Die Universität Essen wird unter Ausnutzung aller rechtlichen und politischen Möglichkeiten versuchen, das Gesetz zur Fusion mit der Universität Duisburg zu Fall zu bringen. "Die neuesten Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf zielen in eine völlig falsche Richtung. Statt die von Gutachtern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ernst zu nehmen und auf die inhaltliche Kritik des Vorsitzenden des Expertenrats, Hans-Uwe Erichsen, einzugehen, wird die Gestaltung des Fusionsprozesses einem Diktator überlassen!" kritisierte heute (Montag, 25. November) in einer Pressekonferenz der Essener Rektor, Professor Dr. Karl-Heinz Jöckel, den jetzt modifizierten Gesetzentwurf. Nach seiner Neufassung ist vorgesehen, dass der von der Landesregierung zu bestellende Gründungsrektor für sechs Monate die fusionierte Universität ohne Senat und ohne Unterstützung durch gewählte Prorektoren ganz allein "regieren" soll. Zwei vom Gründungsrektor vorgeschlagene und vom Ministerium bestellte Berater sollen ihm zur Seite stehen, wenn der Gründungsrektor den Wunsch nach Beratung verspürt.
In einem Gespräch am vergangenen Freitag (22. November) hatte NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft den Rektoren Wolff, Duisburg, und Jöckel, Essen, vorgeschlagen, diese Beraterfunktion zu übernehmen. "Für einen Rektor-Diktator! Ein solches Ansinnen zeugt von der grenzenlosen Unbedarftheit des Ministeriums!" wehrte sich Jöckel in der Pressekonferenz vehement.
In ungewöhnlich scharfer Form nahm auch der Sprecher des Senats der Universität Essen, Professor Dr. Reiner Sustmann, den Gesetzentwurf unter Beschuss. "Die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Hochschulen werden mit Füßen getreten, und das Fusionsvorhaben wird als das entlarvt, was es offensichtlich wirklich ist: ein erster Schritt zum Hochschulabbau im Ruhrgebiet", sekundierte Sustmann dem Rektor.
Der ging ins Grundsätzliche: Statt im Ministerium zu sparen, spare man lieber in den Hochschulen - ein völlig falsches Signal, wenn man die OECD Daten berücksichtige. "Schul-PISA ist nicht genug, ein kontinuierliches Hochschul-PISA soll offensichtlich auf lange Zeit sichergestellt werden!", schimpfte Jöckel. Statt einer leistungsfähigen Hochschule Essen/Duisburg werde ein Torso geschaffen, der in den nächsten Jahren mit Fragen der Binnenorganisation beschäftigt sei. "Attraktive Alternativen werden überhaupt nicht mehr geprüft."
Jöckel entwickelte vor den Journalisten eine gespenstische Vision: "Man stelle sich vor: Professor N. N. oder ein Kommissar des Ministeriums, was wahrscheinlicher ist, denn so dumm kann doch kein Professor sein, entscheidet sechs Monate lang, ohne eine der beiden Universitäten wirklich zu kennen. Das kann nicht gut gehen! Ein Senat existiert in dieser Zeit überhaupt nicht! Wahnsinn hoch drei!"
In seiner unnachgiebigen Haltung kann sich der Essener Rektor auf das geschlossenen Votum der Hochschulleitung und des Senats stützen. Geschlossen hatte der Senat in seiner Novembersitzung (Montag, 18. November) einen Beschluss gefasst, in dessen Mittelpunkt erneut die Forderung steht, sich vom Gedanken an eine Zwangsvereinigung der Universitäten Duisburg und Essen endgültig zu verabschieden und für die Zukunftssicherung des Hochschulstandortes Essen auf vertraglich abgesicherte Kooperationen zu setzen.
Der Senat hatte in seinem Beschluss auf die Anhörung zum Entwurf des Fusionsgesetzes durch den Wissenschaftsausschuss verwiesen und das Ergebnis als "deutliche Abfuhr" gegenüber der bisherigen Planung gewertet. Aus den beteiligten Universitäten werde, folge man dem Gesetzentwurf, ein zerstückelter Doppeltorso entstehen, der im Wettbewerb mit den umliegenden Universitäten von vornherein chancenlos sei.
Der Senat bezog sich auf den Vorsitzenden des Expertenrats zur Begutachtung der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, den früheren WRK-Vorsitzenden und Rektor der Universität Münster, Professor Erichsen, der in der Anhörung als unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg einer Fusion zweier Hochschulen die klare Herausbildung von Standort-Profilen genannt hatte. Das sei bei der gegenwärtigen Planung nicht gegeben.
Der Senat erinnerte in seiner Kritik an dem - zu dem Zeitpunkt noch nicht überarbeiteten - Gesetzentwurf an die Einwendungen des Osnabrücker Verfassungsrechtlers Professor Jörn Ipsen, der in der Anhörung die Verfassungskonformität des Entwurfs in Zweifel gezogen hatte: weil nämlich erst über den Umweg der Auflösung zweier bestehender Hochschulen und der gleichzeitigen Gründung einer neuen Universität die Einsetzung eines Gründungsrektors möglich werde.
Die Universität Essen, so heißt es, übersehe keinesfalls das Recht des Gesetzgebers, den Planungsrahmen für die Hochschulentwicklung festzulegen; die Hochschule gebe aber zu bedenken, "dass Inhalt und Ausgestaltung des wissenschaftlichen Profils in der Verantwortung der Universitäten liegen".
Abschließende Forderung: "Die Universität Essen fordert Landesregierung und Gesetzgeber auf, die strukturelle Unvereinbarkeit einer Fusion mit der Universität Duisburg zur Kenntnis zu nehmen und das Vorhaben einer Zwangsfusionierung zurück zu nehmen, damit der Weg frei wird für ein wirklich zukunftsfähiges Verbundprojekt entlang - zumindest - der Ruhrschiene."
Diese Forderung, das wurde in der Pressekonferenz heute deutlich, unterstützen nach wie vor die Studierendenschaft und die Personalräte für die wissenschaftlichen und die weiteren Mitarbeiter.
Hinweis für die Redaktionen: Der volle Wortlaut des Senatsbeschlusses ist dieser Presseinformation beigefügt.
Redaktion: Monika Rögge, Telefon (02 01) 1 83 - 20 85.
Montag, 18. November: Beschluss des Senats der Universität Essen
Hochschulkooperationen statt Fusion ohne Zukunft
Zusammenfassung
Die Universität Essen anerkennt das Interesse der Landesregierung an einer Restrukturierung des Hochschul-Angebots des Landes. Eine Zwangsfusion der Universitäten Duisburg und Essen allerdings ist hierfür kontraproduktiv. Bei der Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Landtages hat sie eine deutliche Abfuhr erhalten. Das Ergebnis der bisherigen Fusionsverhandlungen wurde als strukturelle Fehlentwicklung eingestuft, die in zweifacher Hinsicht ein wissenschaftspolitisches Fiasko zur Folge hätte: Erstens entstünde aus den beiden direkt beteiligten Universitäten ein zerstückelter Doppeltorso, der im Wettbewerb mit den umliegenden Universitäten von vornherein chancenlos wäre. Zweitens müssten die übrigen Universitäten die Schlussfolgerung ziehen, sich auf zunächst scheinbar interventionsfreie, im Ergebnis aber fremdbestimmte Reorganisations-Prozesse keinesfalls einzulassen.
Im Einzelnen
* Am Ende der Fusions-Verhandlungen steht die Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Fusion an den beiden Universitäten nicht gegeben sind. Was fehlt, ist die erforderliche Standort-Komplementarität. Sie würde durch eine komplizierte Verteilung kongruenter Ressourcen ersetzt. Eine klare wissenschaftliche Konturierung beider Standorte, Grundvoraussetzung für eine zukunftsträchtige Fusion, wäre dadurch ausgeschlossen.
* Es geht also nicht um mehr oder weniger Verhandlungsgeschick, mehr oder weniger Außensteuerung, sondern um ein strukturelles Hindernis:
- Nicht eines der vielen Standortmodelle der langwierigen Verhandlungsphase hat dieses Problem überwinden und gleichermaßen zukunfts- und konsensfähige Standortprofile aufweisen können.
- Nicht eines der Standortmodelle hat Synergie-Effekte mit nachweisbaren Effekten zum Ausbau vorhandener Stärken sowie des gemeinsamen Angebots in Forschung und Lehre aufgezeigt. Damit ist der primäre Beweggrund für eine Fusion gegenstandslos geworden.
* Das desolate Ergebnis einer wider diese Erkenntnis erzwungenen "Fusion" wäre somit eine Universität, die aufgrund ihres diffusen Angebots als Doppel-Campus-Universität im Wettbewerb um Studierende wie wissenschaftliches Personal keine Chance gegen die umliegenden Ein-Campus-Universitäten hätte.
* Bestätigung fand diese Einsicht auch beim ehemaligen Vorsitzenden des "Expertenrates". In seinem Eingangs-Statement hatte er noch die generellen Vorzüge von Fusionen hervorgehoben. Unter dem Eindruck der dargelegten Details der hier in Rede stehenden "Fusion" machte er im Schluss-Statement aber deutlich, dass der Expertenrat seinerzeit "natürlich nicht daran gedacht hatte, eine Verlagerung der Physik von Essen nach Duisburg zu empfehlen", und dass Voraussetzung für eine erfolgreiche Fusion die Ausbildung klarer Standort-Profile sei.
* Der Entwurf des "Fusionsgesetzes" selbst erntete durchweg harsche Kritik. Der "Trick", durch formale "Auflösung" der beiden bestehenden Universitäten eine "Neugründung" zu simulieren, um damit die ministerielle Einsetzung eines Gründungsrektors zu rechtfertigen, wurde als rechtlich fragwürdige Aushebelung der vom Gesetzgeber im HG selbst propagierten Autonomie der Hochschulen gekennzeichnet. Am schwersten fallen die Voten der beiden geladenen Rechts-Experten ins Gewicht, die in dieser Hinsicht sogar Verfassungs-Vorbehalte anmeldeten.
* Umso befremdeter sind wir, dass sich die Abgeordneten der Regierungskoalition offenbar über alle sachlichen Einwände hinwegsetzen und unter sogar noch weitergehenden Beschneidungen der Hochschulautonomie nach wie vor eine Zwangs-"Fusion" zum 1. Januar 2003 beschließen wollen. Die Universität Essen übersieht keineswegs das Recht des Gesetzgebers, den Planungsrahmen für die Hochschulentwicklung festzulegen. Sie gibt aber zu bedenken, dass Inhalt und Ausgestaltung des wissenschaftlichen Profils in der Kompetenz und Verantwortung der Universitäten liegen. Es kann nicht Bestandteil verantwortlicher Wissenschaftspolitik sein, diese Sachkompetenz per gesetzgeberischem Oktroi auszuschalten.
Schlussfolgerung
Die Universität Essen fordert Landesregierung und Gesetzgeber auf, die strukturelle Unvereinbarkeit einer "Fusion" der Universitäten Duisburg und Essen zur Kenntnis zu nehmen und das Vorhaben einer Zwangsfusionierung zurückzuziehen, damit der Weg frei wird für ein wirklich zukunftsfähiges und zukunftsweisendes Verbundprojekt entlang - zumindest - der Ruhrschiene. Die Universität Essen ist bereit, ihren Beitrag zu einem solchen Projekt zu leisten und mit der Universität Duisburg und weiteren Universitäten der Region, zu denen entsprechende Kontakte bereits aufgenommen worden sind, multilaterale verbindliche Kooperationen einzugehen. Das Kooperationsmodell würde ohne die erheblichen Reibungsverluste einer Zwangsfusion und wesentlich kurzfristiger eine wesentlich effizientere Nutzung der Kapazitäten der Universitäten der Region ermöglichen.
Universität Essen, Pressestelle, 45117 Essen
Telefon: (02 01) 1 83-20 88 - Telefax: (02 01) 1 83 - 30 08
e-mail: pressestelle@uni-essen.de - Internet: http://www.uni-essen.de/pressestelle
Besucheranschrift: Universitätsstraße 2, 45141 Essen, Gebäude T01, 6. Etage, Raum B13
Verantwortlich: Monika Rögge, Telefon: (02 01) 1 83 - 20 85
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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