Kassel. Zum dritten Mal wurde der Italienpreis, den die Italienische Handelskammer für Deutschland der GhK seit 1995 stiftet, verliehen. Den mit 5.000 DM dotierten Preis, der für besonders herausragende Arbeiten zu Italien vergeben wird, teilten sich in diesem Jahr zum ersten Mal zwei Preisträger. Ausgezeichnet wurden Dr. Beate Wins für ihre Dissertation "Babylo minima". Mailand in der Erzählliteratur des späten Ottocento", und Dipl.-Oec. Mirko W. Tauber, für seine Diplomarbeit II über "Die Markterschließung für ostdeutsche Produkte in Italien". Gutachter Dr. Wins' waren Prof. Dr. Richard Schwaderer, Fachbereich Anglistik/Romanistik der GhK, sowie Prof. Dr. Ernstpeter Ruhe, Würzburg. Die Gutachten für Mirko Tauber erstellten Prof. Dr. Gerd-Michael Hellstern und Prof. Dr. Reinhard Hünerberg, die beide dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Kasseler Universität angehören.
Die Preisverleihung fand am 9. Juli in Anwesenheit des Botschafters der Republik Italien in Deutschland, Dr. Enzo Perlot, des Gesandten der Botschaft, Dr. Francesco Peano, des Präsidenten der Universität Gesamthochschule Kassel, Prof. Dr. Hans Brinckmann, des Präsidenten der Italienischen Handelskammer für Deutschland e.V. in Frankfurt, Dr. Giovanni de Zotti, und des Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Kassel, Dr. Walter Lohmeier, statt. Die Laudationes hielt Prof. Dr. Schwaderer, den Festvortrag "Deutschland und Italien, 1960 bis 1990: Zwei Volkswirtschaften zwischen Komplemetarität und Konkurrenz" trug Prof. Dr. Peter Hertner von der Universität Halle-Wittenberg vor.
Der Italienpreis sei Ausdruck dafür, wie notwendig es sei, sich mit dem heutigen Italien zu beschäftigen, betonte der Präsident der Italienischen Handelskammer für Deutschland, Dr. de Zotti bei der Preisverleihung. Und weiter: "Es ist ein Italien, das die Jüngeren in dem zukünftigen Europa wesentlich intensiver als Teil des eigenen Alltags erleben werden. Denn ich glaube nicht, daß ein "nationales" Berufsleben für eine Karriere in Industrie und Wirtschaft - auch auf den mittleren Ebenen - im europäischen Binnenmarkt noch möglich sein wird. Wenn die Unternehmen, auch die kleinen und mittleren, ihre regionalen und nationalen Grenzen überschreiten, um sich im europäischen Markt ein besseres Überleben zu sichern, so können die Menschen in diesen Unternehmen sich dem nicht entziehen."
In ihrer Dissertation beschäftigte sich Dr. Wins mit der italienischen Erzählliteratur zu Mailand im ausgehenden 19. Jahrhundert (Ottocento) und beginnenden 20. Jahrhundert und zeichnet dabei die Problematik, Entstehung und Entwicklung einer modernen italienischen Großstadtliteratur nach. Es handelt sich dabei um eine Thematik, die bislang kaum Beachtung gefunden hatte: Während etwa die französische und englische Literatur eine Vielzahl von Großstadttexten zu Paris und London kennen, wurde der italienischen Literatur in der literaturgeschichtlichen Forschung stets ein Mangel an Urbanität nachgesagt. Hier zeichnete sich die 35jährige Romanistin, die derzeit im Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg tätig ist, besonders aus: Sie zeigte, daß sich auch in Italien - und zwar vor allem zu Mailand - zahlreiche Werke der Großstadtthematik annehmen. Sie eröffnete durch ihre intensive Forschung ganz neue Sichtweisen und konnte die literarhistorische Bedeutung einiger Werke völlig neu bestimmen: So verweist z. B. Paolo Valeras Roman "La folla" mit seinen experimentierenden Erzählverfahren weit über die Jahrhundertwende hinaus auf die Moderne.
Genau diese Tatsache begeisterte auch ihre Gutachter. Ihre genaue und tiefgehende Forschung fiel ihnen besonders auf. "Hier ist positiv hervorzuheben, daß die Verfasserin mit erheblicher Mühe sich auch die oft nur schwer zugängliche und abgelegen publizierte italienische Forschungsliteratur zugänglich gemacht hat", urteilte Gutachter Schwaderer. Beide Gutachter hoben als besondere Leistung hervor, daß Wins sich nicht von anderen Forschungen beeinflussen ließ, sondern ihren eigenen Weg ging. "Gegen diesen Strom anzuschwimmen und sich auf einen Gegenstand wie Mailand im ausgehenden 19. Jahrhundert zu konzentrieren, ist ein um so mutigerer Schritt..." so Prof. Ruhe in seinem Zweitgutachten.
Mirko W. Tauber behandelte in seiner Diplomarbeit ein ökonomisches Thema von Bedeutung: Er analysierte die Chancen von ostdeutschen Klein- und Mittelunternehmen auf dem italienischen Markt; dabei untersuchte und beschrieb er besonders die Rolle von gezielter und professioneller Unterstützung und Beratung bei der Erschließung Italiens als Absatzmarkt. Tauber behandelte mit der Internationalisierung bzw. dem Prozeß der Internationalisierung von Klein- und Mittelunternehmen ein Thema, das bisher in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur größtenteils ausgespart wurde. Empirische Studien liegen bislang primär über das Vorgehen von Großunternemen bzw. Konzernen vor. Er unterstreicht die Beratungsleistungen beim Unternehmensaufbau in Italien, wie sie etwa die deutsch-italienische Handelskammer anbietet.
Die besondere Bedeutung der Arbeit liege im Versuch, sich nicht nur auf die Erfolgsfaktoren Marktattraktivität, Kundenbedürfnisse etc. zu konzentrieren; es sei vor allem der Prozeß, die Rolle und Aufgaben der Italienischen Handelskammer für Deutschland als Berater beim Neueintritt auf den italienischen Markt untersucht worden, so Gutachter Hellstern. Die Untersuchung mache deutlich, wie dringend erforderlich gezielte, professionelle Unterstützungsmaßnahmen sind, um den erfolgreichen Start kleiner und junger Unternehmen durch systematische Nutzung von Auswahlverfahren, Information, Partnersuche und Kontaktunterstützung sowie Beratung für adäquate Vertriebsstrukturen zu fördern, so Hellstern weiter. Wenngleich die Diplomarbeit keinen Anspruch auf Repräsentatitvität erhebe, gebe sie doch wichtige Hinweise auf Marktstrukturen in Italien und Wachstumsbranchen wie Telekommunikation, Medizin und Umwelt. Dabei ging Tauber (28) auch über den italienischen Markt hinaus und beschäftigte sich mit globalen Marke-tingsstrategien.
Hier lag für den Erstgutachter Hellstern auch eine der besonders hervorzuhebenden Leistung der Arbeit. "Sowohl im Hinblick auf die Struktur als auch auf die Branchen zeigt die Aufbereitung der vorliegenden Marktforschungen, daß sich das Bild und die tatsächliche Struktur der Handelsbeziehungen deutlich unterscheidet. Hier sollte auch die weitere Forschung ansetzen...". Ihm gefiel auch besonders, daß Tauber die große Rolle von Beratung und Hilfe für die Unternehmen auf dem internationalen Markt erkannt hat. "Die zentrale Leistung des Verfassers liegt in der Darstellung und Evaluation des Vermarktungshilfeprogramms, ..." betont auch Prof. Hünerberg in seinem Zweitgutach-ten.
Bisherige Trägerinnen des Italienpreises der gemeinsam von der Italienischen Handelskammer, der GhK und der IHK Kassel überreicht wurde, waren 1996 Charis Pöthig und 1997 Dr. Gabriele Huber. Pöthig hatte den Preis für ihre Diplomarbeit im Fachbereich Anglistik/Romanistik der GhK "Umbruch im Osten" erhalten. Dr. Huber bekam die Auszeichnung für ihre Habilitationsschrift "Enrico Baj und die künstlerische Avantgarden 1945 - 1964", mit der sie 1996 am Fachbereich Kunst der GhK habilitiert wurde.
Kontakt und weitere Informationen:
Mirko W. Tauber, Berneburgstr. 11, 34134 Kassel,
Tel. (05 61) 47 40 11
Dr. Beate Wins, 20,rue der Bragance, L-1255 Luxembourg,
Tel. (0 03 52) 25 19 36
Till Schwarze/UH
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Sprache / Literatur, Wirtschaft
überregional
Personalia
Deutsch
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