idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.12.2002 18:14

Petersberg 2002: Afghanistans Wiederaufbau braucht weiterhin internationale Unterstützung

Susanne Heinke Public Relations
Bonn International Center for Conversion (BICC)

    Der Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan im November 2001 eröffnete der internationalen Staatengemeinschaft die einzigartige Gelegenheit, einem ständigen Unruheherd Frieden und Sicherheit zu bringen. Ein Jahr nach der ersten Petersberg-Konferenz kommen heute in Bonn abermals Vertreter Afghanistans und der internationalen Gemeinschaft zusammen.

    Peter Croll, Direktor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC), begrüßt die Initiative der deutschen Bundesregierung, die für den Friedensprozess in Afghanistan maßgeblichen Parteien abermals an einen Tisch zu holen: "Unter den Bedingungen einer stagnierenden Wirtschaft und einer ruinierten Infrastruktur fehlen Afghanistan die Kapazitäten, den Wiederaufbau ohne anhaltende internationale Hilfe anzukurbeln. Zudem hätte der Verlust der weltweiten Aufmerksamkeit angesichts möglicher militärischer Aktionen der USA im Irak katastrophale Auswirkungen auf Sicherheit und Stabilität Afghanistans."

    Die Übergangsverwaltung Afghanistans (Afghan Transitional Administration, ATA) unter Präsident Hamid Kazai hat beeindruckende Veränderungen bewirkt. Dennoch sind Gesetzlosigkeit und Zersplitterung, die auch schon frühere Regierungen in Afghanistan unterminiert haben, nach wie vor eine Bedrohung. Angesichts der komplizierten Sicherheitssituation ist die internationale Staatengemeinschaft weiter gefordert. Dies gilt insbesondere für die Bereiche:

    Reform des Sicherheitssektors: Die Autorität der Zentralregierung ist ebenso durch die Aktivitäten lokaler Kriegsherren (Warlords) wie durch den Terror von Taliban und al-Quaida bedroht. Die Reform des Sicherheitssektors muss deshalb entschieden vorangetrieben werden. Den USA wurden im Rahmen des internationalen Genfer Prozesses die Verantwortung für die Reform einer neu zu gründenden afghanischen Armee (Afghan National Army, ANA) übertragen. Die USA stellten fünfzig Millionen US Dollar für das 18 Monate dauernde Training und die Ausstattung von 18.000 afghanischen Soldaten zur Verfügung. Im April 2002 wurde ein Trainingsprogramm zusammen mit der ATA eingeführt, das jedoch unter mangelnder Transparenz und Ineffektivität litt. Die USA sollten ihre Unterstützung für das Trainingsprogramm der regulären Armee intensivieren. Gleichzeitig sollte die Hilfe für Warlords aufgeben werden, es sei denn sie trüge zu deren Anerkennung der Zentralregierung bei. In der Praxis bedeutet dies, dass die USA mit der Ausbildung von regionalen Einheiten aufhört, die nur den Warlords ergeben sind.

    Einhaltung der Verpflichtungen der Konferenz von Tokio: Von den 1,8 Milliarden US Dollar, die Afghanistan in diesem Jahr versprochen wurden, sind nur ca. eine Milliarde US Dollar bis September 2002 nach Afghanistan geflossen. Der Afghanische Außenminister Abdullah warnte davor, dass Afghanistan ins Chaos abgleiten würde, falls das für den Wiederaufbau zugesagte Geld zurückgehalten würde. Nur 16 Prozent der Mittel für 2002, ungefähr 87 Millionen US Dollar, gingen direkt an die Regierung in Afghanistan - der Rest floss hauptsächlich über UN-Stellen und Nicht-Regierungsorganisationen. Bis Ende September 2002 wies das Budget der ATA ein Defizit von 166 Millionen US Dollar auf. Als Antwort auf dieses Defizit hat die USA in einem Gesetzesentwurf eine weitere Hilfe von 2,3 Milliarden US Dollar zugesagt, diese muss jedoch noch vom Kongress bestätigt werden. Dieser Gesetzesentwurf, von dem erwartet wird, dass er von dem Kongress bestätigt wird, ist ein weiteres Anzeichen für eine schon lange erhoffte Änderung der Strategie der Regierung der USA von militärischen Operationen und Nothilfe hin zu Wiederaufbau und Entwicklung. Eine solche Änderung könnte den ins Stocken geratenen Prozess der nationalen Konsolidierung Afghanistans wieder in Gang bringen. Es ist wichtig, dass Regierungen anderer Geberländer dem US-Beispiel folgen, indem sie ihre Hilfeleistungen erneuern und neu strukturieren.
    BICC-Direktor Peter Croll weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die internationalen Leistungen für den afghanischen Wiederaufbau, für die in Tokio zwischen 2002 und 2006 5,25 Milliarden geplant wurden, selbst hinter den Schätzungen der Weltbank, die von notwendigen 10,2 Milliarden ausgehen, deutlich zurückbleiben. "Vergleicht man die geplante Pro-Kopf-Hilfe für Afghanistan und andere Post-Konflikt-Länder, ist das internationale Engagement für Afghanistan wesentlich niedriger. Während man in den Fällen Ruanda, Bosnien, Kosovo und Ost-Timor von durchschnittlich 250 Dollar pro Person und Jahr ausging, sieht die internationale Gemeinschaft in Afghanistan während der nächsten fünf Jahre nur 42 Dollar pro Kopf vor."

    Territoriale Ausweitung des Mandats der ISAF: Hilfsorganisationen, die Zentralregierung und UN-Agenturen, die in Afghanistan tätig sind, haben an den Sicherheitsrat der UN appelliert, das geographische Mandat der UN-Friedensmission ISAF (International Security Assistance Force) auf Gebiete außerhalb Kabuls auszuweiten. Die USA und die Europäischen Länder haben hingegen bisher gewarnt, dass die Kosten, die mit einer solchen Ausweitung von Ressourcen und Personal verbunden sind, untragbar seien. Der starke Anstieg der Unsicherheit in Afghanistan scheint jedoch ein Umdenken insbesondere in den USA wie auch in anderen Geberländern in Gang gesetzt zu haben. Die Präsenz von Friedenstruppen, zumindest in den wichtigsten regionalen Stadtzentren, ist dringend nötig, um eine Verschlechterung der Sicherheitsbedingungen aufzuhalten. Die Erweiterung der ISAF auf ganz Afghanistan wäre eine schwierige Mission, die den Einsatz von bis zu 30.000 Soldaten benötigen würde. Die internationale Gemeinschaft sollte überprüfen ob und wie der ISAF-Mission hierfür Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.

    Weitere Informationen:
    Susanne Heinke-Mikaeilian
    Tel.: 0228/911 96-44
    E-Mail: pr@bicc.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bicc.de/new.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).