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10.07.1998 00:00

Forscherforum über menschliche Siedlungen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Innovationspartnerschaften zur Revitalisierung unserer Städte haben 240 Wissenschaftler aus 71 Ländern empfohlen, die am 8. Juli 1998 an historischer Stätte, im Genfer Palast der Nationen, das "Forscherforum über menschliche Siedlungen" gegründet haben. Zu einem der Vizepräsidenten ist Dr. Volker Eichener, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB)gewählt worden.

    Bochum, 10.07.1998
    Nr. 149

    Bochumer Wissenschaftler zum Vize-Präsidenten gewählt
    Revitalisierung der Städte durch Innovationspartnerschaften
    Weltweites Forscherforum über menschliche Siedlungen gegründet

    Innovationspartnerschaften zur Revitalisierung unserer Städte haben 240 Wissenschaftler aus 71 Ländern empfohlen, die am 8. Juli 1998 an historischer Stätte, im Genfer Palast der Nationen, das "Forscherforum über menschliche Siedlungen" gegründet haben. Das Forscherforum arbeitet eng mit verschiedenen Behörden der Vereinten Nationen, der Weltbank, der Europäischen Union und bilateralen Entwicklungshilfeorganisationen zusammen. Zum Präsidenten wurde der Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Dakar (Senegal), Prof. Moustafa Kassé, gewählt; die Vizepräsidenten sind die Architekturprofessorin Martha Schteingart aus Mexico-City und Dr. Volker Eichener, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

    Im Teufelskreis von wachsendem Sozialaufwand und sinkendem Steueraufkommen

    Seit 12.000 Jahren, als in Kleinasien die ersten Städte gegründet wurden, sind die Städte die Zentren der Zivilisation - der wirtschaftlichen, der politischen und der kulturellen Entwicklung. Noch nie ist die Urbanisierung so rasch vorangeschritten wie im 20. Jahrhundert. Heute lebt erstmals in der Geschichte der Menschheit weltweit mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs angekommen, ist die Stadt jedoch gefährdet. Überall auf der Welt konzentrieren sich in den Städten Probleme von Armut, Arbeitslosigkeit, Zerfall von Familien, Vandalismus und Kriminalität, während die einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten die Städte verlassen und in die Vororte ziehen. Für die Kernstädte ergibt sich ein Teufelskreis aus wachsendem Sozialaufwand und sinkendem Steueraufkommen.

    Soziale Kontrolle bricht zusammen

    Besonders problematisch ist die Ghettobildung, die sich in vielen Innenstädten, zunehmend aber auch in den Hochhaussiedlungen an den Stadträndern abzeichnet. Hier finden sich auch in deutschen Städten hohe Konzentrationen von Einwanderern, aber auch von sozial schwachen einheimischen Bevölkerungsgruppen. Überschreitet die Konzentration von Problemgruppen einen bestimmten Anteil, ziehen andere Bewohner aus, und die Wohnungsämter weisen weitere Problemfamilien ein. An einem bestimmten Punkt bricht die soziale Kontrolle der Nachbarschaft zusammen; arbeitslose Jugendliche bilden Banden, Kinder werden kriminell, und Gruppen von Neonazis bilden sich, um gegen die Ausländer Front zu machen. Die Krimi-na-litätsstatistik, die einen besonders hohen Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität verzeichnet, ist nur eines der Alarmzeichen, daß uns auch in Deutschland eine "Amerikanisierung der Verhältnisse" droht.

    UNO-Habitat-Agenda als Leitlinie

    Die Forscher, die sich aus allen Kontinenten zu ihrer Genfer Konferenz zusammenfanden, stellten eine Konvergenz der Probleme, aber auch eine Konvergenz der Lösungsansätze fest. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, weltweit nach vorbildlichen Lösungsmodellen zu forschen und in der Politikberatung aktiv zu werden. Leitlinie ist dabei die Habitat-Agenda, die von der Konferenz der Vereinten Nationen über menschliche Siedlungen vor zwei Jahren in Istanbul verabschiedet worden ist.

    Innovationspartnerschaften gefordert

    Den Schlüssel zur Lösung der städtischen Probleme sehen die Forscher in Innovationspartnerschaften, die von staatlichen Behörden, den Kommunen, Nichtregierungsorganisationen und privatwirtschaftlichen Unternehmen eingegangen werden. So berichtete Dr. Eichener etwa von erfolgreichen Partnerschaften aus Hamburger Problemsiedlungen, wo Wohnungsunternehmen zusammen mit städtischen Behörden, Kirchengemeinden, Sportvereinen und anderen Partnern Nachbarschaftsvereine gegründet haben, die Sozialarbeiter beschäftigen, Jugendarbeit anbieten und Beschäftigungspro-jekte betreiben. Besonderer Wert wird dabei auf die Aktivierung von Selbst-hilfepotentialen in der Nachbarschaft gelegt, etwa durch gemeinsame Aktionen zur Wohnumfeldverbesserung. Die Deutschen können wiederum von den nordamerikanischen Erfolgen bei der Kriminalitätsbekämpfung lernen. Unter der Überschrift "community policing" wird dort Polizeiarbeit mit Sozialarbeit verknüpft, um die sozialen Ursachen von Kriminalität anzugehen. Auch in den USA werden in den Problemquartieren Nachbarschaftsorga-nisationen gegründet, um Selbsthilfe und soziale Kontrolle anzuregen.

    Kommunen stehlen sich aus der Verantwortung

    Gefordert ist aber auch die Wohnungspolitik. Durch auslaufende Bindungen wird sich der Bestand an belegungsgebundenen Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren halbieren. Gleichzeitig haben die Wohnungsämter immer mehr Problemgruppen zu versorgen, so daß eine zunehmende Konzentration auf bestimmte Wohnungsbestände vorprogrammiert ist. Zugleich stehlen sich die Kommunen aus ihrer Verantwortung, indem sie ihre kommunalen Wohnungsunternehmen verkaufen, um die Haushalte vorübergehend zu sanieren. Diese Entwicklung halten die Forscher für bedenklich.

    Problemgruppen anders versorgen

    Sie empfehlen stattdessen, auch den nicht belegungsgebundenen Wohnungs-bestand stärker zur Versorgung von Problemgruppen heranzuziehen, etwa indem die Stadt Kooperationsvereinbarungen mit den Vermietern abschließt und die Übernahme von etwaigen Mietausfällen und Instand-setzungskosten garantiert. Dies erfordert, daß Sozialhilfemittel vom Wohnungsamt zur Prävention von Wohnungslosigkeit eingesetzt werden dürfen, wie dies etwa in Köln mit großem Erfolg praktiziert wird.

    Geist der Kooperation zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand notwendig

    Vizepräsident Dr. Eichener: "Wenn der Sozialstaat finanziell überfordert ist und seine Leistungsfähigkeit einbüßt, müssen wir Partnerschaften bilden, um vorhandene Ressourcen zusammenzuführen und neue Ressourcen zu mobilisieren. Dazu werden einerseits intelligente Organisationsmodelle benötigt, andererseits aber auch ein Geist der Kooperation, um zu einer Verständigung zwischen verschiedenen Behörden und zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zu kommen."

    Forum: Nahtstelle von Wissenschaft und Praxis

    Solche Modelle aufzuspüren, systematisch auszuwerten und für die Praxis aufzubereiten, hat sich das Forscherforum zum Ziel gesetzt. Damit wäre das Forscherforum über menschliche Siedlungen das erste internationale Forschungsnetzwerk im Bereich Wohnungswesen und Stadtentwicklung, das nicht rein akademisch orientiert ist, sondern an der Nahtstelle von Wissenschaft und Praxis arbeitet. Die Politik hat die Aktivitäten des Netzwerks bereits anerkennend begrüßt. Der stellvertretende Generalsekretär der Vereinten Nationen und Direktor der Weltentwicklungsorganisation UNDP (United Nations Development Program), Wally N'Dow, bezeichnete das Forscherforum in seiner Begrüßungsansprache als eine "wundervolle Initiative".

    Weitere Informationen

    Dr. Volker Eichener, InWIS / Institut für Wohnungswesen, Immobilien-wirt-schaft, Stadt- und Regionalentwicklung GmbH an der Ruhr-Universität Bochum, Springorumallee 20, 44795 Bochum, Tel. 0234/9447-700,
    Fax: 0234/9447-777, email: INWIS@t-online.de (InWIS)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur, Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

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