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09.12.2002 11:34

Einschränkungen der Informationsversorgung durch das neue Urheberrecht?

Dr./M.A. Rudolf F. Dietze Präsidialabteilung, Bereich Kommunikation & Marketing
Universität Regensburg

    Stellungnahme
    der
    Deutschen Initiative für Netzwerkinformation e.V. (DINI)
    zum Regierungsentwurf für ein Gesetz zum
    Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
    (BT-Drs. 15/38 vom 06.11.2002)

    DINI, ein Verbund der Bibliotheken, Medienzentren, Rechenzentren, Forschungsinstitute und wissenschaftlicher Fachverbände der Hochschulen, begrüßt die Absicht der Bundesregierung, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologie anzupassen und rechtliche Klarheit auch für deren Nutzungsmöglichkeiten in Bildung und Wissenschaft herbeizuführen. Wir sind allerdings äußerst besorgt, dass die anstehende Novellierung des Urheberrechtsgesetzes für Bildung und Wissenschaft zu einschneidenden Behinderungen und zu unakzeptablen Einschränkungen der grundgesetzlich garantierten Rechte bei der öffentlichen Zugänglichkeit und der digitalen Nutzung von veröffentlichten Werken führen.
    Sehr problematisch sind vor allem einige der Regelungen, die in den Paragraphen
    - 52a (Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung)
    - 53 (Schrankenregelung für private und wissenschaftliche Nutzung)
    - 95a (Schutz technischer Maßnahmen)
    - 95b (Durchsetzung der Schrankenbestimmungen bei geschützten Werken)
    - 108b und 111a (Strafbewehrungen bei Verletzungen von §95a)
    des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 15/38 vom 06.11.2002) getroffen werden.

    Zu § 52a und § 53:
    DINI schlägt vor, dass die Geltung des § 52a auch für Studium und Lehre an Hochschulen zweifelsfreier formuliert wird: Zur Klarstellung sollten in der Überschrift des § 52a nach den Worten "im Unterricht" die Worte "an Schulen und Hochschulen" eingefügt werden.
    Höchst problematisch wäre für Lehre und Forschung dagegen eine Verengung der Schranke des § 52a Abs. 1, Nr.1 und 2 auf die öffentliche Zugänglichmachung bzw. Vervielfältigung "nur von kleinen Teilen eines Werkes", wie sie der Bundesregierung geboten erscheint:
    Völlig unverständlich und für Lehre und Forschung an den wissenschaftlichen Hochschulen unakzeptabel ist eine mögliche "Bereichsausnahme für Filmwerke" im § 52a, wie sie in der BT-Drs. 15/38 ( S.40, zu Nr. 2, letzter Abs.) erwogen wird. Filme und Fernsehsendungen würden dadurch als Quellen für Lehre und Forschung von der künftigen Nutzung digitaler Technologien ausgeschlossen - ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit von Lehre und Forschung!
    Wissenschaftliche - insbesondere medienwissenschaftliche - Forschung und Lehre ist nur möglich, wenn alle Quellen zugänglich sind. Das heißt zum Beispiel für (digitale) Fernsehsendungen, dass sie an Hochschulen aufgezeichnet, in wissenschaftlichen Mediatheken archiviert und für diese Zwecke dort entliehen werden können.
    Die Hochschulen verfolgen im Rahmen ihrer in §52a und §53 gewährten Privilegien nicht-kommerzielle Zwecke. Sie zahlen außerdem mit den geltenden Geräte- und Trägermedienpauschalen laufend sehr erhebliche Vergütungsbeträge an die Urheber bzw. Rechteverwerter als Ausgleich für ihre Nutzung. Insofern erzielen die Rechteinhaber durch diese Nutzungen für Bildung und Wissenschaft nicht unbeträchtliche Einnahmen ohne zusätzliche Aufwendungen. Dieses Pauschalvergütungssystem hat sich in jahrelanger Praxis in Deutschland bestens bewährt. Es sollte auch in Zukunft und für alle digitalen Medien beibehalten und vorgeschrieben werden. Eine Einzel-Lizensierung für die Nutzung in Lehre und Forschung wäre weder durchführbar noch kontrollierbar.
    Zu §§ 95a und b:
    Äußerst besorgt sind DINI und seine Mitgliedsinstitutionen auch darüber, dass die Möglichkeit, digitale Medien und Informationen mit technischen Maßnahmen wie Verschlüsselung, Verzerrung und sonstige Umwandlung unzugänglich zu machen, dazu führen wird, dass sie für die private wie die wissenschaftliche Nutzung künftig nicht mehr in der gebotenen Weise genutzt werden können und damit die grundgesetzlich vorgeschriebenen Schranken der §§ 52a und 53 unterlaufen werden. Dies führt beispielsweise schon heute dazu, dass die digital ausgestrahlten Fernsehprogramme (auch öffentlich-rechtlicher Sender) der europäischen Nachbar-staaten in Deutschland nicht mehr auf legale Weise empfangen und aufgezeichnet werden können. Sie sind dadurch auch nicht mehr zugänglich für die medienwissen-schaftliche Lehre und Forschung. Ein unhaltbarer Zustand im "Europa ohne Grenzen"!
    Wenn hier keine bessere Lösung zum Schutz der berechtigten Interessen von Bildung und Wissenschaft gefunden werden kann, so muss für Zwecke der Lehre und Forschung zumindest zugestanden werden, die technischen Maßnahmen ohne Strafandrohung zu umgehen, wie dies in vergleichbarer Weise auch "zum eigenen privaten Gebrauch" im §108b Abs. 1 Satz 2 eingeräumt wird.

    Zusammenfassung:
    Nach Überzeugung von DINI und seiner Mitgliedsinstitutionen bevorteilen die neuen Regelungen eindeutig vor allem die Rechteinhaber und die Verwertungsindustrie in ihrem Bestreben, die digitalen Technologien zur Durchsetzung und Maximierung ihrer rein ökonomischen Interessen auszunutzen - und zwar auf Kosten und zu Lasten der grundgesetzlich garantierten Rechte der Allgemeinheit, insbesondere in den Bereichen Bildung und Wissenschaft:
    Ø Die bisher bei der Nutzung von analogen Werken, Informationen und Medien in Bildung und Wissenschaft notwendige und gängige Praxis wird beim Übergang zu den digitalen Technologien verhindert. Bei Fortsetzung der üblichen Praxis würden die Schulen und Hochschulen in Deutschland pauschal kriminalisiert.
    Ø Bildung und Wissenschaft sind unbestritten Grundlage und Motor des Fortschritts. Sie müssen ungehindert teilhaben an der Nutzung der Vorteile der digitalen Technologien, um die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen und die Zukunftsaufgaben bewältigen zu können. Die Ziele der Bundesregierung und aller ihrer einschlägigen Förderungsprogramme richten sich mit Recht auf eine breitere Nutzung der neuen Technologien ("Neue Medien") in Bildung und Wissenschaft. Dazu stünde in krassem Widerspruch, wenn im Urheberrecht gerade für Bildung und Wissenschaft die Zugänglichkeit und Nutzung der digitalen Technologien eingeschränkt und behindert wird.
    Ø Es ist zu erwarten, dass die Nachbarländer den von der EU-Richtlinie gesetzten Rahmen für Schrankenregelungen für ihre Bildung und Wissenschaft voll ausnutzen. Eine im Vergleich dazu für Schulen und Hochschulen engere Regelung würde in Deutschland zu einer unzumutbaren Schlechterstellung und nicht tragbaren Wettbewerbsverzerrung führen.
    Ø Die öffentliche Zugänglichmachung und Vervielfältigung etwa in Intranets - z.B. in eLearning-Plattformen, Websites, Datenbanken, Online-Mediatheken und -Bibliotheken - muss für den gesamten Bereich der öffentlich-rechtlichen, nicht-kommerziellen Ausbildung, für Lehre, Wissenschaft und Forschung auch in Deutschland zulässig sein. Die EU-Richtlinie gibt hierzu in Art. 5 ausdrücklich entsprechende Empfehlungen.

    Weitere Informationen finden Sie unter:
    http://www.bibliotheksverband.de/dbv/dokumente/DINI_29_11_02.doc
    http://www.dini.de
    Ansprechpartner: Prof. Dr. Dr. h.c. Elmar Mittler
    Tel. 0551/39-5210


    Weitere Informationen:

    http://www.bibliotheksverband.de/dbv/dokumente/DINI_29_11_02.doc,
    http://www.dini.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht, Sprache / Literatur
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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