idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
30.01.2014 12:53

Cholesterinsenker sind nicht schädlich für das Gedächtnis. Schützen sie sogar vor Vergesslichkeit?

Frank A. Miltner Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie

    Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)

    30. Januar 2014 – Die Sorge, dass die häufig verschriebene Medikamentenklasse der Cholesterinsenker (Statine) das Gedächtnis schädigen könnte, scheint unbegründet. In einer Übersichtsarbeit, bei der Studien mit mehr als 23.000 Männern und Frauen ausgewertet worden waren, fanden US-Forscher bei kurzfristiger Einnahme kein erhöhtes Risiko und bei längerer sogar einen Schutzeffekt.

    „Unterm Strich könnten laut dieser Studie Statine das Risiko einer Demenz um 29 Prozent senken, wenn sie ein Jahr oder länger eingenommen werden“, fasst Professor Matthias Endres, zweiter Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité, das Ergebnis der Meta-Analyse zusammen. Im Umkehrschluss sollten Statine aber nicht entgegen ihrer Zulassung als Anti-Demenzmittel eingesetzt werden, betont Professor Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Regelmäßiger moderater Sport zeige sich als Vorsorgemaßnahme gegen Demenz ähnlich wirksam.

    Mit einem jährlichen Gesamtumsatz von etwa 20 Milliarden Euro bis zum Ablauf ihres Patentschutzes waren die Statine zumindest aus wirtschaftlicher Sicht die erfolgreichste Arzneimittelklasse der vergangenen 30 Jahre. Etwa 220 Millionen Menschen weltweit nehmen diese Medikamente ein, um sich vor Herzinfarkten und Schlaganfällen zu schützen.

    Mehrere Studien berichteten in der Vergangenheit, dass Menschen, die Statine einnehmen, seltener von einer Demenz wie zum Beispiel die Alzheimer-Krankheit betroffen sind. Andere Untersuchungen fanden aber keinen Effekt. Im Gegenteil wurden nach der Einnahme vereinzelt sogar Gedächtnisstörungen und Vergesslichkeit beobachtet, bis hin zum vorübergehenden Gedächtnisverlust, was heute in den Beipackzetteln dieser Präparate auch nachzulesen ist. „Zusammen mit entsprechenden Presseberichten hat dies auch zur Verunsicherung der Patienten beigetragen“, so Endres. „Deshalb war es enorm wichtig, die Studien dazu genau unter die Lupe zu nehmen.“

    Statine über kurze Zeit – kein Unterschied erkennbar

    Forscher um Kristopher J. Swiger von der Johns Hopkins University in Baltimore hatten diese Lupe herausgeholt, die Publikationen systematisch analysiert und unter den 41 Studien zum Thema die 16 methodisch besten ausgewählt. Für den ersten Teil der Untersuchung wurden acht Studien erfasst, die einen kürzeren Gebrauch von Statinen untersucht hatten. Drei dieser Studien ermöglichten eine quantitative Auswertung, weil hier die Teilnehmer bei einem Denktest unter Zeitdruck Zahlen durch Symbole ersetzen mussten. Dabei fanden sich keine eindeutigen Unterschiede zwischen denjenigen, die Statine bekommen hatten, und jenen Teilnehmern, die stattdessen ein Scheinmedikament einnahmen. Kristopher J. Swiger fand „keinen Zusammenhang zwischen dem kurzfristigen Gebrauch von Statinen und Gedächtnisverlust oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen“.

    Statine über längere Zeit – Demenzrisiko scheint sogar zu sinken

    Teil zwei der Analyse sollte die langfristigen Folgen der Statin-Einnahme klären. Hier standen die Daten aus acht Studien mit mehr als 23.000 Menschen zur Verfügung, bei denen es anfänglich keine Hinweise auf Gedächtnisstörungen gab. Im Durchschnitt waren diese Patienten zwischen drei bis maximal 25 Jahre lang untersucht worden. In drei der acht Studien fand sich kein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Statinen und dem Demenzrisiko. In fünf Studien aber fanden die Wissenschaftler einen positiven Einfluss der Arzneien. Zusammengenommen errechneten die Forscher für alle acht Langzeitstudien ein um 29 Prozent geringeres Risiko, an einer Demenz zu erkranken, gegenüber Patienten, die lediglich ein Scheinmedikament erhalten hatten. Professor Matthias Endres kommentiert kritisch: „Einige große Statin-Studien, wie die PROSPER-Studie (Prospective Study of Pravastatin in the Elderly at Risk) oder die Heart Protection Study, ergaben keinen Hinweis auf einen schützenden Effekt der Statine. Diese wurden aber in der aktuellen Übersichtsstudie nicht mit eingerechnet.“

    Vorsichtiger Optimismus

    „Auch aufgrund früherer Berichte zu möglichen Nebenwirkungen der Statine auf das Gedächtnis ist auch diese neue Studie mit Vorsicht zu betrachten“, kommentiert Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. „Es stimmt mich aber optimistisch, zu sehen, dass die Einnahme von Cholesterinsenkern über einen längeren Zeitraum womöglich das Risiko verringert, an einer Demenz zu erkranken“. Dass Statine einen solchen Effekt haben, scheint plausibel. Schließlich verringern oder stabilisieren die Cholesterinsenker jene Ablagerungen (Plaques) in den Gefäßen, die Verengungen verursachen, den Blutfluss ins Gehirn verringern und durch Verstopfungen Schlaganfälle auslösen können. „Was die neurokognitiven Effekte der Statin-Therapie angeht, so könnten Ärzte und Patienten nun beruhigt sein“, folgert Diener aus der neuen Studie.

    Nutzen und Risiken mit dem Arzt besprechen

    Millionen von Menschen nehmen Statine ein, erinnert Professor Endres. „Der mögliche Nutzen muss gegen die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen wie Schädigungen der Muskulatur abgewogen werden. Eine Beratung mit dem Arzt ist deshalb vor der Einnahme unbedingt erforderlich.“

    Quelle
    Swiger KJ et al:. Statins and cognition: a systematic review and meta-analysis of short- and long-term cognitive effects. Mayo Clin Proc. 2013 Nov;88(11):1213-21
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24095248

    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen

    Prof. Dr. med. Matthias Endres
    2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
    Direktor der Klinik für Neurologie
    Ärztlicher Centrumsleiter, Charité Centrum 15 für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie
    Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin
    Tel.: +49 (0)30 450560-102, Fax: +49 (0)30 450560-932
    E-Mail: matthias.endres@charite.de

    Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener
    Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
    Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen
    Hufelandstr. 55, 45122 Essen
    Tel.: +49 (0)201 7232460, Fax: +49 (0)201 7235901
    E-Mail: hans.diener@uk-essen.de

    Pressestelle der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft
    Tel.: +49 (0)711 8931-380
    Fax: +49 (0)711 8931-167
    E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Tel.: +49 (0)89 46148622
    Fax: +49 (0)89 46148625
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als medizinische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 7500 Mitgliedern die Qualität der neurologischen Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist seit 2008 Berlin. www.dgn.org

    1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
    2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang H. Oertel
    3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Ralf Gold
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter

    Geschäftsstelle
    Reinhardtstr. 27 C
    10117 Berlin
    Tel.: +49 (0)30 531437930
    E-Mail: info@dgn.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dgn.org - DGN Website
    http://www.dsg-info.de - DSG Website


    Bilder

    Anhang
    attachment icon PM Statine und Kognition

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).