion, Bewertung und Kategorisierung. Die dadurch entstehenden internen Modelle der Umwelt ermöglichen es dem Menschen, den künftigen Zustand der Umgebung sowie Handlungskonsequenzen vorherzusagen, die möglichen Risiken und den Nutzen von Reizen und Reaktionen zu bewerten sowie die unendliche Menge an Umweltreizen in Kategorien von Konzepten und Verhaltensweisen abzubilden. So bietet der SFB eine einzigartige Kombination aus Verhaltensexperimenten, Physiologie und Modellierung, um zu einem umfassenden Verständnis dieser drei Prinzipien zu gelangen. Langfristig, auch über die erste Förderphase hinaus, soll die Entwicklung dieser Mechanismen über die gesamte Lebensspanne hinweg erfasst werden. Dabei möchten die Wissenschaftler auch untersuchen, welche funktionelle Bedeutung die untersuchten Mechanismen bei neurologischen und psychiatrischen Krankheiten haben.
Kontakte:
SFB/TRR 135 (Wahrnehmung):
Prof. Dr. Karl Gegenfurtner
Abteilung für Allgemeine Psychologie
Justus-Liebig-Universität Gießen
Tel.: 0641 99-26100
Prof. Dr. Frank Bremmer
AG Neurophysik
Philipps-Universität Marburg
Telefon: 06421 28-26260, -24162
SFB/TRR 138 (Sicherheit):
Prof. Dr. Christoph Kampmann
Fachgebiet Neuere Geschichte
Philipps-Universität Marburg
Tel. 06421 28-24604
Prof. Dr. Horst Carl
Historisches Institut, Frühe Neuzeit
Justus-Liebig-Universität Gießen
Tel.: 0641 99 - 28171
Medienkontakt:
Philipps-Universität Marburg
Stabsstelle Wissenschaftskommunikation
Tel.: 06421 28-26219
Internet: http://www.uni-marburg.de
Justus-Liebig-Universität Gießen
Pressestelle
Tel.: 0641 99-12041
Internet: http://www.uni-giessen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Geschichte / Archäologie, Politik, Psychologie
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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