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09.01.1998 00:00

JIT-Produktion in der Automobilindustrie

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Zeitnot und Zeitsouveraenitaet in der just-in-time-Fabrik - Wie wirkt sich die JIT-Produktion auf Zeitmanagement, Personalpolitik, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen in der europaeischen Automobilzulieferindustrie aus? - Forschungsbericht des Instituts Arbeit und Technik jetzt veroeffentlicht

    Die vielfaeltigen Probleme der just-in-time-Logistik, die die europaeischen Automobilhersteller seit Mitte der 80er Jahre unter massivem Preisdruck bei ihren Zulieferern durchsetzen, werden zum grossen Teil auf dem Ruecken der Beschaeftigten in den Zulieferbetrieben ausgetragen. Die Produktionsarbeiter in der Automobilzulieferindustrie sind durch die vorherrschende Praxis der ueberbetrieblichen Rationalisierung mit den Anforderungen puenktlicher Lieferung auf Bestellung bei Null-Fehler-Qualitaet einer permanenten Zeitnot unterworfen, ohne ausreichende Handlungsmoeglichkeiten, selbst auf eine bessere Gestaltung von Arbeitsablaeufen einzuwirken.

    In einem umfangreichen Forschungsprojekt hat die Abteilung Arbeitsmarkt des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) bei Betriebsbesuchen und Expertengespraechen Manager und Mitglieder der Belegschaftsvertretungen von rund 50 Automobilzulieferern in Deutschland, Frankreich, Spanien und Grossbritannien zu Handhabung und Auswirkungen der JIT-Produktion befragt. Der Forschungsbericht von IAT-Projektleiter Dr. Steffen Lehndorff ist jetzt unter dem Titel "Zeitnot und Zeitsouveraenitaet in der just-in-time-Fabrik" im Rainer Hampp Verlag erschienen.

    "Mit der Einfuehrung von just-in-time-Systemen ist in den letzten Jahren die Liefergenauigkeit wesentlich erhoeht worden. Von einer umfassenden, ueberbetrieblichen Optimierung der Produktionskette ist die Branche jedoch noch weit entfernt", so der Arbeitsmarktforscher Dr. Steffen Lehndorff. In der bisherigen Praxis stehen die Kostenersparnisse im Vordergrund, die durch puenktliche Lieferung und reduzierte Lagerhaltung erzielt werden. Eine viel groessere und entscheidendere Reserve der Kostensenkung wird jedoch erschlossen, wenn die reduzierte Lagerhaltung als Hebel einsetzt wird, "alles sofort richtig zu machen". Entscheidende Produktivitaetsressourcen bleiben so meist noch ungenutzt.

    Dies ist innerhalb der Zulieferfabriken besonders deutlich erkennbar. Dort sind die Materialpuffer erheblich reduziert worden, doch an ihre Stelle sind "menschliche Puffer" getreten. Der dramatische Peronalabbau der letzten Jahre verstaerkt diesen Effekt. Die Arbeit in den Zulieferbetrieben ist bei haeufigen Programmaenderungen innerhalb der vorgesehenen Zeit kaum zu schaffen. Die Anforderungen an die Beschaeftigten in Bezug auf Flexibilitaet und Qualifikation wurden erhoeht, ohne dass jedoch die Rahmenbedingungen dem angepasst und die Kompetenzen erweitert worden waeren. Dies widerspricht offenkundig dem weithin akzeptierten Leitbild der gegenwaertigen Rationalisierungsprozesse, der Foerderung von Engagement, Eigenverantwortlichkeit und Problemloesungskompetenz der Beschaeftigten.

    Ein weiteres Problem in den Zulieferunternehmen ist die haeufige Mehrarbeit, die als "Allheilmittel" bei kurzfristigen Abrufaenderungen, mittelfristigen Auftragsschwankungen, zu kurzen Nutzungszeiten automatischer Anlagen und bei Abwesenheit von Arbeitskraeften helfen muss. Zudem sind im Zuliefersektor befristete und geringfuegige Beschaeftigungsverhaeltnisse sehr verbreitet, die als "Flexibilitaetspuffer" die feste Stammbelegschaft ergaenzen. "Materialpuffer wurden durch menschliche Puffer ersetzt, obwohl fuer das Funktionieren der JIT-Kette Problemloesungskompetenzen auch der Beschaeftigten in der Produktion erforderlich waeren," so Steffen Lehndorff.

    Die Zulieferer sehen sich vor der Frage, ob sie sich von der JIT-Praxis ihrer Kunden lediglich treiben lassen, oder ob sie eigene Gestaltungsspielraeume entdecken und nutzen wollen. Kapazitaetsplanung und Personalbemessung sind heute vielfach so knapp kalkuliert, dass bei geringen Aenderungen im Produktionsprogramm die Grenzen der vereinbarten Arbeitszeit und der herkoemmlichen Arbeitszeitorganisation schnell erreicht sind. Innovative Arbeitszeitmodelle koennen sich hier als wichtiger Baustein betrieblicher Umstrukturierungen erweisen, um durch mehr Zeitsouveraenitaet eigenstaendigen Gestaltungsspielraum zu gewinnen.

    Steffen Lehndorff: Zeitnot und Zeitsouveraenitaet in der just-in-time-Fabrik, Arbeit und Technik, hrsg. von F. Lehner, G. Bosch, P. Broedner, J. Hilbert, Band 7, ISBN 3-87988-260-6, Rainer Hampp Verlag, Muenchen/Mehring, 203 S., 42,80 DM

    Fuer weitere Fragen steht Ihnen zur Verfuegung: Dr. Steffen Lehndorff Durchwahl: 1707-146 Pressereferentin Claudia Braczko


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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