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05.12.2002 09:48

Die Ausweitung der Europäischen Union im Blick

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    1,633 Millionen Euro von der VolkswagenStiftung zur Erforschung der Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas

    Noch besteht kein Konsens darüber, was Europa geografisch, historisch oder kulturell konstituiert, stößt doch schon der Prozess der Verständigung zwischen Ost und West auf Schwierigkeiten. Deshalb fördert die VolkswagenStiftung historische und gegenwartsbezogene Forschungen zum östlichen Europa, die die Vielfalt und Heterogenität dieses Kulturraums in den Blick nehmen und zugleich dessen Bezüge und Verbindungen zum übrigen Europa beleuchten. Vorrangiges Ziel dabei ist es, Ähnlichkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Teilen Europas herauszuarbeiten und Prozesse der gegenseitigen Beeinflussung und Durchdringung unterschiedlicher Kulturen zu untersuchen. In ihrem Schwerpunkt "Einheit in der Vielfalt? Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas" stellt die VolkswagenStiftung für sechs neue Vorhaben jetzt insgesamt 1,633 Millionen Euro bereit, darunter:

    1) 320.000 Euro für das Vorhaben "Europäische Integration und kulturelle Denk- und Wahrnehmungsmuster. Kulturelle Aspekte des EU-Erweiterungsprozesses anhand des Verhältnisses Europäische Union - Türkei" unter der Leitung von Professor Dr. Hans-Georg Soeffner vom Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz;

    2) 412.500 Euro für das Forschungsvorhaben "Integration - Exklusion. Die deutsche Entschädigung für NS-Opfer in West- und Osteuropa 1953 bis 1975"; es wird geleitet von Professor Dr. Hans Günter Hockerts vom Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    zu 1: Im Hinblick auf einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union (EU) wird sich das Konstanzer Forscherteam um Professor Hans-Georg Soeffner in den kommenden Jahren mit den Denk- und Wahrnehmungsmustern europäischer Akteure beschäftigen. Der Türkei kommt zweifelsohne eine eigene Bedeutung hinsichtlich der EU-Erweiterung zu. Denn während man innerhalb der bestehenden Union von einer "relativen" Übereinstimmung in den kulturellen und politischen Ordnungsvorstellungen der nationalen Gesellschaften ausgehen kann (griechisch-römische Tradition, Demokratieverständnis, Christentum ...), ergeben sich mit Blick auf den Islam und die politisch-kulturelle Ordnungsvorstellung des Kemalismus besondere Fragen. Wie etwa sind die in der türkischen Verfassung gestatteten Einschränkungen von Grundrechten oder die auf den Islam zurückzuführenden gesellschaftlichen Formen und Praktiken zu beurteilen, die den egalitären Verfassungsprinzipien des öffentlichen Bereichs innerhalb der türkischen Gesellschaft widersprechen (zum Beispiel die Unterdrückung der Frau in der patriarchalischen Familie oder die Heirat zwischen Minderjährigen)? Stellt folglich ein Beitritt der Türkei die "Einheitselemente" innerhalb der europäischen Vielfalt infrage? Und: Welche Voraussagen lassen sich machen über den weiteren Verlauf der Südost-Erweiterung? Quellengrundlage des Vorhabens sind Sitzungsprotokolle, Resolutionen und Berichte des "Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte und Sicherheits- und Verteidigungspolitik" des Europäischen Parlaments. Die Auswertung erfolgt anhand einer zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse. Darüber hinaus sind in die Forschungsaktivitäten Wissenschaftler der Marmara Universität in Istanbul, der Universität Athen und der Universität Zypern eingebunden.
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    Kontakt: Universität Konstanz, Fachbereich Geschichte und Soziologie, Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner, Tel.: 07531/88-2165, Fax: 07531/88-3194
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    zu 2: In dem zweiten Projekt setzt sich, gefördert mit 412.500 Euro, Professor Hans Günter Hockerts vom Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der Entschädigung der ausländischen Opfer des Nationalsozialismus in West- und Osteuropa im Zeitraum von 1953 bis 1975 auseinander. Deren Ansprüche blieben nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst unberücksichtigt, bezog sich die bundesdeutsche Entschädigungsgesetzgebung doch fast ausschließlich auf deutsche NS-Verfolgte. Erst nach internationalem Druck schloss die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1959 und 1964 entsprechende Verträge, um den Ansprüchen im Ausland wohnender ehemals Verfolgter zumindest teilweise nachkommen zu können. Alle Abkommen wurden dabei mit westeuropäischen Staaten geschlossen, dagegen blieben - ein spezifisches Epochenphänomen des Ost-West-Konflikts - mit Ausnahme der Opfer pseudomedizinischer Experimente die NS-Verfolgten mit Wohnsitz in Osteuropa weitgehend ausgeschlossen. Dies änderte sich erst, als im Rahmen der neuen Ostpolitik in den 1970er-Jahren eine Art "indirekte Wiedergutmachung" durch Abkommen mit Jugoslawien und Polen über Wirtschaftshilfe beziehungsweise Kredite eingeleitet wurde.

    Vor diesem Hintergrund wollen die Forscher Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Geschichte der Entschädigung für ehemals Verfolgte in Ost- und Westeuropa in internationaler Perspektive untersuchen. Unter Einbeziehung von Wissenschaftlern aus elf Staaten sollen vergleichend angelegte Länderstudien entstehen, die die Abkommen mit den westeuropäischen Staaten und die daran anknüpfenden Initiativen osteuropäischer Länder in den 1960er- und 1970er-Jahren auf Grundlage bislang nicht ausgewerteter Quellen behandeln. Darüber hinaus versteht sich das Vorhaben als Beitrag zur Gesellschaftsgeschichte des post-nationalsozialistischen Europas. Denn es beleuchtet in exemplarischen Fallstudien den jeweils spezifischen Umgang sowohl der Bundesregierung, aber auch der Regierungen in den beteiligten Staaten mit den Opfern des Nationalsozialismus.
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    Kontakt: Universität München, Historisches Seminar, Prof. Dr. Hans Günter Hockerts,
    Telefon: 0 89/21 80 - 2495, Fax: 0 89/21 80 - 2862
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    Des Weiteren stellt die VolkswagenStiftung in ihrem Europa-Schwerpunkt zur Verfügung:
    3) 220.700 Euro für das Vorhaben "Historische Prägestempel in grenzregionalen Identitäten. Selbstdefinition und gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Tschechen in direkter Nachbarschaft" unter der Leitung von Professor Dr. Werner Weidenfeld, Forschungsgruppe Deutschland am Centrum für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Partner auf tschechischer Seite ist das Institut für Soziologie der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik.
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    Kontakt: Universität München, Forschungsgruppe Deutschland, Centrum für angewandte Politikforschung, Prof. Dr. Werner Weidenfeld, Telefon: 0 89/21 80 - 9040,
    Fax: 0 89/21 80 - 9042
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    4) 260.300 Euro für das Vorhaben "Kollektive Identitäten und Geschichte in historiographischen und politischen Diskursen im postsowjetischen Raum: Belorussland, Litauen, Polen, Ukraine" der beiden Wissenschaftler Professor Dr. Zdzislaw Krasnodebski und Dr. Stefan Garsztecki vom Studiengang Kulturgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas am Seminar für Ost- und Mitteleuropäische Studien der Universität Bremen. In das Projekt eingebunden sind zudem Wissenschaftler in Polen und der Ukraine.
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    Kontakt: Universität Bremen, Seminar für Ost- und Mitteleuropäische Studien, Prof. Dr. Zdzislaw Krasnodebski, Telefon: 04 21/2 18 - 2770, Fax: 04 21/2 18 - 2023
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    5) 267.500 Euro für das Vorhaben "Sprache und Identität in Situationen der Mehrsprachigkeit. Sprachliche Individuation in multiethnischen Regionen Osteuropas" der beiden Forscher Professor Dr. Klaus W. Bochmann vom Institut für Romanistik der Universität Leipzig und Professor Dr. Stefan Troebst, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V., Leipzig. Neben den Leipzigern sind
    rumänische, ukrainische und moldauische Wissenschaftler in die Forschungen eingebunden.
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    Kontakt: Universität Leipzig, Institut für Romanistik, Prof. Dr. Klaus W. Bochmann, Telefon: 03 41/97 - 37411, Fax: 03 41/97 - 37429
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    6) 156.000 Euro für das Vorhaben "Russlands Regionen auf dem Weg nach Europa? Demokratisierung und Europaorientierung auf subnationaler Ebene in der Russländischen Föderation" - geleitet von Professor Dr. Wolfgang Eichwede von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.
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    Kontakt: Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropa, Prof. Dr. Wolfgang Eichwede,
    Telefon: 04 21/2 18 - 2216, Fax: 04 21/2 18 - 3269
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    Über diese vier im Rahmen der Europa-Förderinitiative neu bewilligten Projekte finden Sie ebenso wie über die beiden anderen in Kürze nähere Informationen auf unserer Homepage in den Bewilligungslisten zum Schwerpunkt "Einheit in der Vielfalt? - Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas". Dort können Sie sich auch über die älteren Bewilligungen informieren.
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    Kontakt VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Dr. Christian Jung, Tel.: 0511/8381-380, E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Kontakt VolkswagenStiftung, Förderinitiative "Einheit in der Vielfalt...": Dr. Wolfgang Levermann, Tel.: 0511/8381-212, E-Mail: levermann@volkswagenstiftung.de


    Weitere Informationen:

    http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse02/05122002.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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