idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.12.2002 13:07

Protest gegen die Schließung der TA-Akademie

Dr. Birgit Spaeth Pressestelle
Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg

    Offener Brief zur Auflösung der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg

    Die Mitarbeiter der Akademie für Technikfolgenabschätzung fordern mit diesem offenen Brief die Landesregierung von Baden-Württemberg auf, die TA-Akademie zu erhalten. Wir zitieren den Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Prof. Dr. Frankenberg, der noch im April 2002 in der Jubiläumspublikation der TA-Akademie konstatierte: "Um die Risiken moderner Technik einschätzbar zu machen und ihre Chancen konsequent nutzen zu können, benötigen wir einen breiten und gut organisierten öffentlichen Diskurs über Technikfolgen. Zu diesem Diskurs leistet die Akademie für Technikfolgenabschätzung wertvolle Beiträge, mit denen sie sich national und international einen Namen gemacht hat". Bisher weit über zweihundertfünfzig Solidaritätsbriefe aus aller Welt (www.ta-akademie.de) bestätigen diese Einschätzung des Ministers. Der plötzliche Umschwung ist nicht verständlich und weder von der Sache her noch vom Stil akzeptabel: Vorstand und Mitarbeiter haben die Schließung ihrer Institution zunächst aus der Presse erfahren.

    Das Land muss sparen, das sehen alle ein. Die Akademieführung hat im Spätsommer diesen Jahres Einsparangebote vorgelegt; sie stießen jedoch auf wenig Resonanz. Im Rückblick macht daher die Schwächung der Akademie-Leitung (bis heute sind drei Leitungspositionen nicht besetzt) den Eindruck kühler Kalkulation. Wir haben unser Drittmittelaufkommen innerhalb kurzer Zeit auf 30% gesteigert. Eine weitere Steigerung wäre in Anbetracht der engen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Vernetzung mit einer Perspektive für die TA-Akademie ohne weiteres möglich. Uns drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass es der Landesregierung nicht primär um die Einsparung geht. Vielmehr scheinen die Sparmaßnahmen lediglich einen willkommenen Anlass für die Schließung eines unabhängigen und kritischen Instituts darzustellen, das nicht nur die Stärken, sondern eben auch die Schwächen Baden-Württembergs analysiert, um unser Bundesland besser auf die Zukunft vorzubereiten.
    Diese konstruktive Kritik kostet. Der Diskurs mit der Öffentlichkeit, mit dem sich die TA-Akademie national und auf europäischer Ebene einzigartig positioniert hat, ist nicht billig und kann zudem unbequem sein. Aber er bringt der Gesellschaft und ihren Entscheidungsträgern eine Menge Erkenntnisgewinn, Legitimation und bessere Problemlösungen, die sich auch in Euro und Cent beziffern lassen. Will unsere Regierung das nicht? Schon die Vermeidung einer einzigen politischen Fehlentscheidung kann die Kosten einer Akademie für Technikfolgenabschätzung über Jahre ausgleichen. Baden-Württemberg lebt von erfolgreichen technischen Innovationen. Welche Innovationen erfolgreich sind, hängt jedoch immer mehr von der Berücksichtigung des gesellschaftlichen Umfelds und gesellschaftlicher Akzeptanz ab. Baden-Württemberg schien dies früher als andere erkannt zu haben.
    Ob es um die Analyse zum Stand der Nachhaltigkeit in Baden-Württemberg ging, Nachwuchsprobleme bei technischen Berufen, die Frage, ob die Mülltrennung wirklich die ökologisch bessere Alternative ist, die Sicherstellung der Wasserversorgung in Baden-Württemberg, die Empfehlungen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements oder um die Hemmnisse bei der Verbreitung von E-Commerce - die TA-Akademie hat stets richtungsweisende Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Forschung an Politik, Wirtschaft, gesellschaftliche Gruppen und die Öffentlichkeit vermittelt. Die Einbindung der jeweiligen Akteure machte diese Erkenntnisse umso wertvoller. Mit der Schließung der TA-Akademie als unabhängiger Einrichtung geht deshalb auch ein Stück demokratischer Kultur und Bürgernähe im Land verloren. Mit dem Verzicht auf diskursive Spitzenforschung verliert es einen wichtigen Teil seiner Zukunftsfähigkeit. Das schmerzt uns auch als Baden-Württemberger sehr.

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TA-Akademie

    Berichtigung von Falschmeldungen in der Presse!!!!!

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    in der Berichterstattung zur Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung haben sich - nach Meinung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - einige Fehler und Missverständnisse eingeschlichen. Mit dieser Zusammenstellung von Fakten zu uns wichtigen Punkten wollen wir zu einer korrekten Darstellung beitragen.

    Stichwort: Konzept der TA-Akademie
    Zuletzt in der Antwort auf die Landtagsanfrage der Fraktion der Grünen vom 18.10.2002 gibt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Grund zu der Annahme, die TA-Akademie hätte seit dem Ausscheiden der Direktoriumsmitglieder kein schlüssiges Konzept gehabt, auch darum hätte man die Stellen nicht wieder besetzt.

    Tatsächlich hat das Direktorium bereits im Jahr 2000 gemeinsam mit dem Kuratorium ein detailliertes Konzept für die offen stehenden Leitungspositionen und ein Profil für die vier wissenschaftlichen Bereiche ausgearbeitet und dem Stiftungsrat vorgelegt. Vorsitzender des Stiftungsrates ist Minister Prof. Dr. Peter Frankenberg. Beides, Konzept und Profil, wurde vom Stiftungsrat ausdrücklich begrüßt und die damit verbundene Neuformulierung der Themenfelder genehmigt.
    Die Neubesetzung der Direktoriumsstellen wurde der TA-Akademie immer wieder in Aussicht gestellt, so dass auch ein dauerhaftes "Einrichten" in die bestehenden Bedingungen mit der reduzierten Zahl der besetzten Leitungspositionen nicht sinnvoll schien. Das Hin und Her zwischen grundsätzlich positiven Aussagen und dem Vertrösten gipfelte zuletzt in der Ausschreibung der zu besetzenden Posten im Juni 2001, die wieder zurückgezogen werden musste, als wenig später die geplante Evaluation - und damit eine erneute Verschiebung der Stellenbesetzung - bekannt wurde.

    Stichwort: Personal
    Die TA-Akademie verfügt über insgesamt 52 Planstellen. Aus Drittmitteln wurden im wissenschaftlichen Bereich 9,6 befristete Beschäftigungsverhältnisse (umgerechnet auf Vollzeitäquivalente) finanziert. An der TA-Akademie arbeiten derzeit ca. 70 Personen.

    Stichwort: Gutachten des Wissenschaftsrates
    Das Gutachten des Wissenschaftsrates nimmt differenziert Stellung zur TA-Akademie. Die wissenschaftliche Leistung der Institution wird jedoch insgesamt in keiner Weise in Frage gestellt. Konkret wurde die wissenschaftliche Leistung in der Stellungnahme in drei Bereichen mit sehr gut bis gut bewertet. In diesen drei Bereichen sind über 70 Prozent der Mitarbeiter der TA-Akademie beschäftigt und dort werden rund 80 Prozent aller Projekte abgewickelt.
    Die TA-Akademie hat darum allen Grund mit dem Gutachten offensiv umzugehen, was sie auch sofort nach bekannt werden der Beurteilung tat. Das Gutachten kann seitdem (und noch immer) auf den Internetseiten der Akademie (www.ta-akademie.de) eingesehen werden.

    Stichwort: Technikfolgenforschung bzw. TA in Baden-Württemberg
    Immer wieder ist von 430 Institutionen die Rede, die in Baden-Württemberg TA betreiben. Diese Zahl stammt aus der Dokumentation "Technikfolgenforschung in Baden-Württemberg - 2002" der TA-Akademie und stellt das "derzeit verfügbare TA-relevante Forschungspotenzial in Baden-Württemberg" dar. Der Bezug zur Technikfolgenabschätzung wurde dabei "bewusst sehr weit gefasst und schließt ... auch Vorhaben von Einrichtungen ein, die nur mittelbar TA betreiben oder diese durch partielle Studien und Analysen begleiten" (Dokumentation 2002).
    In vielen der dokumentierten Institutionen - vom Ingenieurbüro bis zum Universitäts-Institut - stellt das Thema TA lediglich einen Aspekt der Arbeit dar und eine Reihe dieser Institutionen bearbeitet nur zeitweise konkrete Projekte zum Thema.
    Gerade die Integration und Vernetzung der Forschungspotenziale der baden-württembergischen Institutionen - um das vorhandene Wissen zu bündeln, für die eigene Arbeit zu nutzen und daraus Empfehlungen für Politik und Gesellschaft abzuleiten - ist eine der Aufgaben der TA-Akademie.

    Die TA-Akademie setzt in ihren vielen Partizipations-Projekten auf einen fairen Umgang miteinander und eine offene Kommunikation. Dieses Prinzip wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der derzeitigen besonderen Situation weiter pflegen. Ein Beitrag in diesem Sinne ist auch dieser Brief.

    Mit freundlichen Grüßen
    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TA-Akademie


    Weitere Informationen:

    http://www.ta-akademie.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Politik, Recht, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).